1. Wir zahlen doch schon Ökosteuern und fördern über die Stromrechnung den Ausbau der erneuerbaren Energien. Reicht das nicht?
Wir müssen mehr tun. Tendenziell unterschätzen wir die Folgen des Klimawandels. Der US-amerikanische Klimajournalist David Wallace-Wells schreibt in seinem Buch „Die unbewohnbare Erde“: „Egal, wie gut Sie informiert sind, Sie sind nicht beunruhigt genug.“
Deutschland kann seine Klimaziele für das Jahr 2020 nicht mehr erreichen – obwohl das Land eine große Energiewende schon früh eingeleitet hatte. Wenn die Regierung keine radikalen Änderungen vornimmt, wird es auch mit den Zielen für 2030 nichts mehr. Bleibt die Bundesregierung untätig, drohen laut einem Bericht des Think Tanks Agora Energiewende Kosten von bis zu 60 Milliarden Euro. Schon jetzt stellt der Finanzminister Geld zurück, um 2020 erste Strafzahlungen an die Europäische Union überweisen zu können.
Gleichzeitig bemängeln Experten wie die Wirtschaftsweisen, dass es zu viele kleine Maßnahmen zum Klimaschutz gibt, die kaum noch ein Bürger durchschauen kann und die dem Klimaschutz manchmal eher im Wege stehen. Wir haben ein Wirrwarr aus Ökosteuern, Umlagen, Abgaben, Förderprogrammen, die momentan ihr Ziel verfehlen.
Inzwischen gibt es viele Menschen in Deutschland, die fordern, dass dieses ganze System geändert wird. Hier nur eine kleine Auswahl:
- die sogenannten Wirtschaftsweisen (die wichtigsten Wirtschaftsberater der Bundesregierung)
- Fridays for Future
- Joachim Wenning, der Vorstandschef von Münchener Rück, des größten Rückversicherers der Welt
- die SPD, die Grünen, die Linkspartei, die FDP, sehr große Teile der CDU
- einer Reform würden auch 62 Prozent der Bürger zustimmen (sogar 42 Prozent der AfD-Wähler wären dabei)
Dass eine Reform breite Unterstützung hat, hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erkannt. Sie sagte im Juni vor ihrer Fraktion, es müsse Schluss sein mit „Pillepalle“. Bis Ende des Jahres 2019 soll die neue deutsche Klimapolitik stehen. Ein eigens einberufenes Klimakabinett aus den Minister:innen für Umwelt, Bau, Verkehr, Landwirtschaft, Wirtschaft und Finanzen tagt nun regelmäßig.
2. Welche Ideen gibt es, damit Deutschland das Klima besser schützt?
Es gibt viele Ideen, dazu später mehr. Denn die gerade am meisten diskutierte ist, dass das Treibhausgas CO2 einen Preis bekommt. Das kann tatsächlich sehr wirkungsvoll sein. Um zu verstehen, wieso das so ist, hole ich mal etwas aus (wenn du es mir einfach glaubst, kannst du zur nächsten Frage springen):
Warum kostet Honig so viel wie er kostet? Aktuell gibt es das halbe Kilo für gut fünf Euro. Damit müssen die Imker bezahlt werden, diejenigen, die den Honig abfüllen, transportieren und am Ende verkaufen. Man würde denken: Mit dem Preis, den wir im Supermarkt für den Honig zahlen, sind auch wirklich alle Kosten abgedeckt. Sonst würde der Supermarkt ja irgendwann pleite gehen oder die Imker oder die Transporteure. Aber so ist es nicht. Es gibt versteckte Kosten – und die bezahlen wir alle.
Im Preis sind die Umweltschäden der Produktion nicht eingerechnet. Denn das Flugzeug, Schiff oder der Lkw, mit dem der Honig transportiert wird, stößt das Treibhausgas CO2 aus. Dieses CO2 sammelt sich in der Atmosphäre und heizt die Erde auf, es verursacht die Klimakrise, deren Folgen wir schon jetzt überall spüren können, wie wir hier beschrieben haben. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes beträgt der finanzielle Schaden einer Tonne CO2 180 Euro.
Diese Schäden zeigen sich in Deutschland indirekt. Zum Beispiel ruinieren Dürren die Ernten, Wasser überflutet die Dämme, oder plötzlich wird es wochenlang so kalt oder heiß wie lange nicht mehr. In Deutschland kümmert sich um diese Schäden im Moment noch der Staat. Er hat zum Beispiel im Dürrejahr 2018 den Bauern mit mehreren Hundert Millionen Euro geholfen. Aber der Staat hat ja auch nur das Geld, das er mit Steuern und Abgaben von seinen Bürgern einnimmt. Deswegen zahlen wir alle, egal ob reich oder arm, egal wie viel CO2 wir persönlich mit unserem jeweiligen Lebensstil ausstoßen.
Nun kommen Ideen wie die CO2-Steuer oder der Emissionshandel ins Spiel. Diese Vorschläge werden unter der sperrigen Überschrift einer „CO2-Bepreisung“ zusammengefasst. So eine Bepreisung bedeutet konkret: Die Regierung sorgt mit einem Gesetz dafür, dass die echten Kosten sichtbar werden. Das kann über eine Steuer geschehen, eine Abgabe oder einen anderen Mechanismus.
Unser Honig vom Beginn würde etwas teurer werden, je nachdem, wie viel CO2 bei seiner Produktion anfällt. Wenn aber etwas teurer wird – das ist das älteste Gesetz der Wirtschaft –, dann wollen es immer weniger Leute kaufen. Sie suchen dann nach billigeren Alternativen. Was würde nun beim Honig passieren? Der Honig, der von weit her kommt, wird viel teurer als der Honig, der in Deutschland hergestellt wird. Denn der Transport verursacht CO2. Die Menschen würden wohl mehr deutschen Honig kaufen, der weniger schädlich für das Klima ist.
Was wir gerade beschrieben haben, würde bei jedem nur denkbaren Produkt passieren, jeden Tag, millionenfach, jedes Mal, wenn jemand einkaufen geht: Klimaschädliche Produkte werden teurer, klimafreundliche Produkte billiger. Die Milliarden Kaufentscheidungen von Bürgern und Unternehmen und Behörden können so gesteuert werden, ohne mit aufgeblähten Gesetzen Preise für jedes nur denkbare Produkt festlegen zu müssen. Allerdings gibt der Staat hier auch Kontrolle ab; er könnte schließlich auch stärker eingreifen und bestimmte Dinge, die schlecht für das Klima sind einfach verbieten (z.B. Inlandsflüge) oder schneller beenden (z.B. Kohleausstieg schon 2025).
3. Was ist der Unterschied zwischen CO2-Steuer und Emissionshandel?
Der wichtigste Unterschied: Bei einer CO2-Steuer legt der Staat fest, wie viel eine Tonne CO2 kostet. Dezentrale Emissionen, etwa von Kühen, sind dabei in den meisten Modellen ausgenommen; sie beziehen sich meist nur auf die Verbrennung von Kohle, Öl, Gas. Der Staat würde bei der CO2-Steuer einen Preis bestimmen und den dann langsam von Jahr zu Jahr anheben – so könnten sich alle an die neuen Preise anpassen. Beim Emissionshandel überlässt man die sogenannte Preisfindung wiederum dem Markt, also dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage.
4. Wie genau würde der Emissionshandel ablaufen?
Hier legt die Regierung fest, wie viel CO2 pro Jahr ausgestoßen werden darf und gibt dann sogenannte CO2-Zertifikate aus. Jeder, der Kohlendioxid produziert, also zum Beispiel Kohlekraftwerke oder Stahlhütten, muss sich eine Erlaubnis dafür kaufen, aktuell zu einem Marktpreis von knapp 30 Euro pro Tonne (Stand: 17.7.2019, hier findet ihr den jeweils aktuellen Preis). Produzieren sie zum Beispiel wie das größte deutsche Braunkohlekraftwerk in Neurath (NRW) 30 Millionen Tonnen CO2, müssen sie sich 30 Millionen Zertifikate besorgen. Das CO2 würde hier teurer werden, indem die Regierung die Zahl der CO2-Zertifikate, also das Angebot, analog zu den jeweiligen Klimazielen verkleinert. In der Theorie gibt es nur eine geringe Anzahl an diesen Zertifikaten, und die Betriebe müssen sich ihre Erlaubnis, CO2 auszustoßen, teuer ersteigern.
Aber die Praxis sieht anders aus. Der Emissionshandel existiert in der Europäischen Union schon seit 2005. Doch er hilft im Moment nicht, das Klima zu schützen. Sein Effekt geht derzeit gegen Null, weil der Preis für CO2-Zertifikate jahrelang im Keller war. Dafür gibt es drei Gründe:
Erstens – Eine bestimmte, immer kleiner werdende Zahl an Zertifikaten wird von der EU verschenkt. Damit soll den Betrieben Zeit gegeben werden, ihr Geschäft an die neuen Kosten anzupassen. Die EU verschenkt aber so viele Zertifikate, dass manche Betriebe bereits weniger CO2 ausstoßen, als sie den geschenkten Zertifikaten nach maximal dürften. Die übriggebliebenen Zertifikate können sie verkaufen, ergo verdienen sie sogar noch etwas am Emissionshandel, ohne das Klima schützen zu müssen.
Zweitens – Darüber hinaus versteigert die EU zusätzliche Zertifikate. Konzerne sollen so die Freiheit haben, mehr CO2 ausstoßen zu können – müssen dafür aber eben mehr zahlen. Es gibt aber sowieso schon zu viele Zertifikate auf dem Markt. Das drückt den Preis.
Drittens – Nicht einmal die Hälfte aller CO2-Emissionen ist im Emissionshandel inbegriffen. Nicht darunter fallen unter anderem die Bereiche Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. Die EU reguliert so nur circa 50 Prozent des CO2-Ausstoßes.
Deswegen kursieren momentan mehrere Ideen, um den Emissionshandel zu reformieren. Die Wirtschaftsweisen plädieren in einem Gutachten dafür, ihn auch auf die Sektoren Verkehr und Gebäude auszuweiten. Das Gleiche schlägt der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums in einer Stellungnahme vor. Der entscheidende Vorteil eines Emissionshandels gegenüber einer CO2-Steuer: Die Regierungen können punktgenau bestimmen, wie viel CO2 ausgestoßen werden darf (über die Zahl der Zertifikate). Der entscheidende Nachteil: Es wird vergleichsweise lange dauern, das europäische Emissionshandelsystem zu reformieren, und auch künftige Regierungen müssen wirklich die Zahl der Zertifikate schrittweise senken. Eine CO2-Steuer könnte schon in wenigen Monaten eingeführt werden und hängt nicht vom politischen Willen der künftigen Regierungen ab.
5. Wer will eine CO2-Steuer einführen? Wer den Emissionshandel ausweiten?
Grüne und SPD sind für einen CO2-Preis. Die SPD bevorzugt eine nationale Steuer, die Grünen ein „nationales Preisinstrument“. Beide begründen das damit, dass mit einer Ausweitung des europäischen Emissionshandels das Thema auf die lange Bank geschoben werden würde.
Die Union ist gespalten. Armin Laschet, CDU-Vizevorsitzender, sprach sich für eine CO2-Bepreisung mit Sozialausgleich aus, Annegret-Kramp Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU, ist explizit gegen eine CO2-Steuer. Die CSU, ebenso wie die FDP, lehnt eine Steuer auch ab. Die Gegner der Steuer verweisen auf das Ziel, vor allem die Armen nicht mit weiteren Steuern zu belasten. Dabei scheint es ihnen aber mehr um das Wort „Steuer“ zu gehen, denn richtig umgesetzt, würde eine CO2-Abgabe die Armen sogar entlasten (dazu gleich mehr). Sie wollen stattdessen den europäischen Emissionshandel ausweiten.
Tatsächlich spielt das Wort Steuer in der Debatte eine größere Rolle als man es vermuten würde. Politiker, die wiedergewählt werden wollen, wollen oft keine neuen Steuern einführen, egal, ob das Geld wieder zurückfließt oder nicht. Es hört sich einfach nicht gut an. Schau mal in dieses Video. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hat für die Steuer gekämpft, sie aber durchweg als „Preis für Verschmutzung“ bezeichnet. Als er doch das Wort tax (Steuer) aus Versehen erwähnt, beginnt das Gejohle im kanadischen Parlament.
https://youtu.be/5ndd3YKEBxM?t=40
Zu einem ähnlichen Schluss kann man auch in Deutschland kommen. Als ARD/ZDF fragten, ob man die CO2-Steuer einführen sollte, waren 61 Prozent der Befragten dagegen. Doch als Germanwatch einige Wochen später die Frage umformulierte, sah das Ergebnis ganz anders aus. Einer „CO2-orientierten Reform der bestehenden Abgaben, Umlagen und Steuern auf Energie“ stimmten 62 Prozent zu. Sogar 46 Prozent der AfD-Wähler hielten das für eine sinnvolle Idee. Die Resonanz auf die CO2-Steuer hängt von der Formulierung der Politiker:innen ab.
6. Was würde ein CO2-Preis denn für mich bedeuten?
Um die Frage zu beantworten, muss man sich eine andere Frage stellen: Wie viel CO2 verbrauche ich selbst? Das kann man zum Beispiel hier ausrechnen. Wissenschaftler haben sich schon einmal angeschaut (hier findest du einen kompakten Überblick über ihre Studien), ob es da Muster gibt, also beim CO2-Verbrauch jeder Person. Sie haben festgestellt: Wer viel Geld verdient, verbraucht mehr CO2. Denn Menschen mit Geld können sich eher große Autos mit hohem Spritverbrauch und teure Flüge durch die ganze Welt leisten. Oft sind auch ihre Wohnungen größer, und die werden noch immer zu großen Teilen mit fossiler Energie beheizt.
Aber ein CO2-Preis beinhaltet noch eine andere Idee: Eigentlich alle Modelle sehen vor, dass die Bürger – also du und ich – das eingenommene Geld am Ende des Jahres in der ein oder anderen Form zurückbekommen: Jeder Mensch den gleichen Betrag, entweder als Ausgleich über die Stromrechnung oder Cash per Überweisung, da gibt es verschiedene Modelle.
Wichtig ist aber eben, dass sich hier bisher alle Experten einig sind: Die Einnahmen aus einem CO2-Preis müssen, da er Alltagsdinge wie Autofahren und Heizen teurer macht, wieder zurück an die Bevölkerung fließen. Der Staat sollte das Geld nicht einfach behalten, sonst schwinde die Unterstützung der Bevölkerung, so die Experten.
Was aber passiert nun, wenn etwa Vielflieger genau die gleiche Summe bekommen wie Menschen, die ihren Urlaub gerne vor der Haustür verbringen? Die Vielflieger zahlen drauf, denn sie haben mehr Steuern bezahlt als sie am Ende zurückkriegen, und die Menschen, die mit ihrem Verhalten nicht so viel CO2 produzieren, machen einen kleinen Gewinn. Und da gerade bei armen Menschen der sogenannte CO2-Fußabdruck klein ist, könnten sie mit der Steuer besser dastehen als ohne. Das heißt: Ein CO2-Preis kann helfen, die soziale Ungleichheit in Deutschland zu verringern.
7. Wie kann es sein, dass einkommensschwache Personen von der Steuer profitieren würden?
Weil sie – wie oben schon angesprochen – im Schnitt weniger CO2 ausstoßen als Reiche. In dieser Übersicht findest du Beispielrechnungen für 40 Euro pro Tonne. Solche Rechnungen unterscheiden sich immer wieder je nachdem, wie genau man die Rückzahlung gestaltet. Daher betrachte das hier nicht als letzte Wahrheit. Die Richtung ist eindeutig:
Eine Einschränkung gibt es aber: Menschen, die zu ihrer Arbeit mit dem Auto pendeln müssen, weil sie etwa auf dem Land wohnen, wo es nur miserable Bus- und Zugverbindungen gibt, würden durch die CO2-Steuer immer noch Verlust machen. Aber auch dafür gibt es Lösungen: Der Staat müsste öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn ausbauen und könnte Pendlern, für die es nicht zumutbar ist, auf Öffis umzusteigen, Steuern erlassen. Wenn er richtig mutig wäre, könnte der Staat sogar den kompletten Nahverkehr für Bürger kostenlos machen. Wie das geht, hat Hanna Gerwig hier beschrieben.
8. Mal ganz konkret: Welche Produkte würden denn wie teuer werden?
Das kommt darauf an, wie hoch der CO2-Preis sein wird. Dafür gibt es verschiedene Modelle: Die SPD-Umweltministerin Svenja Schulze stellt einen Betrag von 20 Euro pro Tonne in den Raum. Die Forderungen der Klimaschutzbewegung Fridays for Future sind radikaler: Sie verweisen auf den laut Umweltbundesamt echten Preis von CO2 und fordern eine Steuer von 180 Euro. Die bisherige Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, spricht von einer Abgabe in Höhe von 62 Euro. Erst ab diesem Preis könne man die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen, in dem sich alle Staaten der Welt verpflichtet haben, weniger CO2 auszustoßen.
In jedem Fall teurer würden Benzin, Erdgas, Heizöl werden. Der Strompreis könnte gleich bleiben oder sinken, je nachdem wie die Einnahmen aus der Bepreisung festgelegt werden.
9. Wer sagt denn, dass so ein Preis überhaupt funktionieren würde?
Bei Fragen zu CO2-Preisen gibt es meistens ein Vorbild: Schweden. Schweden ist das Land mit dem höchsten CO2-Preis in Form einer CO2-Steuer. Für eine Tonne CO2 muss man dort 124 Euro zahlen. Seit der Einführung des CO2-Preises 1991 sanken die Emissionen von Treibhausgasen um 36,9 Prozent. Und die Wirtschaft? Bekam Steuererlasse von bis zu 60 Prozent und florierte auch trotz der CO2-Klimaschutz-Regelungen.
Der Haken: In Deutschland sind auch ohne CO2-Steuer im gleichen Zeitraum die Emissionen um immerhin 28,8 Prozent gesunken. Somit senkte Schweden seine CO2-Emissionen trotz Steuer nur um 8 Prozentpunkte mehr. Ist ein CO2-Preis also doch nicht so wirksam?
Nein, er funktioniert. Schwedens Emissionen sind seit Anfang an deutlich unter dem Niveau Deutschlands. Das Bild wird klarer, wenn man die Gesamt-Emissionen eines Landes nimmt und durch die Bevölkerungszahl teilt. Dann ergibt sich bei Schweden im Jahr 1990 ein Wert von 8,4 Tonnen CO2, oder vergleichbare Emittenten, pro Person. In Deutschland ist der Wert fast das Doppelte: 15,5 Tonnen CO2.
Obwohl also Schwedens Emissionen deutlich geringer sind als die deutschen, schaffte das Land es, die Emissionen noch weiter zu senken.
In der Schweiz lässt sich die Wirkung eines CO2-Preises noch besser beobachten. 2008 wurde dort eine CO2-Steuer eingeführt. Hier zahlt man pro Tonne CO2 umgerechnet rund 96 Euro. Das eingenommene Geld wird als Ökobonus gleichmäßig zurückgezahlt. Zwei Drittel des Geldes gehen direkt an den Bürger zurück, das letzte Drittel wird genutzt, um Gebäude umweltfreundlich zu sanieren. 1991 waren die Emissionen des Landes bei 53,6 Millionen Tonnen. 2008, als die CO2-Steuer eingeführt wurde, lagen sie sogar noch etwas höher, bei 54 Millionen Tonnen. Doch nach der Einführung gab es einen rasanten Knick im Graphen: 2017 emittierte die Schweiz nur 47,24 Millionen Tonnen.
In Frankreich steht die existierende CO2-Steuer in der Kritik. Dort zahlt die Regierung das eingenommene Geld nicht an die Bürger zurück, sondern finanziert damit den Ausbau erneuerbarer Energien. In dieser Form trifft die Steuer einkommensschwache Personen besonders hart. Denn auf Flüge nach Australien kann man verzichten, aber auf Essen und andere Dinge nicht. Arme Menschen müssen einen höheren Anteil des wenigen Geldes, das sie haben, für die CO2-Steuer ausgeben. Beispiel: Wenn ein Kilo Brot durch die Steuer um sagen wir 10 Cent teurer wird, dann ist das für jemanden, der 3.000 Euro im Monat verdient, egal, aber nicht für jemanden, der vielleicht nur ein paar Hundert Euro vom Staat bekommt.
Wenn man nun, wie Frankreich es getan hat, die Steuer zwar erhebt, aber eben nicht an die Menschen zurückzahlt, kann es zu Problemen kommen. In Frankreich begannen so die Gelbwesten-Proteste.
Wegen dieser Proteste wird Präsident Emmanuel Macron die Steuer anders als geplant im Jahr 2019 nicht anheben. Trotzdem erhebt die französische Regierung immer noch aktuell 45 Euro pro Tonne CO2 – was immer noch 45 Euro mehr sind als in Deutschland.
10. Werden Vielverbraucher dann ihr Verhalten ändern müssen?
Ja und Nein. Für die Einkommensstärksten würde ein CO2-Preis kaum eine Rolle spielen. Absolut zahlen sie zwar mehr als der Durchschnittbürger, aber verglichen am Einkommen kann der Betrag gering ausfallen. Und das, obwohl es diese Bevölkerungsgruppe ist, die durchschnittlich am meisten CO2 ausstößt. Es könnte also sein, dass ein CO2-Preis allein nicht dazu führt, dass die Reichsten weniger CO2 ausstoßen. Aber: Es ist auch nicht die Idee einer CO2-Bepreisung, das Verhalten nur einer gesellschaftlichen Gruppe gezielt zu verändern, sondern das Verhalten aller. Erst dadurch macht die Reform einen Unterschied.
Und hey, wenn ein Flug erster Klasse nach Australien hin und zurück durch einen CO2-Preis plötzlich Tausende mehr kostet, würde das vielleicht nicht das oberste ein Prozent mit seinem Riesenvermögen interessieren. Aber die Wohlhabenden, die viel haben, aber nicht soooo viel, sicher schon.
11. Würde eine CO2-Steuer die deutsche Wirtschaft schwächen?
Das ist möglich, aber muss nicht passieren. Es gibt mehrere Faktoren, die dagegen sprechen. Vor allem die Porter-Hypothese: Der US-amerikanische Ökonom Michael Porter verbreitete die Theorie, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen eines Landes erhöhen kann, wenn die Regierung umweltpolitische Maßnahmen ergreift. Denn wenn weniger CO2 ausgestoßen werden darf, müssen Konzerne erfinderischer werden und ihre Produktionsketten effizienter aufbauen. Mit dem Zwang aus der Politik werden so kurzfristig belastende, aber langfristige vernünftige Entscheidungen häufiger getroffen.
Man müsste natürlich abwägen, wie hoch die Steuer für Konzerne sein könnte. Denn ab einem gewissen Betrag wird die Industrie so sehr belastet, dass das im internationalen Vergleich nicht mehr aufgewogen werden kann. Vorbild könnte Schweden sein, wo Steuererlasse für international konkurrierende Konzerne von bis zu 60 Prozent existieren.
Eine andere Methode, um einheimische Unternehmen nicht zu benachteiligen, wäre der Grenzausgleich: Exportieren hiesige Unternehmen ihre Produkte ins Ausland, bekommen sie einen Erlass in Höhe des CO2-Preises, bei Importen wiederum wird die jeweilige Summe draufgeschlagen.
Der Industrie-Riese Siemens hat sich, ebenso wie die meisten DAX-Unternehmen, bereits für eine CO2-Steuer ausgesprochen. Einige der größten Unternehmen der Erde wie Coca-Cola, H&M oder Nestlé setzen schon jetzt freiwillig CO2-Preise in ihren Berechnungen ein (hier findet ihr die Liste).
12. Geht denn ein CO2-Preis überhaupt weit genug?
Alle Experten sind sich einig, dass Deutschland seine Klimaschutzziele nicht ohne einen CO2-Preis erreichen wird. Viele glauben aber auch, dass ein CO2-Preis allein nicht reichen wird. So ziehen gerade Klimaaktivisten wie zum Beispiel Ende Gelände stärkere Eingriffe vor. Sie wollen sich nicht auf die eher indirekte Steuerung durch Marktmechanismen mit der CO2-Bepreisung verlassen, sondern fordern etwa einen direkten Kohleausstieg schon 2025.
Der Naturschutzbund, der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Gewerkschaft IG Metall haben in einer seltenen gemeinsamen Stellungnahme gefordert, dass die Regierung mehr investiert, in neue Energiespeichersysteme, den öffentlichen Nahverkehr. Gleichzeitig wenden sich die drei Organisationen aber auch gegen eine Ausweitung des Emissionshandels auf Verkehr und Gebäude. Die Linkspartei würde gerne Ölförderung mit Fracking verbieten und Subventionen für den Flugverkehr streichen. Die Grünen fordern unter anderem ein Klimaschutzgesetz, das auch künftige Regierungen in die Pflicht nimmt.
Eine unkonventionelle Idee hat Claudia Kemfert, Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit. Sie schlägt in diesem Gastbeitrag für Capital vor: Man könne die staatliche Unterstützung für umweltfeindliche Produktionen streichen und das freigewordene Geld jährlich an den Bürger auszahlen. Mit diesem Vorschlag bekäme jeder 700 Euro pro Jahr.
Wir könnten die Aufzählung jetzt noch sehr lange fortsetzen. Es gibt schon seit Jahrzehnten viele gute Ideen, um den CO2-Ausstoß Deutschlands zu senken. Daran scheitert es nicht. Inzwischen gibt es sogar auch klare Mehrheiten in Deutschland für Klimaschutz, wie diese Umfrage zeigt. Neun von zehn Deutschen halten ihn für besonders dringend. Allein, was im Moment noch fehlt: die politische Umsetzung.
Redaktion: Rico Grimm; Schlussredaktion: Vera Fröhlich; Bildredaktion: Martin Gommel.