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Hier ist Isolde und heute geht es um Kasachstan. Das ist nicht nur ein Nachbar von Russland und Öl-Exporteur, sondern auch Heimat der Dombra, einer Art kasachischer Gitarre. Außerdem erkläre ich dir, ob die Ukrainer:innen die von Russland besetzten Gebieten innerlich schon abgeschrieben haben.
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Was ist gerade wichtig?
Kasachstan verfügt zwar über große Ölressourcen, aber nicht über einen eigenen Zugang zum offenen Meer. Deshalb verschifft es sein Öl über einen Hafen in Südrussland. Das war jahrelang kein Problem. Doch nun hat ein russisches Gericht beschlossen, dass das Ölterminal den Betrieb für 30 Tage einstellen muss – angeblich wegen Umweltproblemen. Das ist ein schwerer Schlag für Kasachstan, das 80 Prozent seiner Ölexporte über diesen Hafen verschifft.
Kriselt es zwischen Kasachstan und Russland?
Kasachstan ist flächenmäßig der neuntgrößte Staat der Welt. Das Land hat sehr lange gemeinsame Grenzen mit China und Russland und seine Wirtschaft ist auf die Exporte von Öl und Gas angewiesen. Früher war Kasachstan Teil der Sowjetunion, heute ist es unabhängig. Staatspräsident Kassym-Schomart Tokajew regiert das Land autoritär. Er legt Wert auf gute Beziehungen zu Russland – kämpft aber auch um mehr Eigenständigkeit für sein Land. Und das gefällt Russland gar nicht.
Im Januar kam es in Kasachstan zu landesweiten, gewaltsamen Protesten gegen die Regierung. Staatspräsident Tokajew verhängte den Ausnahmezustand, schaltete Internet und Mobilfunk ab und verkündete, dass er dem Militär einen Schießbefehl gegen Demonstrierende erteilt habe. Russland schickte mehrere tausend Soldaten, um die Proteste niederzuschlagen. 225 Menschen starben, 4.300 wurden verletzt.
Im Januar konnte Tokajew also noch auf Wladimir Putin zählen, um seine Macht zu erhalten. Doch seitdem kriselt es zwischen den beiden autoritären Staatschefs. Besonders deutlich wurde das vor einigen Wochen während des Wirtschaftsforums in St. Petersburg. Tokajew und Putin saßen nebeneinander auf einer Bühne. Dann sagte Tokajew, dass er die „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk nicht als unabhängige Staaten anerkennen werde. Sinngemäß sagte er, dass dann ja jeder ankommen und einen eigenen Staat gründen könne – und dann gäbe es Chaos. Auf die Frage, was er von der „Spezialoperation“ in der Ukraine halte, antwortete er ausweichend: „Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen.“ Das war ein kleiner Skandal.
Warum er das gemacht hat? Hintergrund könnte sein, dass Tokajew um sein eigenes Land fürchtet. Putin nimmt seit Jahren verstärkt Einfluss auf Länder, in denen russischsprachige Menschen leben. Teilweise führt er dort auch Kriege, angeblich um ethnische Russ:innen zu schützen, wie 2008 in Georgien oder seit 2014 in der Ukraine. Im Norden Kasachstans ist die Mehrheit der Bevölkerung ethnisch russisch. Tokajews Auftritt auf dem Wirtschaftsforum war also eine deutliche Ansage an Putin: Halt dich aus Kasachstan raus.
Vor einigen Tagen setzte Tokajew noch einen drauf und kündigte an, der EU mehr Öl zu liefern. Die EU wird ab Ende 2022 kein russisches Öl mehr kaufen. Kasachstan käme alternativ aber durchaus in Frage. Das ging Putin wohl zu weit: Einen Tag nach Tokajews Ankündigung blockierte das russische Gericht das Ölterminal. In den nächsten Wochen wird also erstmal kein kasachisches Öl Richtung EU fließen.
Die Frage der Woche
KR-Leserin Ursula fragt: „Werden die von Russland eroberten Regionen innerlich von den Ukrainern abgeschrieben?“
Die Antwort ist ganz klar: Nein. 82 Prozent der Ukrainer:innen wollen keine Gebiete im Tausch für Frieden abgeben, ergab im Mai eine Umfrage des Kyjiwer Internationalen Instituts für Soziologie. Selbst in den von Russland besetzten Gebieten waren 77 Prozent der Befragten gegen territoriale Zugeständnisse. Und 89 Prozent der Ukrainer:innen halten es für das einzig akzeptable Szenario, dass Russland alle besetzten Gebiete an die Ukraine zurückgibt – auch den Donbass und die Krim. Das ergab eine Umfrage von Anfang Juli.
Die Haltung der Ukrainer:innen ist also klar. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Deutschen das ganz anders sehen: 41 Prozent sind der Meinung, dass die Ukraine auf Gebiete in der Ostukraine verzichten sollte, wenn es zu Friedensverhandlungen kommen sollte, wie eine Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und ntv ergab.
Hast du eine Frage zum Krieg in der Ukraine? Dann nimm jetzt an meiner Umfrage teil.
Der Link der Woche
Wir importieren weniger russisches Gas und bald könnte Putin uns den Gashahn sogar ganz zudrehen. Wer könnte uns also Gas liefern? Argentinien, wo das zweitgrößte Schiefergasfeld der Welt liegt? Und wann kommt Gas aus Ägypten und Katar bei uns an? Darum geht es in dieser Podcast-Folge des ARD Weltspiegel.
Die Hoffnung der Woche
5,6 Millionen Ukrainer:innen sind vor dem Krieg in andere Länder geflohen, knapp 34.000 davon befinden sich in Lettland. Anfang März gründeten mehrere Lett:innen das Projekt Common Ground, ein Kulturzentrum für ukrainische Geflüchtete. Die Ukrainer:innen können dort lesen, Filme schauen, Armbänder basteln, Yogakurse besuchen oder sich einfach in einem stillen Zimmer ausruhen. Common Ground soll über die Hilfe des lettischen Staates hinausgehen. Das Ziel sei, sagt eine Freiwillige in einem Interview, „die Lust am Leben wiederzufinden.“
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger