Illustration: Emmanuel Macron blickt ernst in die Kamera. Im Hintergrund ist ein Muster: Violette Makronen auf hellgelbem Grund.

Macron: © Antoine Gyori - Corbis, Makronen: © Nataliia Pyzhova

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Emmanuel Macron, verständlich erklärt

Viele Franzosen finden ihn arrogant, massiv in der Kritik steht er auch gerade, nicht nur im eigenen Land. Das sind die wichtigsten Facts, die du über den französischen Präsidenten wissen solltest.

Profilbild von Pia Saunders

Aktualisiert am 14. April 2023

Der Typ auf dem Foto, in dem Hoodie, das soll der franzöische Präsident sein? Wer ist dieser Mann?

Macron kneift ein Auge zu und blickt an der Kamera vorbei, unter dem Arm trägt er einen Stapel Akten. Er trägt einen Kapuzenpullover.

Nachdem Russland die Ukraine angegriffen hatte, ging Macron – in Anlehnung an den ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj – im Pulli ins Büro. © Soazig de la Moissonnière

Bei seiner Wahl 2017 war er der jüngste Präsident, den Frankreich je hatte, das jüngste demokratisch gewählte Staatsoberhaupt der Welt und das jüngste Mitglied der G20-Gruppe.

Krass, wie hat er das geschafft?

Tatsächlich hat Emmanuel Macron ziemlich schnell eine ziemlich steile Karriere hingelegt. Von seinem Abitur am berüchtigten Lycée Henri IV bis zu seinem Abschluss an der École Nationale d’Administration (ENA) hat Macron die Bilderbuch-Laufbahn der französischen Elite durchlaufen.

Nach seinem ENA-Abschluss 2004 wurde Macron Beamter im höchsten öffentlichen Dienst, als Inspektor im Finanzministerium. Er hat den Staatsdienst allerdings schon nach einigen Jahren auf Eis gelegt und eine Stelle als Investmentbanker bei Rothschild & Co angetreten. Dabei wäre Macron als ENA-Absolvent eigentlich zu zehn Jahren Arbeit im Staatsdienst verpflichtet gewesen. Er absolvierte jedoch nur insgesamt sechs Jahre und musste deshalb 54.000 Euro Strafe zahlen.

Warum hat Macron seinen Staatsdienst so frühzeitig beendet? Wollte er einfach mehr Geld verdienen?

Ganz so einfach ist es nicht. Das hatte mehrere Gründe. Sein Versuch, sich 2007 als Kandidat bei den Wahlen zur Nationalversammlung für den Parti Socialiste aufstellen zu lassen, dem er damals angehörte, hatte nicht geklappt, weil ihm die Unterstützung aus der Partei fehlte. Diese Tatsache und die Wahl Nicolas Sarkozys zum Präsidenten im gleichen Jahr haben Macron bewogen, seine Karriere vorerst neu auszurichten.

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Aber natürlich spielte auch das Geld eine Rolle: Macron verfolgte wohl damals schon das Ziel, irgendwann Präsident zu werden. Sein Mentor, der Politikwissenschaftler Alain Minc, hatte ihm wohl bereits bei seinem ENA-Abschluss geraten, es sei leichter, Präsident zu werden, wenn man reich sei. Diesen Ratschlag hat sich Macron wohl zu Herzen genommen.

Oh, wow. Und hat das mit dem Reichwerden geklappt?

Ziemlich gut sogar: Die Arbeit an einem Deal zwischen dem Pharmaunternehmen Pfizer und dem Lebensmittel-Giganten Nestlé machte Macron in seiner Zeit bei Rothschild zum Millionär. Macron hat immer wieder durch seine Ambitionen und sein Alter auf sich aufmerksam gemacht: Mit nur 33 Jahren wurde er der jüngste Partner in der Geschichte der Bank.

Moment mal, wann ging es dann wirklich mit der Politik los? Er ist schließlich erst 45.

Seine politische Karriere hat Emmanuel Macron nebenbei aufgebaut: 2006 war er bereits in den Parti Socialiste eingetreten, später unterstützte er dessen Kandidaten François Hollande bei der Präsidentschaftswahl.

Als Hollande 2012 tatsächlich zum Präsidenten gewählt wurde, machte er Macron zum stellvertretenden Generalsekretär des Präsidialamts und zu seinem Berater für Wirtschafts- und Finanzpolitik. Macron vertrat in dieser Rolle stark unternehmerfreundliche und liberale Positionen und eckte mit einigen teils wenig linken Ideen beim Rest der Partei an. Beispielsweise versuchte er, aus der französischen 35-Stunden-Woche eine 37-Stunden-Woche zu machen, was von Hollande jedoch abgelehnt wurde. Seiner Karriere taten solche Vorschläge aber keinen Abbruch: Im August 2014 wurde Macron unter François Hollande zum Finanzminister. So wurde er schnell ein berühmtes Gesicht. Allerdings knirschte es zunehmend zwischen ihm und dem Rest der Regierung: Macron betonte immer wieder, er sei „kein Sozialist“, was natürlich bei der Partei nicht so gut ankam. Als er dann im April 2016 seine eigene Partei gründete, war der Drops endgültig gelutscht.

Wie heißt die nochmal? Die hat so einen langen Namen …

La République en Marche. Auf Deutsch heißt das: Die Republik in Bewegung. Bei ihrer Gründung hieß die Bewegung allerdings erstmal nur „En Marche“. Fällt dir was auf? Die Initialen E.M. sind auch Macrons Initialen. Macron bezeichnete die Partei damals als rechts und links, als „transparteilich“.

Aber war Macron da nicht eigentlich noch Finanzminister?

Doch, und er blieb es auch: Erst im August 2016 ist er zurückgetreten, um sich ganz auf seine eigene Bewegung zu konzentrieren. Das kam – mal wieder – nicht gut an: Macron und der Rest der Regierung machten sich gegenseitig starke Vorwürfe. François Hollande beschuldigte Macron, ihn für seine eigenen Ambitionen „methodisch verraten“ zu haben. Macron kritisierte, die Regierung habe zu viele „halbe Sachen“ gemacht. 2017 war er dann schon wieder da: Am 14. Mai 2017 wurde Macron als 8. Präsident der V. Republik ins Amt eingeführt.

Was wollte Macron denn damals in Frankreich verändern? Was sind die Inhalte seiner Politik?

Marcon hatte Großes vor: Sein Wahlprogramm von 2017 begann mit dem Versprechen eines Vertrags zwischen ihm und der Nation. Er definierte darin sechs große „Baustellen“, auf die er sich konzentrieren wollte, sollte er zum Präsidenten gewählt werden: Bildung und Kultur, die Arbeitsgesellschaft, die Modernisierung der Wirtschaft, die Sicherheit der Nation, die Erneuerung der Demokratie und Frankreichs internationaler Ausrichtung, wobei er sich hier besonders auf die Europäische Union fokussierte. Falls du mit diesen Versprechungen erstmal nicht viel anfangen kannst, liegt das nicht unbedingt an dir: Viele kritisierten Macrons Programm als inhaltslos. Dafür wurde er häufig als der „Kandidat der Medien“ beschrieben, bei denen er sehr beliebt war und die ihm große Aufmerksamkeit schenken.

Der junge Kandidat hat für seine Kampagne auch ordentlich Geld in die Hand genommen: Mit Ausgaben von 16,7 Millionen Euro ist seine Kampagne die teuerste des damaligen Wahlkampfs. Allerdings nicht die teuerste Kampagne der Geschichte: Bereits mehrere französische Präsidialkampagnen haben über 20 Millionen Euro gekostet.

Ich gebe es zu: Wenn ich an Macron und seinen ersten Wahlkampf denke, denke ich auch an seine Frau.

Ah ja, Brigitte Trogneux, geschiedene Auzière. Sie lernte ihren künftigen Mann, Emmanuel Macron, kennen, als dieser in der 10. Klasse eine von ihr geleitete Theater AG besuchte. Er war damals 15 Jahre alt, sie 39. Sie begannen bald eine romantische Beziehung, doch um einen Skandal zu verhindern (eine Beziehung mit einem minderjährigen Schüler wäre strafbar gewesen und hätte mit bis zu drei Jahren Haft für Brigitte geahndet werden können), wurde Emmanuel Macron von seinen Eltern nach Paris geschickt, um dort die Schule zu beenden. Die beiden setzten ihre Beziehung jedoch fort und heirateten im Jahr 2007. Emmanuel Macron war damals 29, Brigitte 54. Als ihr Ehemann 2017 zum französischen Präsidenten gewählt wurde, hat sie ihren Beruf als Lehrerin aufgegeben. Seitdem übernimmt sie die Funktionen der „ersten Dame“ Frankreichs.

Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte. Er trägt einen Anzug und sie ein beigefarbenes Kleid. Im Hintergrund sieht man die europäische und die französische Flagge.

Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte. © Chesnot

Das lassen wir jetzt mal so stehen. Zurück zur Politik! Hat Macron denn gehalten, was er in seinem „inhaltslosen“ Programm versprochen hat?

Jein. In seinem ersten Amtsjahr hagelte es Reform-Ankündigungen. Da kamen sogar die Medien nicht mehr hinterher. Irgendwann wusste keiner mehr, was nur Ankündigungen waren und was tatsächlich umgesetzt wurde. Binnen kurzer Zeit hatte Macron

  • den Arbeitsmarkt liberalisiert, indem er unter anderem den Kündigungsschutz lockerte
  • mehrere Steuerreformen umgesetzt, die vor allem den vermögendsten zwei Prozent der Französ:innen dienten, was ihm den Titel „Präsident der Reichen“ einbrachte
  • und andererseits aber auch die Größe der ersten Schulklassen in Problembezirken halbiert, die seitdem auf maximal zwölf Schüler:innen pro Klasse beschränkt ist.

Die französische Zeitung Le Monde hat Macrons 400 Wahlversprechen aus dem Jahr 2017 überprüft. Insgesamt wurden 171 Versprechen (43 Prozent) gehalten, 71 (18 Prozent) zum Teil eingehalten, und 125 (31 Prozent) nicht eingehalten, weitere 33 konnten nicht überprüft werden.

Okay, das klingt erstmal nach einer ganzen Menge Veränderung.

Ja, aber dafür gab es auch Kritik: Eine Erhöhung der Steuern auf Benzin und Diesel führte ab November 2018 zur sogenannten Gelbwesten-Bewegung. Die Proteste, die jeden Sonntag in ganz Frankreich stattfanden, wurden bald zu einer Äußerung generellen Unmuts und Unzufriedenheit mit Macron. Die Teilnehmenden warfen ihm unter anderem Arroganz vor, eine zu große Machtkonzentration und dass er Reformen nur für Reiche mache. Macron reagierte unter anderem mit einer Fernsehansprache an das Volk und dem Versprechen eines „Grand Débat National“, einer großen nationalen Debatte, mit der er den Französ:innen mehr Gehör verschaffen wollte.

Ach ja, die Gelbwesten! Das war eine ziemliche Krise.

Krise ist ein gutes Stichwort. In Macrons Programm aus dem Jahr 2017 stand unter anderem, dass es unmöglich sei, alles vorherzusehen und dass außergewöhnliche Umstände dazu führen könnten, dass die Prioritäten angepasst werden müssten. Da kannte er den Begriff „Covid-19“ noch nicht, aber absurderweise ist das rückblickend wohl die richtigste Aussage seines ganzen damaligen Programms. Die Pandemie machte ihm nämlich einen Strich durch seine geplante Rentenreform.


Dieser Text ist Teil eines Zusammenhangs: „Deutschland und Frankreich: So bleiben wir Freunde“.


Was für eine Rentenreform?

Die hatte Macron ebenfalls in seiner Kampagne versprochen: Er wollte zwar nicht am Rentenalter und auch nicht an der Höhe der Renten rütteln, aber das System vereinheitlichen. Laut ihm sei das französische Rentensystem, das tatsächlich aus 42 unterschiedlichen Systemen besteht, deutlich zu kompliziert und fördere Ungleichheiten. Dagegen gab es schon ziemlich viele Proteste, und dann kam auch noch die Pandemie dazwischen. Macron erklärte, Frankreich sei „im Krieg“ gegen das Coronavirus. Er kündigte den ersten Lockdown an und verschob das Tagesgeschäft und damit auch die Rentenreform auf unbestimmte Zeit. Jetzt ist das Thema wieder da: Seit Monaten protestieren Hunderttausende im Land, es kommt mitunter zu schweren Ausschreitungen. Die Menschen wehren sich gegen Macons Pläne: Er will das Alter des Renteneintritts anheben, und zwar von 62 auf 65 Jahre. Er möchte nach wie vor das System vereinheitlichen und die Mindestrente auf 1.100 Euro aufstocken. Allerdings soll der Schweregrad der Berufe, also beispielsweise schwere physische Arbeit, berücksichtigt werden.

Längere Lebensarbeitszeit, aber dafür mehr Geld – und was noch?

Tja, dann wird es auch schon etwas schwierig. Die Pressekonferenz, bei der Macron im vergangenen Jahr vor 300 Journalist:innen sein Programm vorstellte, dauerte zwar fast vier Stunden. Wenn du das aushältst, gucke sie dir gerne hier an, aber leichter ist es, stattdessen einfach weiterzulesen.

Dass Macron so lange gesprochen hat, lag übrigens nicht an der Menge der Punkte in seinem Wahlprogramm, sondern nur daran, dass er bei jeder Gelegenheit ausufernd ins Detail ging – und mehrmals betonte, er könne bei Bedarf ruhig noch tiefer gehen.

Jetzt uferst du auch aus! Was sind denn nun die wichtigsten Themen?

Oh, je m’excuse. Genau wie in Deutschland spielt auch hier aufgrund des Krieges in der Ukraine das Militär gerade eine wichtige Rolle. Macron möchte das Budget der französischen Armee bis 2025 auf 50 Milliarden Euro erhöhen, außerdem soll die Zahl der Reservisten verdoppelt werden.

Auch an Energiepolitik führt im Moment kein Weg vorbei, aber hier geht Frankreich einen ganz anderen Weg als Deutschland: Es sollen sechs neue Kernkraftwerke gebaut werden, der Bau weiterer acht soll noch geprüft werden. Gleichzeitig soll die Nutzung der Solarenergie allerdings verdoppelt werden.

Der Arbeitsmarkt ist weiterhin eine von Macrons größten Baustellen: Innerhalb der nächsten fünf Jahre möchte Macron die Vollbeschäftigung erreichen, also die Arbeitslosigkeit auf unter fünf Prozent bringen, wofür unter anderem die französische Arbeitsagentur Pôle Emploi reformiert werden soll. Insgesamt gilt Macrons Programm als wenig innovativ. Es enthält wenig Soziales und lässt sich vielleicht ganz gut mit diesem Wort zusammenfassen: mau.

Es gibt ja auch gerade Wichtigeres: den Krieg in der Ukraine. Und da ist er doch ein wichtiger Verhandler, oder?

Ja, das ist ein wichtiger Punkt: Macron inszeniert sich gerade so erfolgreich als Staatsmann. Macron ist ein Freund der EU und wünscht sich, dass die Mitgliedsstaaten näher zusammenrücken, das wissen alle. Die gemeinsame Schuldenaufnahme der Europäischen Union im Rahmen des Corona-Wiederaufbaufonds war bisher einer seiner wichtigsten außenpolitischen Erfolge.


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Macron wirkt auf mich wie ein ziemlicher Macher. Sehr ehrgeizig und vielleicht etwas größenwahnsinnig. Blöd gefragt: Kann man Macron trauen – oder geht er wieder zu Rothschild, wenn das mit dem „Staatsdienst“ nicht klappt?

Die Frage, ob man Macron trauen kann, kann ich auch nur basierend auf meinen Eindrücken seiner vergangenen Amtszeit beantworten. Was sich meiner Meinung nach sagen lässt, ist, dass Macron immer transparent in seinen Plänen und seiner Vision war. Seine Reformen dürften für niemanden, der sein Buch „Révolution“ gelesen oder sich mit seinem Programm beschäftigt hat, überraschend gewesen sein. Natürlich musste er seine Vorhaben und Positionen an die aktuelle Situation anpassen, aber man kann ihm nicht vorwerfen, sehr überraschende Kurswechsel vollzogen zu haben.


Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Iris Hochberger und Christian Melchert

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