Heute geht es um Elon Musk und Andrij Melnyk. Keine Sorge, ich habe nicht das Thema meines Newsletters geändert, um nur noch über Männer mit großer Klappe zu schreiben. Aber wusstest du, dass Elon Musk darüber entscheiden kann, ob die Ukraine Zugang zum Internet hat oder nicht? Darum geht es heute. Außerdem beantworte ich die Frage, welche globalen Auswirkungen der russische Angriffskrieg hat und gebe dir eine kleine Portion Hoffnung mit.
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Was ist gerade wichtig?
Ja, nein, doch: So könnte man Elon Musks Entscheidung zu Starlink beschreiben. Starlink ist ein Satellitensystem, das Gebiete mit Internet und Mobilfunknetz versorgen kann, die sehr abgelegen sind oder deren Infrastruktur zerstört wurde. Starlink wird von der Firma SpaceX betrieben, deren Gründer wiederum Musk ist. Seit Monaten versorgt Starlink die Ukraine mit Internet und Mobilfunknetz – bis Musk vor rund zwei Wochen einen Rückzieher machte und ankündigte, dass SpaceX das Satellitensystem nicht weiter bezahlen könne. Am Wochenende hat er diese Aussage aber revidiert. Er will Starlink nun doch bezahlen.
Warum ist Starlink so wichtig für die Ukraine?
Starlink versorgt nicht nur private Haushalte mit Internet, es ist vor allem wichtig für das ukrainische Militär. Russland hat von Anfang an auch das ukrainische Kommunikationssystem attackiert. Mithilfe von Starlink können ukrainische Militärs miteinander kommunizieren. Außerdem benutzen sie das Satellitensystem, um Drohnen zu steuern. Die Ukraine ist vollständig abhängig von Starlink.
Vor zwei Wochen postete Musk auf Twitter einen „Friedensplan“ für die Ukraine und schlug darin unter anderem vor, dass die Menschen im Donbas darüber abstimmen sollten, ob sie zu Russland gehören wollten. Der Plan ist kurz gesagt totaler Quatsch und zeigt, dass Musk keine Ahnung von der Ukraine und von Russland hat. Viele Menschen auf Twitter reagierten empört, unter anderem der scheidende ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk. Er kommentierte: „Fuck off is my very diplomatic reply to you @elonmusk.“ Kurz darauf kündigte Musk an, dass SpaceX nicht mehr für Starlink in der Ukraine bezahlen wolle und begründete das in einem Tweet mit der Antwort von Andrij Melnyk. „We’re just following his recommendation“, schrieb Musk.
In Wahrheit fiel diese Entscheidung schon viel früher. CNN liegen Dokumente vor, die zeigen, dass SpaceX schon vor dem Schlagabtausch auf Twitter einen Brief an das US-Verteidigungsministerium geschrieben und darin finanzielle Unterstützung für Starlink gefordert hatte. Und nun hat Musk, natürlich ebenfalls auf Twitter, ohnehin angekündigt, weiterhin für Starlink bezahlen zu wollen.
Dieses Hin und Her und die falschen Anschuldigungen gegen Botschafter Melnyk werfen ein Schlaglicht auf ein riesiges Problem: Die Zukunft der Ukraine liegt ein Stück weit in der Hand eines sehr reichen, größenwahnsinnigen Nerds, der schneller twittert, als er denkt.
Die Recherchen von CNN zeigen übrigens auch, dass Musk nicht nur aus reiner Nettigkeit der Ukraine Starlink zur Verfügung gestellt hat. Laut CNN haben Länder wie die USA und Polen 85 Prozent der Kosten für die ersten 20.000 Satelliten-Terminals zumindest teilweise übernommen. Und sie kamen wohl auch für 30 Prozent der Verbindungskosten auf. In dem Brief an das Verteidigungsministerium setzte SpaceX die Kosten wohl auch weit höher an, als sie eigentlich sind.
Die Frage der Woche
KR-Mitglied Kim fragt: „Welche globalen Auswirkungen hat der Angriffskrieg?“
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat Folgen für Länder auf der ganzen Welt. Eine Folge ist, dass mehr Menschen hungern müssen. Nach Angaben der Welthungerhilfe erhöhte sich die Zahl der weltweit hungernden Menschen von 811 auf 828 Millionen. Das sind rund 17 Millionen Menschen mehr. Zum Vergleich: So viele Menschen wohnen in ganz Nordrhein-Westfalen. Dafür sind zwar auch der Klimawandel und die Corona-Pandemie verantwortlich. Doch der Krieg gegen die Ukraine hat die Lage massiv verschärft, denn die Ukraine, Russland und auch Belarus gehören zu den wichtigsten Exportländern von Getreide, Pflanzenöl und Dünger.
Die zweite Folge ist, dass bereits schwelende Konflikte nun eskalieren, vor allem im Einflussbereich Russlands. Beispielsweise kam es vor einigen Wochen an der Grenze zwischen Kirgistan und Tadschikistan zu Kämpfen. Der Konflikt ist zwar nicht neu, doch nun waren die Kämpfe intensiver als zuvor, rund 100 Menschen starben. Auch der Konflikt um die Region Bergkarabach flammte erneut auf, weil Russland als Schutzmacht und Vermittler nicht mehr so präsent ist. Das nutzte Aserbaidschan, um Armenien anzugreifen, insgesamt starben mehr als 200 Menschen.
Der Angriffskrieg könnte auch den Konflikt zwischen China und Taiwan beeinflussen. Worum es bei diesem Konflikt genau geht, hat meine Kollegin Katharin Tai in diesem Artikel erklärt. China betrachtet Taiwan als chinesisches Staatsgebiet, während Taiwan unabhängig sein will. China beobachtet deshalb genau, wie der Westen auf Russlands Krieg gegen die Ukraine reagiert. Denn China muss damit rechnen, dass der Westen mit den gleichen Sanktionen reagieren würde, wenn China versuchen sollte, Taiwan militärisch zu unterwerfen.
Drittens ändert sich die Energieweltkarte, es ändern sich also Abhängigkeiten und Machtstrukturen. Die EU-Staaten wollen kein russisches Gas und Öl mehr kaufen, müssen diese Rohstoffe also von anderen Ländern beziehen. Beispielsweise will die EU deutlich mehr Gas aus Aserbaidschan kaufen. Gleichzeitig verkauft Russland mehr Rohstoffe wie Öl und Gas an China und Indien.
Viertens kann man insgesamt sagen, dass der Angriffskrieg die globale politische Ordnung verändert. Dabei geht es um Bündnisse und Machtkonflikte zwischen großen Staaten. Schweden und Finnland werden der Nato beitreten, Moldau und die Ukraine haben EU-Beitrittsgesuche unterschrieben. Russland ist zunehmend isoliert von der Weltgemeinschaft, sucht dafür aber verstärkt die Nähe zu afrikanischen Staaten wie etwa Eritrea oder Mali. Vor allem osteuropäische Staaten, wie etwa Polen und Moldau, solidarisieren sich mit der Ukraine. Und einige Länder, die früher Teil der Sowjetunion waren, gehen nun noch kritischer mit ihrem sowjetischen Erbe um und lehnen beispielsweise die russische Sprache stärker ab.
Der Link der Woche
Der Euromaidan, die Debatte um Stepan Bandera und die Kyjiwer Rus: Die Geschichte der Ukraine beeinflusst die Gesellschaft von heute – viele Ereignisse und Personen sind umstritten. Dieser sechsteilige Podcast führt durch die wichtigsten Ereignisse ukrainischer Geschichte, erzählt mit persönlichen Lebensgeschichten von Ukrainer:innen.
Die Hoffnung der Woche
Die 10-jährige Agnessa und ihre Familie mussten vor dem Krieg aus Odessa fliehen, zuerst nach Rumänien, dann in die USA. Allerdings musste die Familie die Katze Arsenii zurücklassen. Im Flugzeug in die USA lernte die Familie eine Flugbegleiterin kennen und blieb mit ihr in Kontakt. Die Mutter erzählte der Flugbegleiterin, wie sehr Agnessa ihre Katze vermisse. Daraufhin kontaktierte die Flugbegleiterin verschiedene Tierschützer:innen und Angehörige und organisierte die 7.000 Meilen lange Reise der Katze Arsenii. Mehrere Menschen halfen mit, brachten Arsenii über Grenzen und kümmerten sich um die nötigen Dokumente – bis Agnessa ihre Katze wieder in den Armen halten konnte.
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Iris Hochberger