Hier ist Isolde, mit meinem wöchentlichen Newsletter zu Russlands Krieg in der Ukraine. Hier erkläre ich dir Hintergründe und gebe dir jedes Mal eine Portion Hoffnung mit. Heute geht es um Russland, das nicht so isoliert von der Weltgemeinschaft ist, wie viele behaupten. Und ich beantworte die Frage, ob die Ukraine Gebiete an Russland abgeben muss.
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Was ist gerade wichtig?
Die ganze Welt ist gegen Putin – dieser Eindruck entsteht zumindest, wenn man von der „Geschlossenheit des Westens“ liest, oder hört, dass weltweit Staatschef:innen die russische Invasion verurteilen. Und tatsächlich stehen nur vier Länder ausdrücklich auf der Seite Russlands: Belarus, Syrien, Eritrea und Nordkorea.
Doch das bedeutet nicht, dass Russland die ganze Welt gegen sich hat. Viele Länder verurteilen zwar die Invasion, wollen sich aber nicht an den Wirtschaftssanktionen gegen Russland beteiligen. Kein einziger afrikanischer oder lateinamerikanischer Staat sanktioniert Russland. Auch Pakistan oder die Türkei verzichten auf Sanktionen, Indien kauft zwanzigmal so viel russisches Öl und Gas wie vor der Invasion und China versteht sich schon lange gut mit Russland (warum das für uns problematisch werden könnte, erklärt mein Kollege Alexander Görlach in diesem Artikel.
Wer will denn jetzt noch was mit Russland zu tun haben?
Die Gründe sind von Land zu Land sehr unterschiedlich, für einige spielen ökonomische Interessen eine Rolle. Reichere Industriestaaten können Sanktionen wirtschaftlich abfedern, ärmere Länder hingegen können nicht einfach auf teurere Energiequellen umsteigen oder teurere Lebensmittel importieren. Brasilien beispielsweise will neutral bleiben, weil es als wichtige Agrarnation auf Düngemittel aus Russland angewiesen ist. Und in vielen afrikanischen Ländern droht wegen des Krieges ohnehin schon eine Hungersnot. Die Länder stellen sich also nicht auf die Seite Russlands, weil sie das russische Vorgehen gutheißen – sie stecken schlicht und ergreifend in einem Dilemma.
Viele Länder des globalen Südens kritisieren außerdem die Doppelmoral des Westens. Sie erinnern sich noch an den Irakkrieg 2003 und an die westlichen Interventionen in Libyen. Außerdem sind sie mit humanitären Katastrophen konfrontiert, beispielsweise im Jemen. Bei der letzten UN-Geberkonferenz wurde dem Jemen weniger als ein Drittel des benötigten Geldes zugesagt. Gleichzeitig fließen Rekordsummen in die Ukraine.
Der Politikwissenschaftler Siba Grovogui sagte der Zeit in einem Interview, afrikanische Staaten fühlten sich zu wenig in internationale Entscheidungen eingebunden. „Letztendlich befürchtet man, dass Europa und die USA auf verschiedenen Ebenen damit beginnen, internationale Konfliktlösungsmechanismen zu ersetzen und dass man dadurch keinen Einfluss mehr auf die internationale Politik hat.“
Die Frage der Woche: Wird die Ukraine aufgeteilt?
KR-Mitglied Karin fragt: „Welche Chance hat die Ukraine, die beiden ‚Volksrepubliken‘ und die Krim wieder zu kontrollieren? Oder wird die Ukraine aufgeteilt?“
Eine der grundsätzlichen Fragen ist, was die Kriegsziele der Ukraine sind. Anders gesagt: Was bedeutet „gewinnen“ für die Ukraine? Soll die russische Armee dorthin zurückgedrängt werden, wo sie am Tag vor der Invasion stand? Sprich: in die östlichen Gebiete der Ukraine und auf die Krim. Oder könnte die Ukraine sogar die Krim zurückerobern und die Kontrolle über die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk zurückerlangen? Je länger der Krieg dauert, desto realistischer scheint es zu werden, dass die Ukraine das tatsächlich schaffen könnte.
Henry Kissinger, ehemaliger US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger, sagte beim Wirtschaftsforum in Davos, dass die Ukraine Gebiete an Russland abgeben solle, um den Krieg zu stoppen. Der ukrainische Präsident Selenskyj lehnt das entschieden ab. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass mehr als 80 Prozent der Ukrainer:innen nicht bereit sind, Gebiete im Tausch für Frieden abzugeben. Den militärischen Ausgang des Krieges vorherzusagen, ist unmöglich. Tatsache ist aber, dass die Ukraine selbst derzeit nicht bereit ist, Gebiete abzugeben.
Hast du eine Frage zum Krieg in der Ukraine? Dann nimm jetzt an meiner Umfrage teil.
Der Link der Woche
Wäre es nicht besser für die Ukrainer:innen, sich zu ergeben, um Tote und Verletzte zu vermeiden? Diese Frage stellen sich viele Menschen in Deutschland, auch mir schreiben das einige Leser:innen. Doch unter russischer Besatzung zu leben, bedeutet nicht Gewaltfreiheit und Frieden. Diese Reportage im New Yorker erzählt, was die Bevölkerung von Melitopol erlebt, eine von Russland besetzte Stadt im Südosten der Ukraine. Die Bewohner:innen berichten von Entführungen, Folter und ukrainischen Geschichtsbüchern, die aus den Regalen der Schulen verschwinden.
Die Hoffnung der Woche
Eine Künstlerin aus Toronto malt in Butscha Blumen rund um Kugeleinschüsse an Wände. Der Stadtrat aus Butscha schrieb dazu auf seiner Webseite: „Danke für die positiven, lebensbejahenden Emotionen.“
https://twitter.com/avalaina/status/1525774968960782336?ref_src=twsrc%5Etfw
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert