Hallo, ich bins, Isolde, mit meinem wöchentlichen Newsletter. Hier erkläre ich, was du zum Krieg in der Ukraine wirklich wissen musst – ohne stressige Push-Benachrichtigungen oder Eilmeldungen. In jeder Ausgabe konzentriere ich mich auf ein Thema: Heute geht es darum, was unsere Russland-Politik der vergangenen Jahre mit dem Krieg in der Ukraine zu tun hat. Wenn du den Newsletter magst, kannst du ihn hier abonnieren.
Was ist zuletzt passiert?
Hätte Deutschland anders mit Russland umgehen sollen? Nach Bekanntwerden der schrecklichen Kriegsverbrechen in Butscha und anderen Vororten Kyjiws hat der ukrainische Präsident Selenskyj Deutschland und Frankreich Vorwürfe gemacht. „Ich lade Frau Merkel und Herrn Sarkozy ein, Butscha zu besuchen und zu sehen, wozu die Politik der Zugeständnisse an Russland in 14 Jahren geführt hat“, sagte er in einer Videobotschaft. Sarkozy? Merkel? Ja, genau die meint Selenskyj. Die Ukraine und auch Georgien wollen seit Jahren in die NATO aufgenommen werden. 2008 scheiterte das Vorhaben vor allem am Widerstand Deutschlands und Frankreichs unter der Führung von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy.
Auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat Deutschland vorgeworfen, zu enge Verbindungen zu Russland zu haben. In einem Interview sagte er, Frank-Walter Steinmeier habe als Außenminister ein „Spinnennetz der Kontakte“ nach Russland geknüpft. Steinmeier selbst hat inzwischen zugegeben, Fehler in seiner Russland-Politik gemacht zu haben. „Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben“, sagte er.
Was ist dran an den Vorwürfen, Deutschland habe zu enge Kontakte nach Russland?
Steinmeier gilt als eine der wichtigsten Personen, die für die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland verantwortlich waren. Steinmeier ist heute Bundespräsident, war Kanzleramtschef unter Putin-Kumpel Gerhard Schröder und zwei Mal Außenminister unter Angela Merkel. Er setzte sich immer für den Dialog mit Russland ein. Die Gaspipeline Nord Stream 2 bezeichnet er als eine der letzten „Brücken zwischen Russland und Europa“.
Inzwischen wissen wir: Diese „Brücke“ hat Deutschlands Abhängigkeit von russischem Gas zementiert und den Angriffskrieg nicht verhindert. Auch Angela Merkel, die vier Mal Bundeskanzlerin und damit eine der mächtigsten Frauen der Welt war, steht jetzt in der Kritik. Hat sie Putin unterschätzt?
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Die Antwort lautet: So einfach ist es nicht. Wer erst jetzt, wo Russlands Aggression für alle offensichtlich ist, jahrzehntelange deutsche Politik kritisiert, macht es sich sehr einfach. Zwar warnten Länder wie Polen immer wieder vor einer Abhängigkeit von Russland und Journalist:innen und Aktivist:innen waren alarmiert angesichts einer zunehmenden Radikalisierung des russischen Regimes. Doch wer vor Russland warnte, wurde schnell als „Kriegstreiber“ oder „russophob“ bezeichnet. Viele Deutsche befürworteten den immer wieder beschworenen Dialog mit Russland.
Die Frage der Woche
KR-Mitglied Martin fragt: „Ist die ‚Gruppe Wagner‘ für Russland im Ukraine-Krieg aktiv tätig?“
Die „Gruppe Wagner“ ist ein Söldnertruppe, die verdeckt für Russland in verschiedenen Ländern kämpft. Sie war unter anderem in Syrien, Mali und Libyen im Einsatz und ist berüchtigt für ihre Grausamkeit. Offiziell streitet der Kreml ab, die „Gruppe Wagner“ zu beschäftigen – Söldnertruppen sind in Russland sogar verboten.
Doch verschiedene investigative Recherchen haben aufgedeckt, dass Russland die Gruppe Wagner sehr wohl engagiert. Beispiel Syrien: Schon 2017 haben ein syrischer und ein russischer Offizier sowie ein Mitglied der Wagnertruppe selbst einem Journalisten der Zeitung Nowaja Gaseta bestätigt, dass mehrere Tausend russische Söldner auf Seiten des syrischen Diktators Baschar al-Assad kämpften.
Nach Informationen der Nowaja Gaseta trainierte die Gruppe Wagner auf dem Übungsgelände des russischen Geheimdienstes GRU und wurde von der russischen Armee nach Syrien gebracht. Finanziert wird die Truppe vermutlich von Jewgeni Prigoschin, einem Unternehmer, der Wladimir Putin nahesteht und oft als „Putins Koch“ bezeichnet wird.
Verschiedene Hinweise legen nahe dass die „Gruppe Wagner“ nun auch in der Ukraine kämpft. Ende März gab der britische Geheimdienst bekannt, dass die Söldnertruppe in den Osten der Ukraine verlegt worden sei. Nach Informationen des Spiegel hat der deutsche Geheimdienst BND Funksprüche der mutmaßlichen Täter von Butscha mitgeschnitten – daraus geht hervor, dass „Bedienstete der russischen Söldnertruppen wie der ‚Wagner Gruppe‘ maßgeblich an den Gräueltaten beteiligt waren.“
Der Link der Woche
Butscha ist bereits zum Symbol für die Grausamkeit geworden, mit der der Krieg in der Ukraine wütet. Butscha ist jedoch kein Einzelfall: Mit jedem Dorf und jeder Kleinstadt, die wieder von der Ukraine kontrolliert wird, kommen erschütternde Details an die Öffentlichkeit. Ein Reporter des Magazins „The New Yorker“ war in Nowyj Bykiw, einem kleinen Ort in der Nähe von Kyjiw, und hat in diesem Text beschrieben, was er dort erfahren hat.
Die Hoffnung der Woche
Blau-gelbe, blühende Solidarität mit der Ukraine:
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos