Hier ist Isolde, mit meinem wöchentlichen Newsletter. Hier erkläre ich dir, was du zum Krieg in der Ukraine wirklich wissen musst. Und ich gebe dir jedes Mal eine gute Nachricht mit. Heute geht es um den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und seine Verbindungen zu Wladimir Putin. Spoiler: Das ist natürlich nicht die gute Nachricht.
Wenn du den Newsletter magst, kannst du ihn hier abonnieren.
Was ist gerade wichtig?
Die Europäische Union hat bereits fünf Sanktionspakete gegen Russland beschlossen. Anfang Mai sollte ein sechstes dazukommen: ein Embargo für russisches Öl. Doch Ungarn stellt sich quer. Die ungarische Regierung behauptet, dass der Schaden an der eigenen Bevölkerung zu groß wäre und fordert eine Entschädigung in Höhe von bis zu 18 Milliarden Euro.
Katarina Barley (SPD), Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, will das Embargo deshalb ohne Ungarn durchsetzen. Sie sagte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán die EU „am Nasenring durch die Manege führen“ wolle, nicht finde, „dass die EU sich das bieten lassen sollte.“
Ach Ungarn… Wieso ist es immer so schwer mit dir?
Ungarn bezieht 65 Prozent seines Öls aus russischen Importen. Ein Embargo sei für das Land deshalb zu teuer, sagte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó – und fordert, entweder von dem Embargo ausgenommen zu werden oder Entschädigungszahlungen von der EU zu erhalten.
Ob Ungarn das Geld wirklich braucht, um von russischem Öl loszukommen, ist fraglich. Die Slowakei und Tschechien beziehen ebenfalls einen großen Teil ihres Öls aus Russland. Sie konnten sich mit der EU bereits auf einen Kompromiss einigen und wollen bis 2024 den Importstopp umsetzen. Nur Ungarn besteht auf den Ausgleichszahlungen. Entweder Orbán kumpelt hier gehörig mit Putin – oder er will einfach die EU ärgern.
Katarina Barley wirft Orbán vor, sich das Geld in die eigenen Taschen stecken zu wollen. „Das ist ein offen korruptes System“, sagte sie im Interview mit dem Deutschlandfunk. „Das weiß jeder in Ungarn und in der EU.“ Wegen Korruption hat die EU im April ein Verfahren gegen Ungarn eingeleitet – zum ersten Mal in der Geschichte der EU. Die EU hält seit Monaten Corona-Hilfen in Milliardenhöhe an Ungarn zurück.
Die EU und Ungarn sind also schon lange im Clinch. Dazu kommt, dass Orbán ein gutes Verhältnis zu Wladimir Putin hat. Orbán hat den russischen Angriffskrieg nur halbherzig verurteilt und erlaubt keine Waffenlieferungen in die Ukraine über ungarisches Territorium. Auch wenn Ungarn das Öl-Embargo ablehnt – die Energieweltkarte hat sich schon jetzt dramatisch verändert, wie mein Kollege Rico Grimm in diesem Artikel erklärt. Er sagt: Russisches Öl wird für die EU in Zukunft keine Rolle mehr spielen.
Die Frage der Woche
KR-Mitglied Mario fragt: „Warum interessiert uns dieser Krieg so besonders? Warum thematisieren die Medien andere Kriege weniger stark, zum Beispiel die im Jemen oder in Syrien?“
Eine Antwort auf diese Frage ist: Weil die Situation so klar ist und wir wissen, auf welcher Seite wir stehen wollen. Russland hat die Ukraine, einen souveränen Staat, angegriffen. Es gibt keine weiteren Kriegsparteien und die Ukraine verteidigt sich. Bei vielen anderen Kriegen ist das Geschehen unübersichtlich, und es gibt mehrere Kriegsparteien. In der Ukraine ist die Lage einfach zu verstehen und deshalb fällt es vielen leicht, sich mit den Ukrainer:innen zu solidarisieren.
Außerdem liegt der Beginn des Ukraine-Krieges noch nicht lange zurück, nämlich drei Monate. Viele Kriege ziehen sich über Jahre hin: In Syrien begann er 2011, also vor rund elf Jahren. Die öffentliche Aufmerksamkeit für bestimmte Ereignisse nimmt mit der Zeit ab. Das macht das Leid der Bevölkerung natürlich nicht weniger schrecklich, doch es ist normal, dass wir uns stärker für das interessieren, was noch nicht so lange zurückliegt.
Hinzu kommt die Nähe. Geographisch ist uns der Krieg in der Ukraine näher als etwa der Krieg in Syrien oder im Jemen. Und auch wenn die Nato keine Kriegspartei ist, so liefern dennoch Nato-Mitgliedsstaaten Waffen an die Ukraine. Wir sind also stärker beteiligt als an anderen Kriegen. Dazu kommt, dass viele Deutsche Angst haben, dass sich der Krieg nach Westeuropa ausbreitet und fürchten, dass Russland Atomwaffen einsetzt. Das große Interesse am Krieg in der Ukraine hängt also mit der eigenen Angst und der eigenen Betroffenheit zusammen.
Durch das Internet können wir diesen Krieg so gut verfolgen wie keinen zuvor. Wie sich die Ukrainer:innen fühlen, was sie sehen und hören, all das können wir über Instagram, Twitter und Tiktok beinahe zeitgleich mitverfolgen. Das holt uns den Krieg nach Deutschland ins eigene Wohnzimmer. Ein Teil der Erklärung ist auch unser eigener Rassismus. Die deutsche Mehrheitsgesellschaft hat mehr Mitgefühl für weiße, christlich-orthodoxe Ukrainer:innen als für muslimische Jemeniter:innen oder Syrer:innen.
Hast du eine Frage zum Krieg in der Ukraine? Dann nimm jetzt an meiner Umfrage teil.
Der Link der Woche
Die Schweizer NGO Public Eye hat 32 Oligarchen mit Verbindungen in der Schweiz unter die Lupe genommen und dafür in Archiven, Handelsregistern und Datenbanken recherchiert. Herausgekommen ist eine „Galerie der Oligarchen“. Ein Highlight ist das „Quartett der Oligarchen“, ein kostenlos bestellbares Kartenspiel, in dem man spielerisch lernt, wer die längste Jacht und die meisten Villen in der Schweiz hat.
Die Hoffnung der Woche
Vergangenen Donnerstag war in der Ukraine Wyschywanka-Tag. Wyschywanka ist ein traditionelles Stickmuster, das vor allem in der Ukraine, aber auch in Belarus oder Russland verbreitet ist. Viele Menschen haben diesen Tag genutzt, um sich mit der Ukraine solidarisch zu zeigen.
It’s Vyshyvanka Day in #Ukraine and the streets in Kyiv are so colourful with many people proudly wearing Ukrainian embroidered shirts. pic.twitter.com/QNMuO43P4D
— Anna Chornous (@4nnchor) May 19, 2022
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert