Heute erkläre ich dir, warum im Winter wahrscheinlich wieder mehr Ukrainer:innen nach Deutschland kommen werden und was das für uns bedeutet. Außerdem beantworte ich die Frage, warum der syrische Diktator Assad sich so gut mit Putin versteht und gebe dir wie immer eine kleine Portion Hoffnung mit.
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Was ist gerade wichtig?
Kein Strom, kein Wasser, keine Heizung: Die humanitäre Situation in der Ukraine ist schon jetzt schlecht. Und der Winter, mit Temperaturen bis zu 20 Grad unter Null, steht erst noch bevor. Die russische Armee weiß das und bombardiert seit Wochen gezielt Energieinfrastruktur: Millionen Menschen sind deshalb von langen Stromausfällen betroffen oder haben kein fließendes Wasser. Schon jetzt gibt es rund 18 Millionen Bedürftige in der Ukraine. Diese Zahl wird in den Wintermonaten noch steigen. Deshalb werden sich vermutlich wieder mehr Ukrainer:innen auf den Weg in andere Länder machen, um dort Zuflucht zu suchen.
Worauf müssen wir uns einstellen?
Deutschland hat zwischen Februar und Ende Oktober mehr als eine Million Ukrainer:innen aufgenommen. Viele Kommunen warnen bereits, dass sie mit der Versorgung an ihre Grenzen stoßen. Schon 2015 gab es zunächst eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft mit den neu ankommenden Flüchtenden – damals viele aus Syrien –, bis sich die gesellschaftliche Stimmung wandelte. Menschen begannen zu zweifeln, ob Deutschland das stemmen kann. Rassismus und Hass machten sich breit.
Eine ähnliche Entwicklung scheint es gerade wieder zu geben. Vor etwa einem Monat beklagte sich Friedrich Merz, Chef der CDU und Oppositionsführer im Bundestag, über „Sozialtourismus“ durch ukrainische Flüchtende. Für die Formulierung entschuldigte er sich, den Vorwurf, dass Ukrainer:innen das Sozialsystem in Deutschland ausnutzen, erhebt er aber weiter. Gleichzeitig zünden mutmaßliche Rassist:innen Unterkünfte für Geflüchtete an: Im August bewarfen Unbekannte eine Unterkunft in Leipzig mit Brandsätzen, Mitte Oktober brannte eine Unterkunft in Mecklenburg-Vorpommern komplett nieder, eine Woche später brannte eine geplante Unterkunft in Sachsen. Und das sind nicht alle Fälle.
Russland setzt auf Spaltung: Die Angriffe auf die Energieinfrastruktur sollen nicht nur die Ukrainer:innen zermürben – sie sollen auch eine große Fluchtbewegung auslösen, die in den Ländern Zwietracht säen soll, die Flüchtende aufnehmen. Das UN-Flüchtlingskommissariat hat die Ukraine zu einem Notstandsgebiet auf Level 3 erklärt, die höchstmögliche Stufe. Die Ukraine ist im kommenden Winter also dringend auf Hilfe angewiesen.
Die Frage der Woche
KR-Leserin Maike fragt: „Wie und warum hat der syrische Diktator Baschar al-Assad seine Finger im Spiel?“
Wladimir Putin und Baschar al-Assad sind schon seit Jahren Verbündete. 2015 griff Russland in den Krieg in Syrien ein und stellte sich auf die Seite Assads. Putin half Assad damals, die Aufstände der Menschen in Syrien niederzuschlagen und dessen Position als Diktator zu sichern.
Russland nahm dabei keine Rücksicht auf die syrische Zivilbevölkerung. Im Gegenteil: Die russischen Streitkräfte bombardierten absichtlich zivile Ziele, wie Schulen und Krankenhäuser, und versuchten, die Bevölkerung zu zermürben. Verantwortlich dafür war unter anderem Sergej Surowikin, der 2017 und 2019 die russischen Streitkräfte in Syrien befehligte. Er ist bekannt für seine Brutalität und seine Rücksichtslosigkeit. Anfang Oktober ernannte ihn Putin zum Oberbefehlshaber des Feldzuges in der Ukraine – offenbar führt Surowikin seine Strategie in der Ukraine fort. Syrien war so eine Art Übungsplatz für Russland: Die russische Armee konnte dort verschiedene Waffen testen und Soldaten konnten Kampferfahrung sammeln.
Das Ziel Putins war es damals vermutlich, seinen Einfluss in der Region zu sichern. Vor allem die Rolle Russlands gegenüber den USA sollte so gestärkt werden. Das ist auch gelungen: Heute hat Putin mit Assad einen wichtigen Verbündeten im Nahen Osten. Und auch im Krieg gegen die Ukraine hält Syrien zu Russland.
Beispielsweise erkannte Syrien die sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten an – gemeinsam mit Russland und Nordkorea. Wenn man auf die Seite der syrischen staatlichen Nachrichtenagentur SANA schaut, findet man ungefilterte russische Propaganda, zum Beispiel ist dort von der „russischen Spezialoperation in der Ukraine“ die Rede. Im März behauptete Russland, 16.000 Kämpfer aus dem Nahen Osten für den Krieg gegen die Ukraine mobilisiert zu haben. Ob diese Zahl stimmt, ist unklar. Klar ist aber: Syrien unter Assad steht fest an Russlands Seite.
Der Link der Woche
Russland hat mehr als 2.000 ukrainische Kinder nach Russland gebracht, die Ukraine spricht von Entführungen. Die Kinder sollen wohl von russischen Familien adoptiert werden. Kürzlich sorgte die russische Kinderbeauftragte für Aufsehen, eine Beamtin, die sich für Kinderrechte einsetzen soll. Sie behauptete, dass sich die negative Haltung von Kindern aus Mariupol in „Liebe zu Russland“ verwandle. In diesem Protokoll auf Englisch erzählt ein Vater aus Mariupol, wie er von seinen drei Kindern getrennt wurde, 45 Tage in einem Folterkeller überlebte und anschließend nach Moskau reiste, um seine Kinder zurückzuholen.
Die Hoffnung der Woche
In einem Dorf in der Nähe von Charkiw in der Ostukraine hat eine Bäckerei eröffnet. Dort backen jetzt Freiwillige Brot aus dem Mehl, das die russischen Truppen nach ihrem Rückzug zurückgelassen haben. Die Aktion wurde von einer Organisation gestartet, die Bedürftige im Krieg in der Ukraine mit Essen versorgt. Die Brote in der neu eröffneten Bäckerei sind alle mit dem ukrainischen Dreizack verziert.
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Thembi Wolf, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert