1. Bei Youtube sind ein paar Millionen Klicks nicht die Welt
Nach vier Tagen hatte „Die Zerstörung der CDU“ etwas über drei Millionen Klicks bei Youtube. Das ist schon sehr viel, aber nicht außergewöhnlich. Ich gucke gern einen Youtuber, der Videos über seine Feuerameisen macht. Ziemliches Nischenthema, aber hier, fast zwei Millionen haben angeguckt, was mit einer toten Maus in einem Terrarium voller Feuerameisen passiert.
Also, wenn Youtuber aktuelle Themen behandeln, kann es schon mal passieren, dass sie Millionen von Klicks am ersten Tag bekommen. Zwei Dinge beim Rezo-Video aber sind ungewöhnlich: Dass ein explizit politisches Video so viele Klicks bekam. Und: Dass es so lange angeguckt wurde. Mittlerweile, drei Wochen nach dem Erscheinen, haben es 15 Millionen Menschen gesehen.
2. Youtube ist schnell
Normalerweise ist das so: Ein Video trendet bei Youtube, bekommt ein paar Millionen Klicks, und nach ein paar Tagen interessiert es niemanden mehr. Trends bei Youtube sind kurzlebig. Rezos Video wurde über Wochen geklickt. Der Grund war, dass es in den Medien rauf und runter lief.
Von dem Video habe ich ausgerechnet in der Tagesschau erfahren. Mein Vater, der neben mir saß, und der nicht gerade ein Youtube-Experte ist, sagte: „Ach, dieser Rezo.“ Er kannte es auch aus den Nachrichten.
Ich guckte das Video am nächsten Tag. Es hat mich ziemlich überzeugt. Es war gut recherchiert, einiges war mir neu, den meisten Aussagen konnte ich zustimmen. Aber dass es in den Medien eine so große Debatte gab, hat mich überrascht. Bei uns auf dem Schulhof gab es die nicht.
3. „Zerstörung“ ist nicht gleich Zerstörung
Rezos Video heißt: „Die Zerstörung der CDU.“ Klingt heftig. Und das wurde auch kritisiert. Die CDU schrieb in einer offenen Antwort an Rezo:
„Hier legen wir dar, wie wir die Dinge sehen und darüber werden wir selbstverständlich mit allen, die ihre Meinung äußern, diskutieren, einander zuhören und unsere Standpunkte austauschen – immer mit dem Ziel, Kompromisse für gangbare, akzeptable Lösungen zu finden, nicht mit dem Ziel, andere zu zerstören.“
Das zeigt nur, dass sie den Titel missverstanden hat. „Zerstörung“ bedeutet nicht Feindschaft, es heißt nicht, dass jemand tatsächlich vernichtet wird. „Zerstörung“ heißt bei Youtube, ausführlich zu mehreren Punkten oder Thesen der Gegenseite Stellung zu nehmen und dabei zu einem vernichtenden Ergebnis zu kommen. Youtuber verwenden den Begriff, wenn sie ihrer Sache sehr sicher sind und glauben, falsche Thesen offensichtlich widerlegen zu können.
4. Reißerische Titel sind auf Youtube Standard
Auf einer Plattform, auf der es dermaßen viele Videos gibt wie auf Youtube, ist das Auf-sich-ziehen von Aufmerksamkeit durch starke Titel vorprogrammiert. Das heißt nicht, dass das Video reißerisch oder unsachlich ist. Man kann einen starken Titel raushauen, sollte dann aber im Video begründen und belegen. Rezo ist ziemlich gut darin.
Rezo hat auch nicht zum ersten Mal etwas zerstört. Anfang des Jahres veröffentlichte er ein Video, in dem er die Zerstörung des Images von 2Bough, einem Musik-Youtuber, ankündigte. 2Bough ist ein Bewerter, er guckt sich Musik an, die Youtuber veröffentlicht haben, und kritisiert sie, „damit sie sich verbessern können“.
Rezo warf 2Bough vor, sich als objektiver Musikkritiker zu inszenieren. Und nimmt ihn dann komplett auseinander. Rezo präsentiert Aussage um Aussage von 2Bough, die zu seinem Image komplett im Widerspruch stehen. „Beweis durch Widerspruch“, nennt er das, und das ist ein Begriff aus der Logik. Das also heißt „Zerstörung“ bei Youtube.
Elf Tage später übrigens haben sich Rezo und 2Bough an einen Tisch gesetzt und ihren Konflikt miteinander gelöst. Drunter kommentierte jemand: „Siehste, liebe CDU, so einfach wär’s gewesen.“
5. Youtube ist subjektiv und darf das auch
Ein politisches Video auf Youtube hat nicht den Anspruch, neutral zu berichten. Es ist eine Stellungnahme. Sein Ziel ist es, die eigene Meinung mit Argumenten zu stützen und neue Informationen an die Zuschauer zu bringen. Klar sind das subjektiv gewertete und kommentierte Informationen. Aber es ist halt eine Meinungsäußerung. Und zwar in leichter Form vermittelt. Youtube ist keine Zeitung. Es ist eine Seite, die jeder für private Äußerungen nutzen kann.
6. Youtube liebt Konflikte
Ziemlich weit oben auf der Liste von Dingen, die auf Youtube Aufmerksamkeit auf sich ziehen, steht Streit. Als die CDU ankündigte, Philipp Amthor auf das Rezo-Video antworten zu lassen, brachte das dem Video einen neuen Schub. Sobald sich offener Beef ankündigt, zieht das einfach Aufmerksamkeit bei Youtube. Weil sich hier Zuschauer mit ihren Idolen total identifizieren, sind Videofehden unglaublich populär. Das will man einfach nicht verpassen.
7. Wenn Youtuber zusammenstehen, dann Achtung
Die Unterhaltungsszene auf Youtube ist gut vernetzt. Youtuber drehen oft gemeinsame Videos. Aber so eine Reaktion wie im Fall Rezo ist selten. Zwei Tage vor der Europawahl, nach der ersten Reaktion der CDU, schlossen sich 90 wichtige Youtuber zusammen und veröffentlichten ein Solidaritäts-Video mit Rezo.
Sie riefen die Zuschauer auf, bei der Europawahl nicht Union, SPD oder AfD zu wählen. Das ist in der Szene überhaupt nicht selbstverständlich. Es zeigt die hohe Übereinstimmung mit den Standpunkten Rezos, und das in einer Szene, die sich normalerweise wenig mit Parteipolitik beschäftigt.
So etwas kommt selten vor. Ein Beispiel aber habe ich: Als der Youtuber Mert ein Video veröffentlichte, in dem er Homosexualität für unmenschlich erklärte, und sagte, er toleriere keine Schwulen, reagierten viele Youtuber und verbreiteten den Hashtag #LoveisLove, zum Beispiel der Youtuber IBlali. Merts Agentur schmiss ihn daraufhin raus. Man darf also nie die Macht unterschätzen, die von vernetzten Youtubern ausgeht.
Redaktion: Philipp Daum; Schlussredaktion: Vera Fröhlich; Bildredaktion: Martin Gommel.