Die Taliban Deligation in Moskau. Eine Reihe Alter Männer mit traditionell Afghanischer Kopftracht, dem Turban ähnlend, mit getönten Brillen diskutieren.

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Woher die Taliban so viel Geld haben

20 Jahre lang bemühte sich der Westen in Afghanistan um Frieden. Jetzt sind die Taliban zurück an der Macht. Ohne die Einnahmen durch Drogen und das Geld anderer Regierungen wäre das nicht möglich gewesen.

Profilbild von von Hanif Sufizada

Seit US-Streitkräfte das fundamentalistische islamische Regime in Afghanistan im Jahr 2001 gestürzt haben, wurden die Taliban reicher und mächtiger. Im Steuerjahr 2020 sollen die Taliban laut Mullah Yaqoob, dem Sohn des verstorbenen geistigen Führers der Taliban Mullah Mohammad Omar, 1,6 Milliarden US-Dollar eingenommen haben.

Im Vergleich dazu hat die afghanische Regierung im selben Zeitraum 5,55 Milliarden Dollar eingenommen.

Ich untersuche die Finanzierung der Taliban als wirtschaftspolitischer Analyst am Zentrum für Afghanistan-Studien an der Universität von Nebraska in Omaha. Hier beschreibe ich, woher ihr Geld kommt.

1. Drogen: 416 Millionen US-Dollar

Laut dem Weltdrogenbericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2020 entfielen in den fünf Jahren bis 2020 rund 84 Prozent der weltweiten Opiumproduktion auf Afghanistan.

Ein großer Teil dieser illegalen Drogengewinne geht an die Taliban, die das Opium in den von ihnen kontrollierten Gebieten verwaltet. Laut einem Bericht der Afghanistan Research and Evaluation Unit (einer unabhängigen Forschungsorganisation in Kabul), erhebt die Gruppe auf jedes Glied der Drogenproduktionskette eine Steuer von zehn Prozent. Dazu gehören die afghanischen Landwirte, die Mohn, den Hauptbestandteil des Opiums, anbauen, die Labore, die ihn in eine Droge umwandeln, und die Händler, die das Endprodukt ins Ausland bringen.

2. Bergbau: 400 bis 464 Millionen US-Dollar

Der Abbau von Eisenerz, Marmor, Kupfer, Gold, Zink und anderen Metallen und seltenen Erden im gebirgigen Afghanistan ist für die Taliban ein zunehmend lukratives Geschäft. Sowohl kleine Bergbaubetriebe als auch große afghanische Bergbauunternehmen bezahlen Taliban-Kämpfer, damit sie ihre Geschäfte weiterführen können. Wer nicht zahlt, wird mit dem Tod bedroht.

Nach Angaben der Taliban-Kommission für Steine und Minen (Da Dabaro Comisyoon) erwirtschaftet die Gruppe jährlich 400 Millionen US-Dollar durch den Bergbau. Die NATO schätzt diese Zahl höher ein, nämlich auf 464 Millionen Dollar – ein enormer Anstieg im Vergleich zu 35 Millionen Dollar im Jahr 2016.

3. Erpressung und Steuern: 160 Millionen US-Dollar

Die Taliban besteuern die Menschen und Industrien in dem wachsenden Teil Afghanistans, den sie kontrollieren, wie eine Regierung. Sie stellen sogar offizielle Quittungen über die Steuerzahlungen aus.

Zu den „besteuerten“ Wirtschaftszweigen gehören Bergbau, Medien, Telekommunikation und mit internationaler Hilfe finanzierte Entwicklungsprojekte. Autofahrer müssen für die Benutzung von Autobahnen in von den Taliban kontrollierten Gebieten Gebühren zahlen, und Ladenbesitzer zahlen den Taliban für das Recht, Geschäfte zu machen.

Die Gruppe erhebt auch eine traditionelle islamische Form der Besteuerung namens „Ushr“ – eine 10-prozentige Steuer auf die Ernte der Landwirte – und „Zakat“, eine 2,5-prozentige Vermögenssteuer. Nach Angaben von Mullah Yaqoob bringen die Steuereinnahmen – die auch als Erpressung betrachtet werden können – jährlich rund 160 Millionen Dollar ein.

4. Spenden: 240 Millionen US-Dollar

Die Taliban erhalten verdecktes Geld von privaten Spendern und internationalen Institutionen aus aller Welt. Viele Taliban-Spenden stammen von Wohltätigkeitsorganisationen und privaten Stiftungen in den Ländern des Persischen Golfs, einer Region, die seit jeher mit den religiösen Aufständischen der Gruppe sympathisiert. Diese Spenden belaufen sich nach Angaben des Afghanistan Center for Research and Policy Studies auf 150 bis 200 Millionen US-Dollar pro Jahr. Die Wohltätigkeitsorganisationen, die an die Taliban spenden, listet die US-Schatzkammer offiziell als Gruppen auf, die Terrorismus finanzieren.

Auch Privatpersonen aus Saudi-Arabien, Pakistan, dem Iran und einigen Ländern am Persischen Golf tragen zur Finanzierung der Taliban bei und spenden nach Angaben amerikanischer Terrorismusbekämpfungsbehörden jährlich weitere 60 Millionen US-Dollar an das mit den Taliban verbundene Haqqani-Netzwerk.

5. Exporte: 240 Millionen US-Dollar

Dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zufolge importieren und exportieren die Taliban verschiedene alltägliche Konsumgüter, zum Teil um illegale Gelder zu waschen. Zu den bekannten Geschäftspartnern gehört das multinationale Unternehmen Noorzai Brothers Limited, das Autoteile importiert und wieder zusammengebaute Fahrzeuge und Autoersatzteile verkauft.

Das Nettoeinkommen der Taliban aus Exporten wird auf etwa 240 Millionen Dollar pro Jahr geschätzt.

6. Immobilien: 80 Millionen US-Dollar

Nach Angaben von Mullah Yaqoob und dem pakistanischen Fernsehsender SAMAAbesitzen die Taliban Immobilien in Afghanistan, Pakistan und wahrscheinlich in anderen Ländern. Yaqoob berichtete der NATO, dass sich die jährlichen Einnahmen aus dem Immobilienbesitz auf etwa 80 Millionen Dollar belaufen.

7. Regierungen anderer Länder

Nach einem Bericht der BBC schätzte ein als geheim eingestufter CIA-Bericht im Jahr 2008, dass die Taliban 106 Millionen Dollar von ausländischen Quellen, insbesondere aus den Golfstaaten, erhalten haben.

Zahlreiche US-amerikanische und internationale Quellen gehen davon aus, dass die Regierungen in Russland, Iran, Pakistan und Saudi-Arabien die Taliban mitfinanzieren. Experten zufolge könnte sich dieser Betrag auf bis zu 500 Millionen Dollar pro Jahr belaufen, es ist allerdings schwierig, diesen Einkommensstrom genau zu beziffern.


Hanif Sufizada arbeitet am Zentrum für Afghanistanstudien an der Universität von Nebraska in Omaha und ist dort als Programmkoordinator für Bildung und Öffentlichkeitsarbeit für die Zusammenarbeit mit Universitäten in Afghanistan und Pakistan zuständig. Als Experte für internationale Entwicklung hat er für die Vereinten Nationen und die Weltbank in Afghanistan, Liberia, Nepal und Pakistan gearbeitet.


Dieser Artikel ist zuerst auf Englisch bei The Conversation erschienen. Hier könnt ihr den Originalartikel lesen.

Übersetzung: Bent Freiwald, Redaktion: Esther Göbel, Fotoredaktion: Till Rimmele, Schlussredaktion: Susan Mücke, Audio: Christian Melchert

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