Als ich mein neues Hobby gestehe, fragt mich mein Freund, ob er sich Sorgen machen müsse. Meine beste Freundin guckt mich ungläubig an. Die Kollegen schweigen taktvoll. Und ich selbst frage mich, wie es so weit kommen konnte.
Ich bin nie ein großer Fan von Instagram gewesen. Ich wusste, dass man dort bunte Bildchen von zu dünnen Frauen, zu perfekten Stränden und zu teurer Kleidung anschauen kann. Ehrlich gesagt, dachte ich immer: „Wer hat denn Zeit für so einen Quatsch? Ich jedenfalls nicht!“ Ziemlich arrogant von mir. Aber, wie heißt es noch gleich: Hochmut kommt vor dem Fall. Beziehungsweise in meinem Fall: Hochmut kommt vor Donald Trump.
Denn seit der 45. Präsident der Vereinigten Staaten gewählt wurde und seit die ganze westliche Welt damit beschäftigt ist, jedes Wort, jeden Handschlag und jede „Fake News“ von Donald Trump zu analysieren, beschäftigt mich eine ganz andere Sache. Nämlich ausgerechnet ein Instagram-Account. Mit dem Sieg von Donald Trump zog nicht nur ein Narzisst erster Güte in die Politik ein – sondern auch ein neues Hobby in mein Leben: Jetzt liege ich jeden Abend mit meinem Smartphone im Bett und wische mich durch die neuesten Instagram-Bilder von Ivanka Trump. Einmal nahm ich sie sogar mit in die Badewanne. Anfangs heimlich, natürlich. Weil die ganze Sache mir so peinlich war. Instagram und ich! So eine Oberflächlichkeit! Und dann auch noch ein Trump-Sprössling!
Irgendwann outete ich mich mit meinem neuen Hobby; die Heimlichtuerei wurde zu offensichtlich. Wenn ich jetzt allein bin mit Ivanka, schaue ich mir mit einer Mischung aus Faszination und Empörung die Bilder der 35-Jährigen an, immer noch. Kopfschüttelnde Faszination, weil ihr Instagram-Account die personifizierte Perfektion abbildet. Egal, ob im Weißen Haus im modern-raffinierten Kostüm und auf High Heels, egal, ob zu Hause vorm Kamin im Pullover oder beim Weihnachtsurlaub am Strand im Hängekleidchen: Auf jedem einzelnen Bild wirkt Ivanka schön und perfekt. Immer. Haare, Make-up, Zähne, Outfit, Haltung: Stets umweht sie ein Hauch Glamour, eine Portion Luxus.
Ivanka will Frauen angeblich empowern, doch ist sie diejenige, die am meisten profitiert
Sie inszeniert auf Instagram aber nicht nur sich selbst, sondern auch ihre komplette Familie. Mein „Lieblingsbild“ ist jenes, in dem die komplette Familie in Palm Beach, Florida, zum ersten Mal aus der präsidialen Air-Force-Maschine steigt. Ivanka trägt einen blütenreinen Mantel in Weiß, dazu eine große Sonnenbrille und Baby Theodor auf dem Arm, Arabella läuft an ihrer Hand. Ein paar Stufen voraus steigt ihr Mann die Treppe zur Landebahn hinab, den anderen Sohn an der Hand. Beide Eltern lächeln, weich und warm fällt das Licht der untergehenden Sonne Floridas auf die Familie. Wüsste man als Betrachter nicht, dass die fünf Menschen auf diesem Bild in der abgebildeten Konstellation tatsächlich existieren, läge die Annahme sehr nahe, das Foto sei einer lupenreinen Hochglanz-Werbekampagne entsprungen. Die vielleicht dafür kämpft, die Institution heteronormative Familie ebenso hochzuhalten wie das Bild der perfekten Mutter, die alle Aufgaben, also Kinder, Karriere, Beziehung, scheinbar ohne Mühe und stets mit dem Perlweiß-Lächeln und der glänzenden Haarpracht einer Ivanka Trump erfüllen kann.
Eine schrecklich perfekte Familie. Quelle: Instagram
Genau das ist der Punkt, an dem meine Empörung einsetzt. Ivanka Trump erschafft – und verkauft! – ein Bild von sich, das modern und empowernd wirken soll. Sie bezeichnet sich auf Instagram als „Entrepreneur + passionate advocate for the education and empowerment of women and girls“, also als „Unternehmerin und leidenschaftliche Anwältin für die Bildung und Ermutigung von Frauen und Mädchen“. Doch gleichzeitig transportiert sie ein Bild, das in Kombination mit dieser Aussage falscher nicht sein könnte.
Denn es ist die eine Sache, sich allein als schöne Frau und Businesswoman zu inszenieren. Ivanka Trump aber geht darüber hinaus den anderen Weg: Sie inszeniert sich über ihre Kinder, als noble Familienmutter. Das ist die Rolle, für die sie neben ihrem Aussehen am meisten soziale Anerkennung einsammelt, wie die Kommentare zu ihren Bildern bezeugen. Das aber entspricht einem Frauenbild, wie es besser in die 50er oder 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts passt als in die Jetzt-Zeit, damals, als die einzige Chance von Frauen, soziale Anerkennung zu erhalten, darin bestand, die Kinder gut zu erziehen, hübsch auszusehen und eine Repräsentation des trauten Familienglücks nach außen zu leisten. Oder eben über das Renommee ihrer Familienväter und Ehemänner.
Ein bisschen Slogan, ein wenig Engagement – und vor allem ein gutes Marketing
Wieso all das wichtig ist? Weil sich niemand großartig für die wahre First Lady, Melania Trump, interessiert. Die repräsentiert ohnehin ein Frauenbild, das noch reaktionärer ist als das ihrer Stieftochter; verschwindet sie doch hinter ihrem Mann, schweigt und fällt vor allem durch eines auf: Nichtanwesenheit. Und so ist es Ivanka Trump, auf die sich in den kommenden vier Jahren alle Augen richten werden, wenn es um die weibliche Seite im Weißen Haus geht. Doch deren Engagement, das laut eigenen Angaben allen Frauen dienen soll, nutzt vor allem einer Person: ihr selbst.
Lässt sich doch Ivankas Modelinie sowie ihr zweites Buch, das für diesen Mai angekündigt ist und den Titel Women who work trägt, mit ihrem Image der glamourösen Karriere-Mommy viel besser bewerben als ohne. Boykotte wie den der Firma Nordstrom, die Ivankas Modelinie vor einigen Wochen aus ihrem Sortiment strich, werden dem keinen Abbruch tun; die Trump-Tochter hat gut vorgesorgt und weiß, auch dank Instagram, eine Fanbase hinter sich, die einfach zum Gegenangriff übergeht und dazu aufruft, ihre Produkte zu kaufen.
Schon 2014 hatte die tüchtige Tochter auf ihrer Homepage die Bilderkampagne #womenwhowork ins Leben gerufen. In einem Video kommen dort 13 erfolgreiche Frauen zu Wort, die in kurzen Statements über die Vereinbarkeit von Job und Familie sprechen. Dazu gibt es auf der Ivanka-Trump-Webseite Yoga-Übungen, im Segment „Travel“ Rezepte für den Strand oder Tipps, wie Frau am meisten aus ihrem Business-Trip rausholen kann und, wer hätte das gedacht, gleich noch einen Style-Bereich, in dem die arbeitende Frau alle möglichen Produkte aus der Ivanka-Trump-Linie anschauen kann. Wie praktisch – für Ivanka.
Ivanka Trump ist bald der Name eines chinesischen Dachziegels – und ein falsches Vorbild für junge Mütter
Die älteste Tochter von Donald Trump ist so einiges: eine Frau mit Stil, ehemaliges Model, Mutter, Modeschöpferin, studierte Wirtschaftswissenschaftlerin, Geschäftsfrau, schmuckes Beiwerk ihres Vaters, laut Frankfurter Allgemeinen Zeitung bald vielleicht auch der Name eines chinesischen Dachziegels. Was sie aber mit Sicherheit nicht ist: eine Repräsentantin für moderne Frauen, vor allem nicht für Mütter. Denn die haben längst erkennen müssen, dass sie eben nicht alles so einfach haben können, eine perfekte Karriere und dazu auch noch die perfekten Kinder.
Ivanka Trump versteht sich selbst als Inspiration für moderne Mütter, die Beruf und Familie anstreben – und straft diese doch mit Hohn. Das Bild, das sie erschafft und vertritt, ist eines, das lediglich die Mütter erreichen können, die einer Elite angehören. Die also über genug Geld verfügen, sich beispielsweise eine Kinderfrau, eine Haushaltsangestellte, eine Putzhilfe, einen Reserve-Babysitter oder alles zusammen leisten zu können. Denn, sind wir doch mal ehrlich: Macht eine Mutter Karriere, dann braucht sie in der Regel nicht nur einen Partner, der sie dabei unterstützt, sondern auch weitere Hilfe von außen. Vor allem in den USA, wo es anders als bei uns in Deutschland kein gesetzliches Recht auf bezahlten Mutterschutz und Elternzeit gibt. Wissenschaftler nennen das Phänomen, wenn eine einzige Frau beruflich aufsteigt und dafür eine, zwei oder mehrere Frauen einspannt, die ihr den Rücken freihalten und die Arbeit im Haushalt erledigen, „Care-Kette“. Man kann darüber nur mutmaßen, wie lang Ivankas persönliche Care-Kette wohl ist. Kurz aber dürfte sie sicher nicht sein.
Doch auch die arbeitende Seite an ihr kann kein Vorbild sein, beruht ihr Erfolg doch nicht zuletzt auf den Beziehungen ihres Vaters. Und damit auf der Hilfe und dem Status eines Mannes. Wenn Ivanka also, wie jüngst geschehen, an einem Runden Tisch Platz nimmt, an dem Chefinnen kleiner lokaler Unternehmen sitzen, oder bei einem Treffen mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau dabei ist, dann nur, weil ihr Vater eben als Präsident der USA regiert.
Wie ein kleines Mädchen zwischen zwei mächtigen Männern. Quelle: Instagram
Zählt man diese Überlegungen zusammen, endet man bei dem Fazit, dass Ivanka Trump am ehesten als smarte Barbiepuppe der Konservativen durchgehen kann. Mehr aber auch nicht. Bastelt sie durch ihr Image doch genau an jener Perfektionsfalle mit, in die viele andere westliche Mütter heute geraten. Und damit präsentiert sie eben kein neues Bild. Sondern ein altes, das schlicht in einem neuen, blütenreinen Mantel auf High Heels daherkommt, ein paar Hochglanz-Fotos aus dem Weißen Haus als schicke Accessoires noch oben drauf.
Wir brauchen neue, unperfekte Mutterbilder, damit der Druck auf Mütter abnimmt
Die britische Kulturwissenschaftlerin Angela McRobbie hat einmal in einem Interview des Magazins der Süddeutschen Zeitung folgende kluge Beobachtung aufgestellt: „Es hat eine Verschiebung stattgefunden: weniger Reproduktion, mehr Produktion. Im Gegensatz zu Männern müssen Frauen darüber hinaus noch sich selbst und allen anderen ständig beweisen, wie perfekt sie sind. […] Ihre Selbstkontrolle ist strenger als jede Kontrolle von außen. Damit sind sie die perfekten Mitglieder einer neoliberalen Gesellschaft.“
Ivanka Trump ist der real gewordene Beweis für diese These. Und deswegen eine Mogelpackung. Das ist mehr als schade, denn was wir brauchen, sind andere, tatsächlich neue Vorbilder. Damit der Druck auf Mütter, die sich emotional aufreiben, weil sie denken, stets perfekt sein zu müssen, endlich geringer wird. Die Mütter aus dem Film Bad Moms wären solche Vorbilder, zum Beispiel. Sie sind überfordert, unsicher, teilweise von ihren Männern getrennt, es gibt Szenen im Film, da besaufen sie sich, lassen sich gehen, wollen nicht mehr die perfekte Mutter sein – und lieben ihre Kinder am Ende natürlich trotzdem aus vollem Herzen. Nur, weil sie nicht perfekt sind, sind sie nicht die schlechteren Frauen oder Mütter. Bloß die realistischeren. Genau das wäre mal eine Botschaft, deren Verinnerlichung wirklich allen Frauen nützen würde.
Ich erkläre mein neues Hobby deswegen zu meinem alten. Fortan schaue ich keine Instagram-Bilder mehr von Ivanka Trump an, wenn ich in der Badewanne liege. Sondern tue etwas, das ich früher viel öfter getan habe, aber heute viel zu selten mache: Ich nehme ein Buch in die Hand. Und zwar eines, das schon lange auf meinem Stapel der „Lesen!“-Liste liegt. Ich hatte das Buch schon fast vergessen. Es heißt: Die Unperfekten.
Dieser Text ist ein weiterer Beitrag von Esther Göbels loser Serie zu Müttern und Familie heute. In diesem Schwerpunkt beschäftigt sich Esther mit den Problemen, vor denen Frauen und junge Mütter stehen, sowie mit der Lebenswirklichkeit von Familien, die mittlerweile ein viel breiteres Spektrum abbilden als das klassische Modell Papa, Mama, leibliches Kind.
Illustration: Sibylle Jazra für Krautreporter; Redaktion: Theresa Bäuerlein, Produktion: Vera Fröhlich.