Die Amazonas-Brände kurz erklärt: wo sie herkommen, warum sie gefährlich sind und wie wir sie stoppen könnten

© Adam Ronan / The Conversation

Nachrichten, erklärt

Die Amazonas-Brände kurz erklärt: wo sie herkommen, warum sie gefährlich sind und wie wir sie stoppen könnten

Der Regenwald im Amazonasgebiet brennt von Natur aus nur sehr selten – das macht die Situation jetzt so kritisch.

Profilbild von von Umweltwissenschaftler Jos Barlow

Stell dir einen Regenwald im Morgengrauen vor – das hohe Blätterdach voller tropfender Farne und Orchideen, Baumstämme mit schwammigen Moosen und Flechten besetzt. Der Morgennebel verfliegt nur langsam, wenn die Sonne aufgeht. Obwohl überall Brennmaterial liegt, scheint es unvorstellbar, dass solche feuchten Ökosysteme jemals Feuer fangen könnten.

Und ohne menschliches Zutun passiert das auch nicht. Holzkohleanalysen aus dem Amazonasgebiet zeigen, dass Brände sehr selten sind. Das Problem dadurch: Die 8.000 oder mehr Amazonas-Baumarten haben sich während ihrer Evolution nicht an Feuer angepasst – anders als ihre Verwandten in Savannen oder in den Vegetationszonen auf der nördlichen Halbkugel.

Da derzeit Tausende von Feuern im Amazonasgebiet brennen, ist es wichtig zu betrachten, wie sich diese Waldbrände verhalten. In diesem Zusammenhang sprechen wir von einem „Waldbrand“, wenn ein Feuer außer Kontrolle geraten ist, auch wenn es von Menschen – zum Beispiel für Brandrodung – gelegt wurde. Was bedeuten diese Brände für einen Wald, der sich nicht ans Feuer angepasst hat? Und was müssen wir tun, um weitere Schäden zu vermeiden?

Anders als die vielen Bilder suggerieren, die gerade im Internet kursieren, und die lodernde Baumkronen zeigen (mehr dazu hinter dem „i“), verändern Brände das Ökosystem in zuvor unberührten tropischen Wäldern nicht. Die Flammen breiten sich nur 200 bis 300 Meter pro Tag aus und erreichen selten eine Höhe von 30 Zentimeter. Was brennt, sind abgefallenes Laub und heruntergefallenes Holz.

https://youtu.be/adTVVilKEbs

Ein Feuer brennt langsam durch den unberührten Regenwald im Amazonasgebiet Brasiliens (© Jos Barlow).

Die meisten Tiere schaffen die Flucht, und Feuerwehrleute – falls vorhanden – können die Brände durch einfache Feuerschneisen zum Stillstand bringen. Selbst die bescheidenen Pfade der Blattschneider-Ameisen reichen aus, um Waldbrände zu stoppen, wie ein Experiment im südlichen Amazonasgebiet zeigen konnte.

Aber die Intensität eines Feuers sagt nicht unbedingt etwas über sein Ausmaß aus. Weil sie sich nicht auf natürlichem Wege anpassen konnten, sind Regenwaldarten sehr empfindlich für Waldbrände. Selbst ein nicht sehr intensiver Waldbrand kann die Hälfte der Bäume töten. Während kleine Bäume anfangs am anfälligsten sind, sterben größere oft in den Folgejahren ab, was letztendlich dazu führt, dass mehr als der Hälfte der Kohlenstoffspeicher des Waldes verlorengehen. Die großen Bäume enthalten den größten Teil des Kohlenstoffs, und Pionierbaumarten, die anschließend nachwachsen, können das nicht ausgleichen – einmal verbrannte Wälder enthalten auch nach drei Jahrzehnten noch 25 Prozent weniger Kohlenstoff als unverbrannte Wälder.

Wenn die Bäume so viel Schaden nehmen, trifft dass auch vom Wald abhängige Tiere und Menschen. In verbrannten Wäldern gibt es seltener Primaten, und viele spezialisierte insektenfressende Vögel verschwinden ganz und gar. Und die Einheimischen, die im Wald Wild jagen und Pflanzen als Baumaterial und Medikamente nutzen, verlieren eine ihrer wichtigsten Schutzeinrichtungen.

All das passiert, wenn ein Wald zum ersten Mal brennt. Ganz anders ist die Situation jedoch, wenn Wälder unter immer wiederkehrenden Bränden leiden. Dann findet das Feuer dank des Baumsterbens vom letzten Mal viel trockenen Zunder und ein offenes Laubdach. Die Flammen in solchen Wäldern lodern in die Baumkronen empor und töten fast alle verbliebenen Bäume.

Ein solches Szenario nennt man auch „Savannisierung“ – aus einem Wald wird eine Savannenlandschaft mit Gestrüpp und nur wenigen Bäumen. Der Vergleich funktioniert aber nur an der Oberfläche: Denn die echten Savannen sind tropische Graslandschaften, für deren Ökosystem natürliche Feuer sogar wichtig sind. Sie besitzen eine einzigartige Biodiversität und einen kulturellen Wert. Im Amazonasgebiet hingegen sorgen wiederkehrende Waldbrände dafür, dass das Ökosystem seine Vielfalt verliert und nur noch einen Bruchteil des Kohlenstoffs speichert: Beides macht aber derzeit den großen sozialen und ökologischen Wert dieser Wälder aus.

Das brennende Problem

Nun wissen wir, dass Waldbrände in Amazonien keine natürlichen Prozesse sind: Warum also gibt es jetzt so viele Brände? Leider ist noch nicht klar, was genau gebrannt hat – Satelliten, die aktive Brände und Rauch erkennen, liefern nur ungenaue Hinweise. Wir werden erst mehr Klarheit haben, wenn die Brandnarben genau kartiert sind. Aber wahrscheinlich haben wir es gerade mit einer Mischung aus drei verschiedenen Brandarten zu tun.

An einigen der Brände ist die zuletzt stärker gewordene Entwaldung Schuld (mehr dazu hinter dem „i“): Das heißt also, dass abgeholzte Vegetation verbrannt wird, um Rinderfarmen aufzubauen und Land in Besitz zu nehmen. Zudem setzen Farmer auch an anderen Stellen Feuer ein, etwa um Gestrüpp von bestehenden Weiden zu entfernen.

Leider gibt es Hinweise darauf, dass diese vorsätzlich gelegten Feuer zu Bränden in bestehenden Wäldern geführt haben, einschließlich Reservaten. Auch wenn diese Trockenzeit als normal gilt.

Diese Brände zu bekämpfen, ist nicht einfach, weil sie illegal gelegt wurden oder gar politisch gewollt sein können. So nahm beispielsweise die Feuermeldung während des letzten „Tag des Feuers“ (mehr dazu hinter dem „i“) deutlich zu. Holzfäller oder Bodenspekulanten haben für Waldbrände in indigenen Reservaten gesorgt.

Es ist aber auch wichtig, diese illegalen Brände von der kleinräumigen Brandrodung zu trennen, welche die einheimischen Bevölkerung traditionell betreibt. Obwohl sich diese Feuer in Wälder ausbreiten können, sind sie unerlässlich, um die Lebensgrundlagen einiger der ärmsten Menschen im Amazonasgebiet zu erhalten.

Wenn Feuer in den Wald eindringt, könnten zwar einfache Methoden wie Feuerschneisen ihm Einhalt gebieten. Doch nach wie vor ist die Hilfe entweder ineffizient, kommt verzögert oder überhaupt nicht an. Unter dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro wurden die Mittel für die brasilianische Umweltschutzbehörde IBAMA um 95 Prozent gekürzt. Es gibt deswegen umgerechnet knapp vier Millionen Euro weniger Geld für die Brandbekämpfung. Zusätzlich sind Mittel aus dem von Norwegen und Deutschland gespeisten Amazon-Fonds weggefallen.

Was jetzt passieren muss

Um die Waldbrände zu bekämpfen, müssen wir mehr tun als nur nach Brandursachen zu suchen und die Flammen zu ersticken. Wichtig ist es, Maßnahmen zu fördern, die dafür sorgen, dass die Wälder weniger leicht brennen. Unbedingt muss man gegen die Entwaldung angehen, da sie die Waldränder dem heißeren und trockeneren Mikroklima landwirtschaftlicher Flächen aussetzt und zu weniger Regen führt.

Auch der selektive Holzeinschlag spielt für Feuer in Tropenwäldern eine entscheidende Rolle. Wenn man in der Trockenzeit in einem bewirtschafteten Wald wandert, spürt man die Hitze der Sonne direkt auf dem Gesicht, und das Laub knistert und knirscht unter den Füßen. Im Gegensatz dazu sind ungenutzte Primärwälder eine schattigere Welt, in der die Blattreste feucht bleiben. Der Brandschutz muss also eine Schlüsselbedingung für eine langfristige Waldwirtschaft sein. Dies kann nur funktionieren, wenn der weit verbreitete illegale Holzeinschlag (mehr dazu hinter dem „i“) wirksam bekämpft wird, da billiges Holz eine umweltorientierten Forstwirtschaft unrentabel macht.

Und schließlich macht der Klimawandel die Trockenzeit länger und sorgt dafür, dass die Wälder leichter brennen. Höhere Temperaturen führen auch in Nicht-Dürrejahren zu häufigeren Tropenwaldbränden. Und der Klimawandel kann dazu führen, dass Klima-Anomalien wie El-Niño-Ereignisse häufiger und intensiver vorkommen – und 2019 ist ein El-Nino-Jahr. All das wird die Intensität der Feuersaison im ganzen Amazonasgebiet beeinflussen.

Um mit diesen Herausforderungen fertig zu werden, braucht es nationale und globale Maßnahmen: Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger müssen zusammenarbeiten, und die Finanzierung der Maßnahmen müsste langfristig gesichert sein. Aber das sind allesamt Ansätze, die die jetzige brasilianische Regierung augenscheinlich verhindern will.


Jos Barlow ist Professor für Umweltwissenschaften an der Universität Lancester. Er erforscht, wie sich menschliche Aktivitäten auf die Biodiversität in den Tropenwäldern auswirken, auf die Funktionen und Leistungen der Ökosysteme. Seit 1998 arbeitet Barlow im brasilianischen Amazonasgebiet, aber auch in anderen tropischen Ländern in Afrika sowie in Süd- und Mittelamerika.

Seinen Artikel veröffentlichte in Englisch The Conversation. Hier könnt ihr den Originalartikel lesen.

Übersetzung: Vera Fröhlich; Redaktion: Theresa Bäuerlein.

The Conversation