Heute geht es um den Getreide-Deal, von dem ihr sicher schon gehört habt. Wird das Getreide jetzt verschifft – oder nicht? Außerdem beantworte ich in meinem Newsletter heute die Frage, ob die Ukraine diesen Krieg noch militärisch gewinnen kann und gebe dir wie jedes Mal eine kleine Portion Hoffnung mit.
Was ist gerade wichtig?
Es war für viele ein Zeichen der Hoffnung: Am Freitag einigten sich Russland und die Ukraine auf einen Getreide-Deal. Die Vereinten Nationen und die türkische Regierung hatten die Verhandlungen geleitet. Russland wollte die Blockade mehrerer Schwarzmeer-Häfen aufheben, damit die Ukraine endlich ihre Getreidereserven exportieren kann.
Seit Monaten lagern Millionen Tonnen Getreide in ukrainischen Silos, während in Ländern Afrikas und im Nahen Osten eine Hungersnot droht. Doch die Freude über den Getreide-Deal währte nicht lange: Schon einen Tag später griff Russland den Hafen von Odessa an. Nach Angaben des ukrainischen Militärs sind zwei russische Raketen im Hafen der Stadt eingeschlagen.
Waren die Getreide-Verhandlungen umsonst?
Die Verhandlungspartner:innen sind, gelinde gesagt, vor den Kopf gestoßen. Der Sprecher des Außenministeriums in Kyjiw, Oleg Nikolenko, sagte, Wladimir Putin spucke mit seinen Raketen dem UN-Generalsekretär Guterres und dem türkischen Präsidenten Erdoğan ins Gesicht. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb auf Twitter, dass die EU den Angriff aufs Schärfste verurteile. Es zeige einmal mehr, „dass Russland das Völkerrecht und seine Verpflichtungen völlig missachtet.“
Russland hat den Angriff erst geleugnet, dann doch zugegeben, aber behauptet, der Angriff habe US-Waffen gegolten. Die Ukraine dagegen sagt, dass auch zivile Mitarbeiter:innen und ein Pumpwerk betroffen seien. Egal was stimmt, das Signal, das Russland an die Ukraine und den Rest der Welt sendet, ist deutlich: Russland macht, was Russland machen will. Das Land kann immer angreifen, auch wenn Abkommen das eigentlich unterbinden sollten. Und nirgendwo in der Ukraine ist es sicher.
Das Getreide-Abkommen soll aber weiterhin gelten. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat versichert, dass die Einigung über die Ausfuhr von Getreide weiterhin gültig ist. Und die ukrainischen Häfen haben begonnen, sich auf den Export vorzubereiten. Eine Karawane von Frachtschiffen soll große Mengen Getreide abtransportieren. Doch selbst wenn alles gutgeht: Es wird noch Monate dauern, bis das gesamte Getreide, das gerade in den Silos lagert, die Länder erreicht, die es so dringend brauchen.
Die Frage der Woche
KR-Mitglied Hans-Martin fragt: „Ist es realistisch, dass die Ukraine Russland besiegen kann?“
Militärische Vorhersagen abzugeben ist extrem schwierig. Viele Expert:innen lagen mit ihren Einschätzungen zum russischen Angriffskrieg bereits daneben. Und gerade diejenigen, die der Ukraine ein schnelles Ende prognostizierten, lagen falsch, wie wir heute, fünf Monate nach Beginn des Angriffskrieges wissen.
Ob die Ukraine Russland militärisch besiegen kann, hängt davon ab, was man unter „siegen“ versteht. Dazu habe ich schon einmal einen Newsletter geschrieben, in dem es darum geht, ob die Ukraine im Falle eines Teilsieges aufgeteilt werden könnte. Eine vollständige Rückeroberung aller von Russland besetzten Gebiete gilt derzeit jedenfalls als unrealistisch. Aber einige Militärexpert:innen halten es für möglich, dass die Ukraine die russischen Truppen auf die Position vor dem 24. Februar 2022 zurückdrängen kann.
Wie gut sich die Ukraine verteidigen kann, hängt maßgeblich von den Waffen ab, die der Westen ihr liefert. Denn nicht nur die Ukraine hat mit Waffen- und Munitionsmangel zu kämpfen, sondern auch Russland. Nach Informationen des britischen Militärgeheimdienstes gehen Russland nämlich moderne Bodenraketen aus.
Der Link der Woche
Mein Kollege Christian Gesellmann war vor einigen Wochen in der Ukraine, genauer gesagt in der westukrainischen Stadt Volodymyr. Er begleitete einen Hilfstransport und hat in der Serie „Grüße aus Volodymyr“ darüber geschrieben, wie Freiwillige Tarnnetze knüpfen, dass Rentner:innen jetzt Autos importieren und warum ein Deutscher aus Zwickau bereits 52-mal nach Volodymyr gefahren ist.
Die Hoffnung der Woche
Der Fußballverein Dynamo Kyjiw spielte vergangene Woche zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges ein offizielles Spiel. Die Partie gegen Fenerbahçe Istanbul fand im polnischen Łódź statt und endete mit einem 0:0. Für den Trainer Mircea Lucescu war das Spiel trotzdem ein Zeichen der Hoffnung. Er sagte: „Fußball gibt Hoffnung, Begeisterung und Motivation für das Leben.“
https://twitter.com/DynamoKyiv/status/1549853402372444163?s=20&t=Z13H1AnmBEA0oUEtOHuA4w
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger