Diese Woche geht es um die aktuellen Korruptionsskandale in der Ukraine. Außerdem beantworte ich die Frage, wie Osteuropäer:innen über Deutschland denken (Spoiler: eher schlecht). Und wie immer gibts ein Portiönchen Hoffnung.
Wenn du diesen Newsletter magst, leite diese E-Mail gerne an deine Freund:innen oder deine Familie weiter. Solltest du diesen Newsletter zum ersten Mal erhalten, kannst du ihn hier abonnieren.
Was ist gerade wichtig?
Die Ukraine wird gerade von einem Korruptionsskandal nach dem anderen erschüttert. Es gab Razzien. Politiker:innen und Beamt:innen wurden reihenweise entlassen oder verhaftet. Zum Teil deckten Journalist:innen die Fälle auf, zum Teil die Antikorruptionsbehörde NABU. Unter anderem geht es darum, dass das Verteidigungsministerium überteuerte Lebensmittel für die Armee eingekauft hat.
Was bedeutet das für die Ukraine?
Viele interpretieren die aktuellen Skandale so: Die Ukraine ist zwar korrupt, bewegt sich aber in die richtige Richtung. Denn sowohl die Medien als auch die Antikorruptionsbehörde machen anscheinend einen guten Job. Und in der Ukraine gibt es eine breite gesellschaftliche Debatte über die Skandale. Damit der Kampf gegen Korruption funktioniert, braucht es genau das: eine lebendige Zivilgesellschaft und kritische Medien. Was genau Korruption ist und was dagegen hilft, habe ich in diesem Artikel erklärt.
Auf der anderen Seite: Auch wenn es in die richtige Richtung geht, ist Korruption in der Ukraine immer noch ein Riesenproblem. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International steht die Ukraine auf Platz 116 von 180 – also ziemlich weit hinten. Russland steht übrigens auf Platz 137.
Viele Länder unterstützen die Ukraine gerade mit Hilfen in Milliardenhöhe. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Ukraine das Geld sinnvoll einsetzt – oder ob es in den Taschen korrupter Oligarch:innen landet. Manche Ukrainer:innen fordern die EU deshalb dazu auf, die Hilfsgelder an konkrete Bedingungen zu knüpfen, damit die Ukraine die nötigen Reformen angeht. Schließlich ist die Ukraine seit Juni 2022 EU-Beitrittskandidat. Auch Transparency International schreibt, dass der EU-Beitrittsprozess eine „Steilvorlage“ sei, um wirksam gegen Korruption zu kämpfen.
Die Frage der Woche
KR-Miglied Günter fragt: „Wie sehen Osteuropäer die Hilfeleistung aus Deutschland?“
Länder in Osteuropa haben gerade ein eher schlechtes Bild von Deutschland. Besonders das deutsche Verhältnis zu Polen ist angespannt. Die populistische PiS-Partei und die ihr nahestehenden Medien haben schon immer gerne über Deutschland geschimpft. Doch seit dem russischen Überfall auf die Ukraine kritisieren polnische Medien aus allen politischen Lagern Deutschland. Die Kritik ist, dass Deutschland die Ukraine zu wenig unterstütze und sich wirtschaftlich zu sehr an Russland gebunden habe. Mit Ausnahme von Ungarn stehen viele osteuropäische Länder Russland schon seit Jahren skeptisch gegenüber und kritisieren Deutschland für seine wirtschaftliche Abhängigkeit von russischem Gas und die zögerlichen Waffenlieferungen.
Eine Umfrage zeigt, dass Pol:innen die deutsch-polnischen Beziehungen immer negativer einschätzen. Im Oktober 2021 bewerteten noch 15 Prozent der Befragten die deutsch-polnischen Beziehungen als schlecht, im September 2022 waren es schon mehr als doppelt so viele: 31 Prozent. Nur 13 Prozent bewerteten das Verhältnis als gut. Die Hälfte aller Befragten fanden es weder gut noch schlecht.
Auch in den baltischen Staaten, also in Estland, Lettland und Litauen, ist die Kritik an Deutschland groß. Immer wieder protestierten im vergangenen Jahr Balt:innen vor den Gebäuden der deutschen Botschaft für strengere Sanktionen gegen Russland. Vor einigen Wochen forderten Demonstrierende vor der deutschen Botschaft in der litauischen Hauptstadt Vilnius, dass Deutschland Leopard-2-Panzer an die Ukraine liefert. Inzwischen hat Deutschland der Panzer-Lieferung zugestimmt.
In absoluten Zahlen hilft Deutschland der Ukraine übrigens ziemlich viel. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) dokumentiert alle Regierungshilfen an die Ukraine. Deutschland steht mit Hilfen in Höhe von 5,5 Milliarden Euro an dritter Stelle. Davor kommen nur Großbritannien und die USA. Allerdings zögert Deutschland jedes Mal, wenn es darum geht, der Ukraine mehr und schwerere Waffen zu liefern. Und bei den Ländern in Osteuropa scheint nur dieses Zögern hängenzubleiben.
Die Zahlen des IfW Kiel zeigen noch etwas anderes: Gemessen am eigenen BIP gehören die baltischen Staaten und Polen zu den stärksten Unterstützern der Ukraine. An erster Stelle steht das kleine Estland, das die Ukraine mit Hilfeleistungen von 1,3 Prozent des BIPs unterstützte.
Der Link der Woche
Millionen Menschen aus der Ukraine sind seit dem 24. Februar vergangenen Jahres aus ihrem Land geflohen. Mehr als acht Millionen halten sich laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR in verschiedenen Ländern Europas auf. Die meisten von ihnen geben in Umfragen an, wieder in ihre Heimat zurückkehren zu wollen – aber nicht alle. Dieser Artikel (auf Englisch) geht der Frage nach, warum viele der Ukrainer:innen dauerhaft in den Ländern bleiben könnten, in denen sie gerade Zuflucht suchen. Für die Ukraine könnte das zu einem Problem werden, denn die Bevölkerung schrumpfte schon vor Beginn des Angriffskrieges. Ukrainische Soziolog:innen warnen bereits vor einer demografischen Katastrophe.
Die Hoffnung der Woche
Das Sinfonieorchester der Nationalphilharmonie Lwiw hat ein Konzert in Rochester, USA, gegeben. Mit den Einnahmen aus dem Konzert sollen Generatoren für die Ukraine gekauft werden, deren Infrastruktur Russland seit Monaten angreift. Das Konzert solle „eine Botschaft der Hoffnung“ sein, so schreibt es der Veranstalter.
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert