Am Montag hat die Sächsische Zeitung eine neue Wahlumfrage für Sachsen veröffentlicht. Im Vergleich mit den letzten Umfragen hat sich wenig verändert. Ein:e Statistiker:in würde sagen, dass sie im statistischen Rauschen keine Rolle spielen. Trotzdem hat die AfD 1,1 Prozentpunkte dazugewonnen.
Das zeigt: Die Hoffnung, dass die Partei verschwindet, wenn man sie nicht beachtet, ist vergeblich. Seit Beginn der Corona-Pandemie spielt das Hauptthema der AfD eine deutlich geringere Rolle in den Medien und in der Gesellschaft: Einwanderung. Es brauchte also tatsächlich eine weltweite Gesundheitskrise, um AfD-Narrative aus der Öffentlichkeit zu verdrängen. Im Moment sitzen kaum noch AfD-Vertreter:innen in Talkshows, Entgleisungen werden seltener öffentlich gemacht und generell schreiben die Medien weniger über Geflüchtete.
Trotzdem hat sich die AfD festgesetzt und ist eine etablierte Partei geworden, insbesondere in Sachsen. Das hat Folgen: Skandale – wie zum Beispiel der Zerfall der AfD-Fraktion in Brandenburg, Strafen für verbotene Parteispenden oder die komplette Causa Höcke – und Enthüllungen über rechtsextreme Bestrebungen in der Partei können der AfD kaum noch schaden.
In den letzten Wochen schrieben mehrere Journalist:innen darüber, dass die Corona-Krise der AfD schaden würde. Ich selbst habe darüber nachgedacht, ob die Partei nicht eigentlich anschlussfähig an das Corona-Leugner:innen-Lager ist. Es stellt sich heraus: Einerseits treiben sich Abgeordnete der AfD zwar auf den Corona-Demonstrationen herum, andererseits zeigen sich aber keine herausragenden Bündnisse. In bundesweiten Umfragen kann die AfD nicht wachsen – sie bleibt aber stabil zwischen zehn und zwölf Prozent. Auch das zeigt, dass die Partei inzwischen als etabliert gelten kann, aus mehreren Gründen:
1. Die AfD bietet eine politische Heimat für ein bestimmtes Milieu (das in Ost- und Westdeutschland übrigens unterschiedlich geprägt ist)
Untersuchungen haben gezeigt, dass Wähler:innen der AfD ihre Stimme geben, gerade weil sie rechtsextreme, antisemitische, chauvinistische Positionen vertritt. Es gibt aber auch Unterschiede zwischen Ost und West: Während die westdeutschen AfD-Wähler:innen die Demokratie an sich ablehnen, haben ihre ostdeutschen Anhänger:innen einfach weniger Vertrauen in die aktuelle Bundesregierung und die demokratische Willensbildung.
Mehr dazu kannst du in dieser Studie (PDF) lesen.
2. Die Partei hat inzwischen eine funktionierende Struktur aufgebaut (die mit der nächsten Bundestagswahl noch stärker wird)
Mit jedem Mandat, das die AfD gewonnen hat, konnte sie Mitarbeiter:innen anwerben und ist Teil einer Verwaltungs- und Institutionenstruktur geworden. Kurz: Sie hat Macht bekommen. AfD-Abgeordnete dürfen in den Parlamenten Anfragen stellen, können Gesetzesvorhaben einbringen, sich auf die wissenschaftlichen Dienste der Parlamente verlassen und beeinflussen mit ihrem Stimmverhalten Wahlen zu Ministerpräsident:innen. Außerdem bekommt die AfD Geld aus der Parteienförderung des deutschen Staates – in den nächsten vier Jahren rund 400 Millionen Euro. Nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr bekommt die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung ebenfalls Geld aus dem Bundeshaushalt, wenn die AfD ein zweites Mal in den Bundestag gewählt wurde. Damit könnte die Partei zum Beispiel Student:innen fördern, Veranstaltungen planen oder wissenschaftliche Projekte anschieben.
3. AfD-Anhänger:innen haben eine alternative Öffentlichkeit geschaffen (in der die AfD unfehlbar ist)
Wähler:innen der AfD sind anfälliger für Verschwörungsmythen und glauben zum Beispiel mehr als andere an geheime Organisationen. Solche Informationen bekommen sie oft in ihren eigenen Filterblasen, in denen Bundeskanzlerin Angela Merkel angeblich eine Marionette ist und den Untergang von Deutschland befördert. Wer mal in geschlossenen Facebook- oder Telegram-Gruppen unterwegs war, weiß, dass solche Verschwörungserzählungen massenhaft geteilt werden. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob die Verfasser:innen vertrauenswürdig sind. Hauptsache, das eigene Weltbild wird bestätigt. Gleichzeitig werden alle Verfehlungen der AfD (siehe oben) wahlweise als ausgedacht, Verschwörungen der anderen Parteien oder am Ende verschmerzbar dargestellt, weil es vermeintlich um die größere Sache geht.
Was bedeutet das nun für den Umgang mit der AfD? Der Versuch, sie einfach nicht zu beachten, ist gescheitert. Ein normaler Umgang mit der Partei ist aber trotzdem kaum denkbar. Dazu sind die rechtsextremen Tendenzen viel zu offensichtlich und schwerwiegend. Für Journalist:innen (und damit auch für mich) gehört es dazu, diese extremistischen Bestrebungen zu benennen. Für Politiker:innen muss klar sein, dass sich jegliche Zusammenarbeit verbietet. Am Ende könnte es das drohende Parteiverbot sein, das die Partei bricht. Nämlich dann, wenn Beamt:innen, aus Angst vor dienstrechtlichen Konsequenzen, und die wenigen gemäßigten Stimmen die Partei massenhaft verlassen.
Das noch ausstehende Ergebnis der US-Wahl und die islamistischen Terroranschläge der vergangenen Tage sind wichtig für die Erzählung der AfD. Gewinnt Trump die Wahl und reagieren die Menschen auf die Anschläge mit Angst, mahlen die Mühlen der AfD weiter.
Redaktion und Schlussredaktion: Belinda Grasnick; Fotoredaktion: Rico Grimm.