Heute geht es um den internationalen Holocaust-Gedenktag und was das mit dem Krieg von heute zu tun hat. Außerdem erkläre ich dir, welchen Medien und Informationen zum Kriegsgeschehen du vertrauen kannst. Und wie immer gebe ich dir eine kleine Portion Hoffnung mit.
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Was ist gerade wichtig?
Vergangenen Freitag erinnerten weltweit Menschen an die Opfer des Nationalsozialismus. Der 27. Januar ist der internationale Holocaust-Gedenktag, denn an diesem Tag befreiten Soldaten der sowjetischen Streitkräfte vor 78 Jahren das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau im polnischen Dorf Oświęcim.
Was hat dieser Tag mit der Ukraine zu tun?
Wenn Deutsche an den Holocaust erinnern, dann denken sie dabei selten an Osteuropa. Dabei fand der Großteil des Holocausts dort statt: Die Nazis löschten das polnische Judentum fast vollständig aus. Auch in der Sowjetunion wurden Millionen jüdische Menschen umgebracht. Insgesamt ermordeten die Nazis in der Sowjetunion, Polen und den baltischen Staaten rund 5,4 Millionen Jüd:innen.
Der Holocaust in Osteuropa beschränkte sich nicht nur auf Konzentrationslager: Viele Menschen wurden in Massenerschießungen grausam hingerichtet. In der Schlucht Babyn Jar in Kyjiw erschossen die Nazis 1941 innerhalb von nur zwei Tagen 33.000 Jüd:innen. Auf dem Gebiet der heutigen Ukraine gibt es rund 2.000 solcher Erschießungsstätten. Diese Massenerschießungen werden „Holocaust durch Kugeln“ genannt.
Auch heute spielt das Gedenken eine Rolle, sogar in der Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine. Häufig wird argumentiert, dass Nazi-Deutschland schwere Verbrechen gegen Russland begangen habe und man deshalb heute keine Waffen liefern solle, die gegen Russland eingesetzt werden. Beispielsweise in diesem Kommentar vom MDR. Ich habe Zweifel an diesem Argument. Denn die deutschen Verbrechen richteten sich ja nicht nur gegen Russ:innen, sondern auch gegen Belarus:innen, Pol:innen, oder eben Ukrainer:innen.
Andere berufen sich in ihrer Argumentation zwar auch auf die deutsche Geschichte, leiten daraus aber eine Verpflichtung zu Waffenlieferungen ab. Schon im Mai sagte Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft im Bundestag: „Euer ‘nie wieder’ ist nichts wert”.
Die Frage der Woche
KR-Miglied Günter fragt: „Ich weiß, dass nicht alle Informationen verifizierbar sind und beide Seiten Falschinformationen verbreiten können. Ich glaube zwar nicht, dass es eine allumfassende Wahrheit gibt, hätte aber gerne Hilfe bei der Einordnung. Wie kann man die Wichtigkeit der Medien in diesem Krieg bewerten?“
Ich bin zwar ein Teil der Medien und muss das jetzt sagen, aber: Ich glaube wirklich, dass die meisten Medien aus demokratischen Ländern einen guten Job machen. Trotzdem gibt es Grenzen der Berichterstattung. Und gerade in einem Krieg ist es schwer, bestimmte Informationen zu verifizieren.
1. Hab Geduld
Das Kriegsgeschehen kann sich schnell ändern, beispielsweise wenn es darum geht, ob eine bestimmte Stadt von Russland besetzt oder der Ukraine zurückerobert wurde. Seriöse Medien kennzeichnen normalerweise, wenn eine Information noch nicht gesichert ist. Hier ist es sinnvoll, erst mal abzuwarten und sich ein paar Tage später noch einmal zu informieren: Meistens ist die Situation dann klarer und Reporter:innen konnten sich vor Ort ein Bild machen.
2. Vertraue unabhängigen Quellen
Bestimmte Dinge verschweigen die Ukraine und Russland absichtlich oder stellen sie nicht ganz korrekt dar. Darunter gehört vor allem die Zahl der getöteten und verletzten Soldat:innen. Das hat strategische Gründe: Beide Länder wollen ihre wahren Verluste verschleiern und die Moral ihrer Truppen aufrechterhalten. Seriösen Medien ist das aber bewusst und würden diese Zahlen nicht einfach so übernehmen. Etwas vertrauenswürdiger sind hier die Zahlen von Außenministerien und Geheimdiensten aus anderen Ländern, etwa den USA oder Großbritannien. Die Vereinten Nationen veröffentlichen regelmäßig Schätzungen zur Zahl getöteter Zivilist:innen.
Vertrauenswürdige Medien stützen sich nicht nur auf die offiziellen Aussagen der ukrainischen und russischen Regierung. Sie analysieren Videos, befragen Wissenschaftler:innen, Zivilist:innen und humanitäre Organisationen oder haben selbst Reporter:innen vor Ort. All das sind Hinweise, dass die Zeitung oder der Sender einen ordentlichen Job machen.
3. Schütze dich vor Propaganda
Es stimmt, dass sowohl Russland als auch die Ukraine Falschinformationen verbreiten können. Trotzdem finde ich hier eine Unterscheidung zwischen Russland und der Ukraine wichtig: Russland hat eine Propagandamaschine aufgebaut, die Andersdenkende verfolgt und unabhängige Berichterstattung in Russland unmöglich macht. Oppositionelle und unabhängige Journalist:innen sind im Gefängnis oder im Exil. Russische Staatsmedien sind also eine schlechte Quelle, dazu gehören auch die deutschsprachigen Ableger wie RT oder Sputnik.
In der Ukraine dagegen ist eine unabhängige Berichterstattung möglich. Beispielsweise haben Journalist:innen der Zeitungen Dserkalo Tyschnja und Ukrajinskaja Prawda kürzlich einen Korruptionsskandal in der Regierung aufgedeckt – und Wolodymyr Selenskyj bedankte sich sogar dafür.
Das bedeutet natürlich nicht, dass deutsche Medien alles einfach übernehmen, was die ukrainische Regierung oder ukrainische Medien sagen. Ein Beispiel dafür ist der Raketeneinschlag in Polen vergangenen November, bei dem zwei Menschen starben. Es handelte sich um eine ukrainische Flugabwehrrakete. Trotzdem sprach Selenskyj noch tagelang von einer russischen Rakete, obwohl es dafür keine Beweise gab. Internationale Medien hingegen beriefen sich auf Expert:innenmeinungen, die die Flugbahn und die Bauart der Rakete berücksichtigten. Auch in solchen Fällen ist es sinnvoll, erst mal abzuwarten – und sich zu überlegen, wie plausibel die Erklärungen von Expert:innen und Medien sind.
Der Link der Woche
Der ukrainisch-jüdische Journalist Michael Gold sammelt Augenzeugenberichte von jüdischen Geflüchteten. Einige von ihnen haben den Holocaust überlebt und müssen in Städten wie Mariupol wieder um ihr Leben fürchten. In diesem Protokoll berichtet die Mathelehrerin Irina Poljuschkina, wie sie bei Minusgraden in der Wohnung ausharrte, ihren Nachbarn in einem Bombenkrater begrub und schließlich nach Israel flüchtete.
Die Hoffnung der Woche
Ich finde es immer wieder berührend, wenn Journalist:innen in der Ukraine es schaffen, positive Geschichten zu erzählen. In diesem Beitrag berichtet WDR-Reporterin Isabel Schayani über eine internationale Gruppe, die in der Ukraine Pizzen bäckt und kostenlos verteilt. Ein Helfer trägt grundsätzlich Kilt, einen Schottenrock. Am Ende tanzt er mit der Ukrainerin Ljudmyla, die gerade auf ihre Pizza wartet.
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Thembi Wolf, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert