Warum wir Europa-Reporter suchen
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Warum wir Europa-Reporter suchen

Das nächste Jahr könnte der Anfang vom Ende der EU sein – oder ihre Rettung. Deswegen suchen wir Reporter, die für uns und unsere Mitglieder ganz genau hinschauen.

Profilbild von Sebastian Esser
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In der EU ist immer Krise. Seit sich die europäischen Staaten zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen haben, gibt es die Warnung vor dem Rückfall in dunkle Zeiten. Weil also seit inzwischen fast 70 Jahren von Krise die Rede ist, hört natürlich niemand mehr richtig zu.

Aber wie das Sprichwort sagt: Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, dass sie nicht hinter dir her sind. Seit einiger Zeit ist sie tatsächlich da, die große Krise. Die Briten verlassen die EU. Die Menschen in Griechenland und weiteren Ländern des Südens durchleiden furchtbare wirtschaftliche Miseren. In Polen und Ungarn regieren xenophobe Populisten. In Frankreich kommt eine rechtsextreme Europa-Feindin um ein Haar an die Regierung. Ein Auseinanderfallen Europas ist auf einmal tatsächlich vorstellbar.

Aber es gibt Hoffnung, und sie kommt aus Frankreich. Die Franzosen haben ihre politische Klasse in die Wüste geschickt und einen Präsidenten gewählt, der zur Neugründung Europas aufruft. Emmanuel Macron beschreibt Europa – in seinen Reden an der Humboldt-Universität im Januar, vor der Akropolis im Sommer, an der Sorbonne im Herbst – als letzte verbliebene Insel der Vernunft, als Kontinent der Liberalität, des Sozialstaats, der Cafés und Marktplätze. Und er erkennt das Jahr 2018 als Zeitfenster, um die Europäische Union zu retten. Nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland, vor der Europawahl 2019, will er mit ganz Europa über unsere gemeinsame Zukunft diskutieren.

Macron riskiert für Europa alles

Machen wir uns klar, was da passiert: Macron setzt im Namen der Franzosen vollständig auf die Karte Europa. Er riskiert alles: sein politisches Schicksal, vor allem aber das Vertrauen seiner Landsleute in europäische Solidarität. Es ist ein Angebot und gleichzeitig ein Hilferuf, der eigentlich über die Grenzen dessen hinausgeht, was eine stolze Nation wie Frankreich verkraften kann.

Nach Jahrzehnten der wirtschaftlichen Stagnation und des politischen Niedergangs, nach den Massakern in der Redaktion von Charlie Hebdo und dem Club Bataclan, Terroranschlägen mit hunderten Toten und Verletzten, sucht Frankreich seine Rettung in Europa, nicht im Nationalismus. Weisen die anderen Europäer diese Initiative zurück, wird sie für lange Zeit die letzte gewesen sein. Jetzt oder nie, alles oder nichts, das sagt Macron seit einem Jahr immer wieder und wieder.

Macrons Hilferuf richtet sich an Deutschland. Schon vor seiner Wahl umwarb er die deutsche Kanzlerin. Seine gesamte Regierungsmannschaft ist darauf ausgerichtet, eine Übereinkunft mit Berlin zu finden. Sein Premierminister, sein Wirtschafts- und Finanzminister, sein außenpolitischer Berater sprechen fließend Deutsch. Die diplomatischen Bemühungen richteten sich vor der Bundestagswahl darauf zu verhindern, dass die Deutschen sich in den Koalitionsverhandlungen auf Dinge festlegen, die eine europäische Einigung erschweren würden.

Auf Macrons Angebot ist Deutschland schlecht vorbereitet. Wie die Franzosen, verlieren auch wir langsam die Nerven. Der politische Ton verschärft sich. Parteien wie die FDP und die CSU warben mit EU-skeptischen Positionen um Stimmen. Um ein Haar hätten die Jamaika-Verhandler die Ablehnung der französischen Vorschläge zur Koalitionsbedingung gemacht. Eine stabile Regierung ist noch immer nicht in Sicht.

Die Deutschen verschließen die Augen

Jeder scheint zu wissen, warum eine EU-Reform völlig aussichtslos und ausgeschlossen ist. Gleichzeitig fordern gerade die Politiker, die Zwangssparen und wirtschaftlichen Strafen für kluge Europapolitik erklären, die EU müsse Deutschland endlich vor Einwanderern schützen. Je deutlicher es wird, dass selbst starke Nationalstaaten allein nicht mehr handlungsfähig sind, desto starrer beharren wir auf Rezepten für ganz Europa, die nur für die Deutschen funktionieren. Der Krisengewinnler – niedrige Zinsen haben das deutsche Exportwunder ermöglicht – verschließt in seiner Selbstzufriedenheit die Augen vor dem, was im gemeinsamen Interesse ist. Man denkt national, nicht europäisch.

Wie wird Deutschland auf Frankreich antworten? Wären die anderen Europäer bereit, dem Duo zu folgen? Wird 2018 eine Sternstunde der europäischen Geschichte? Oder das Jahr, in dem das Ende der EU eingeleitet wird?

Das ist das große Thema des kommenden Jahres. Krautreporter wird es intensiv bearbeiten. Dank der vielen neuen Mitglieder – KR ist in diesem Jahr um mehr als 50 Prozent gewachsen – können wir eine Stelle für eine Reporterin oder einen Reporter schaffen, die oder der in Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partner-Magazinen ein Jahr lang die Entwicklung zwischen Berlin, Paris und Brüssel eng begleitet, ihre Protagonisten beschreibt und dafür sorgt, dass wir den großen Zusammenhang verstehen.

Bewerbungen bitte ausschließlich über dieses Formular:

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Foto: Flickr / Jeso Carneiro