Die USA können Assad nicht einfach ausschalten
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Die USA können Assad nicht einfach ausschalten

Seit 2011 tobt in Syrien ein Bürgerkrieg und ein Ende ist nicht absehbar. Den syrischen Machthaber zu eliminieren, wäre aber auch keine Lösung. Warum das alles nur noch schlimmer machen würde, erklärt der Konfliktforscher David Alpher von der amerikanischen George Mason University.

Profilbild von David Alpher

Als Anfang April 2017 in Syrien chemische Waffen eingesetzt wurden, vollzog die Trump-Regierung eine Kehrtwende in ihrer noch ganz frischen Außenpolitik. Innerhalb von 24 Stunden erklärten die USA erst das Assad-Regime für den Einsatz der Chemiewaffen verantwortlich und griffen dann dessen militärische Ziele mit Raketen an. Die Zahl der Angriffe war begrenzt, es kamen jedoch auch Gerüchte auf, wonach an Plänen gearbeitet würde, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad auszuschalten. Es „scheint so, als sei es nicht länger seine Aufgabe, das syrische Volk zu regieren“, sagte US-Außenminister Rex Tillerson am 6. April.

So hoch der Preis auch für die Untätigkeit der vergangenen sechs Jahren war, seitdem die Aufstände des Arabischen Frühlings auf Syrien übergegriffen haben, so zeigt die jüngste Geschichte doch, dass eine übereilte Beseitigung von Assad ein noch größerer Fehler wäre. In den 16 Jahren, in denen ich mich mit hochkomplexen Konflikten wie dem Krieg in Syrien auseinandergesetzt habe, ist mir noch keine Ausnahme von dieser Regel untergekommen.

Libyen zeigt, wie es weitergehen könnte

Assad ins Visier zu nehmen, würde vermutlich in einer ähnlichen Katastrophe münden, wie wir sie in Libyen nach dem Fall Muammar al-Gaddafis erlebt haben. In Libyen gab es keine richtige Zivilregierung, um die Strukturen zusammenzuhalten. Darum brachen die Stammes-Allianzen auseinander und vier Konfliktparteien kämpfen seither um die Macht. Mit der wachsenden Präsenz des Islamischen Staates hat sich der Konflikt noch zugespitzt.

Das Machtvakuum, das auf eine abrupte und unkluge Beseitigung Assads folgen würde, könnte also schlimmer sein als der aktuelle Krieg. Außerdem würde es den ohnehin günstigen Nährboden anreichern, auf dem sich extremistische und paramilitärische Kräfte organisieren und ausbreiten können.

Assad sollte nicht an der Macht bleiben – das stellt er seit sechs Jahren unter Beweis. Der Giftgasangriff auf die syrische Stadt Chan Scheichun im April 2017 ist nur eine weitere Schandtat auf einer langen Liste von Menschenrechtsverletzungen. Aber er sollte Teil des politischen und rechtlichen Prozesses sein, der ihn schlussendlich beseitigt. Dieser Prozess muss von den Syrern selbst angestoßen werden, nicht von außen. Assads Abtreten sollte mit der Führung der syrischen Zivilgesellschaft verhandelt werden, um den Machtanspruch einer künftigen Zivilregierung zu legitimieren. Assad sollte vor syrischen Gerichten zur Verantwortung für seine Missetaten gezogen werden.

Warum?

In der Politik gibt es kein Machtvakuum

Anders als in einem Schachspiel, bedeutet es im Krieg nicht das Ende, wenn der König fällt, sondern nur einen weiteren Anfang. Die Vorstellung, Syrien existiere noch so wie auf der Landkarte, ist eine Illusion. Ein Teil des Territoriums wird von der Regierung gehalten, ein zweiter Teil ging an den islamischen Staat verloren, ein dritter befindet sich in den Händen der Rebellen.

Diese drei Teile werden nicht einfach zusammenfinden, wenn die Kämpfe plötzlich morgen enden. Die Spannungen unter den Rebellengruppen – die bereits hoch sind – und zwischen Pro- und Anti-IS-Kräften werden nur noch steigen, wenn ein Kämpfer aus dem Feld entfernt wird. Wir können allenfalls Vermutungen anstellen, auf welche Seite sich Assads Soldaten schlagen werden, wenn ihr Führer abgesetzt wird.

Damit Assads Rückzug von Vorteil ist, muss er im Rahmen eines ausgereiften Plans geschehen, der von den Syrern selbst ausgearbeitet ist. Nur so kann die Gewalt eingedämmt werden, nur so ist die Rückkehr zu einer syrischen Führung und Sicherheit möglich. Diesen Plan gibt es derzeit noch nicht.

Von außen aufgezwungene Lösungen funktionieren nie

Die internationalen Krisen haben wiederholt gezeigt, dass Lösungen für komplizierte Probleme nicht von außen auferlegt werden können. Denn sie sind dann nicht nachhaltig und schaden oft. Lösungen müssen aus der Zivilgesellschaft eines Landes kommen. Andernfalls untergräbt man die Systeme von Politik und Gerechtigkeit, die notwendig sind, um die Bevölkerung auf lange Sicht zusammenzuhalten.

Gegenwärtig ist wenig von der syrischen Zivilgesellschaft übrig. Aber die Gemeinderäte bilden weiter das Bindegewebe, das das Land in Gebieten zusammenhält, die nicht von Assad kontrolliert werden. Diese Organisationen können aus dem Stand dafür sorgen, dass neue demokratische Institutionen entstehen.

Der klassische Grundsatz der US-Strategie lautet, niemals militärische Aktionen zu unternehmen, ohne den gewünschten Endzustand klar vor Augen zu haben. Von allen möglichen Aktionen, die die USA wählen könnten, ist der Regimewechsel der trügerisch einfachste – aber er taugt nicht als Endzustand. Tatsächlich würde er zu Chaos und Gewalt in einem Ausmaß führen, das schwer zu kontrollieren wäre, selbst wenn mehrere Länder militärisch zusammenarbeiteten.

Libyen und auch der Irak haben das allzu deutlich gezeigt. Sie fielen trotz der Bemühungen – oder vielleicht aufgrund der Bemühungen – internationaler Koalitionen ins Chaos. Raketenangriffe wie Anfang April verstärken nur das Gefühl von Krise und Verwirrung, weil jeder – von den Syrern über die Russen bis zu den Amerikanern selbst – sich fragt, was wohl der nächste Schritt sein wird. Am meisten Anlass zur Sorge gibt die Frage, ob Trump selbst weiß, was er als nächstes tun wird und warum.

Wohin steuert das US-Staatsschiff?

Es dauerte eine Weile, bis die Trump-Regierung alle hochrangigen diplomatischen Posten vergeben hat. Aber auf diese Positionen ist das Außenministerium angewiesen, um sich gegen das Verteidigungsministerium in Fragen des zu steuernden Kurses durchzusetzen. Außerdem stimmen sich die Diplomaten mit internationalen Partnern ab, um Kommunikationsfehler und Fehltritte minimal zu halten. Sie liefern die dringend benötigten Analysen über Dynamiken und Veränderungen in Konfliktzonen. Es ist ebenfalls ihre Aufgabe, im Fall von zeitgleich stattfindenden Militäraktionen versehentliche Zusammenstöße mit internationalen Akteuren wie Russland so weit wie möglich zu vermeiden.

Die Infrastruktur, die Assad für seine Offensiven nutzt, kann nicht durch irgendeine beschränkte und schnelle Militäraktion zerstört werden. Die Angriffe des Machthabers sind zu verstreut und zahlreich. Solange die Vereinigten Staaten nicht bereit sind, sich nachhaltig und koordiniert zu engagieren oder sich mit ihrer ganzen Autorität für politisches Ende des Krieges einzusetzen, sind US-Raketeneinsätze eine leere Geste. Allerdings würde auch eine andauernde und umfangreiche Militäraktion nicht zu Frieden und Sicherheit führen, sondern US-Soldaten auf das syrische Schlachtfeld schicken, das ein einziges großes Kreuzfeuer ist. Eine Situation, die die Absurdität des Krieges mehr als deutlich macht.

Die Tatsache, dass die USA im April sozusagen die Eröffnungssalve gefeuert haben, schränkt die Möglichkeiten der amerikanischen Regierung ein. Doch nur der politische Prozess zeigt einen Ausweg aus der verfahrenen Situation; dieser Weg muss jetzt mit Nachdruck verfolgt werden. Es dient weder dem syrischen Volk noch der internationalen Sicherheit, wenn über Nacht eine Situation entsteht, die überstürzte Entscheidungen verlangt. Das würde die ohnehin verfahrene Lage in Syrien nur verschlechtern.


Diesen Artikel veröffentlichte in Englisch The Conversation. Hier könnt Ihr den Originalartikel lesen. Übersetzt haben den Text Vera Fröhlich und Mara Löffler. Das Bild hat Martin Gommel ausgesucht (iStock/ jcarillet)

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