„Also ein Auto anzukaufen, basiert nicht unbedingt auf Vertrauen“, ist einer von Roland Götzes ersten Sätzen. Wie in der Politik, denke ich mir, der Mann kennt sich aus. Herr Götze geht stramm auf die fünfzig zu, wie er sagt, trägt einen borstigen Kurzhaarschnitt, dazu eine randlose Brille, Jeans. Einer, der viel spricht, aber mit Bedacht. Sympathisch. Wir sitzen in seinem Büro in Berlin, um uns herum Mitarbeiter, ab und zu Kunden, klingelnde Telefone. Vor der Tür stehen die Autos, schneebedeckt in mehreren Reihen bis zur Hofeinfahrt. „Bar-Ankauf LKW & PKW“ steht draußen dran, „alle Fabrikate“.
Wenn Trump ein Kunde wäre: puh. Keine einfache Nuss. Er missachtet die Regeln des Zusammenlebens, höflich ist er nicht und bescheiden schon gar nicht. Wie würde Herr Götze mit so einem verhandeln?
Was bietet er mir und will ich das? Das würde sich Herr Götze zuerst fragen.
Wenn man mit jemandem wie Herrn Trump zusammensitzt, man kennt ihn, man weiß, wie viel Geld er gemacht hat, dann wird man das irgendwo auch einschätzen können.
Gut. Mal angenommen er will das Auto.
Wenn ich es wollen würde, würde ich genau das machen, was er im Grunde genommen macht: Er will das Auto verkaufen, zum höchstmöglichen Preis. Ich will das Auto kaufen, zum niedrigsten Preis. Wenn man wirklich gut im Verhandeln ist, wird man sich in der Mitte oder vielleicht mit niedrigen Verschiebungen nach oben oder nach unten treffen.
Und wie komme ich dahin?
Die erste Voraussetzung in jedem Handelsgeschäft: Versuchen, so viele Informationen wie möglich vom anderen zu bekommen. Bei jedem Kunden, der hier reinkommt und mir etwas anbietet, versuche ich, bevor ich überhaupt über das Fahrzeug selber oder über den Preis mit jemandem spreche, möglichst viele Informationen aus dieser Person herauszukitzeln. Wenn diese Person sagt, sie hat einen Garten und eine Wohnung und drei Kinder, dann weiß ich, die Person hat eine Menge Ausgaben. Dann gehe ich davon aus: Diese Person braucht vielleicht gerade Geld und das Auto muss weg. Belanglose Fragen: Wie viele Kinder haben Sie? Haben Sie ein Haus, ’nen Garten, ’ne Wohnung? ´Erst Anfang des Jahres und bei mir ist wieder so viel abgebucht worden´, kriege ich dann als Gegenantwort, ja … dann weiß ich immer ein bisschen mehr …
Und über Herrn Trump wissen wir jetzt schon ziemlich viel …
Ich glaube Herr Trump ist narzisstisch veranlagt, ich glaube, dass er damit andere Schwächen überspielt oder eine schlechte Erfahrung aus der Vergangenheit. Man muss ihm trotzdem zugutehalten, dass er sein Geld gemacht hat, wahrscheinlich verhandelt er gut. Wenn man sich mit ihm beschäftigt, weiß man aber: Er hat auch schon Pleiten hingelegt, nicht jedes Geschäft klappt.
Und der Typ erzählt mir jetzt, er hat hier das beste Auto überhaupt am Start …
Er mag davon überzeugt sein, dass es das beste Auto ist, aber vielleicht ist dieses Auto eine Rarität oder sowas Spezifisches, was nicht so ohne weiteres an den Mann zu bringen ist.
Also bleibe ich erstmal skeptisch. Besonders, wenn Donald Trump der Verkäufer wäre.
Viele seiner Aussagen, und das macht wieder einen guten Händler aus, sind Getöse. Das heißt, ich verkaufe mein Auto ja auch nicht mit den schlechtesten Argumenten, sondern mit den besten. Wenn ich sehe, hier kommt eine Mutter mit zwei Kindern, dann brauch ich der keinen Dreitürer verkaufen. Dann verkauf ich ihr lieber ’nen Fünftürer, weil ich ihr erkläre, dass es viel bequemer ist, die Türen hinten aufzumachen und das Kind ins Auto zu setzten, als noch den Sitz vorzuklappen, sich dann noch reinzuquälen und … und … und …
Und Donald Trump ist auch so ein Typ …
Herr Trump wollte den Wahlkampf gewinnen, er ist ein Winner-Typ, er wollte partout nicht verlieren, das ist klar wie Klopsbrühe. Der Mann ist ein Winner-Typ. Alles was er bis jetzt gemacht hat, spricht auch für ihn. Er hat auch Verluste gemacht, keine Frage, er hat auch vieles in den Sand gesetzt, aber er hat eben auch vieles geschafft. Da, wo er steht, kommst du nicht hin, wenn du nur verlierst. Man muss abschätzen können, wenn jemand wie Herr Trump laut daherredet, dann heißt das nicht unbedingt, dass er selber davon hundert Prozent überzeugt ist, sondern das ist seine Strategie, um zum Erfolg zu kommen.
Okay Getöse. Er töst aber schon sehr viel, dieser Trump.
Es gibt Menschen, die sich durch lautes Sprechen eingeschüchtert fühlen, das ist einfach so. Und Herr Trump ist jemand, der das weiß: Umso lauter ich poltere, desto kleiner mach ich den, der mir gegenübersitzt. Das funktioniert bestimmt bei mehr als der Hälfte der Bevölkerung, lautes Auftreten, selbstsicheres Auftreten, und das kann man Herrn Trump nicht absprechen, das hat er.
Und was mache ich? Ich will ja trotzdem den niedrigsten Preis.
Ich kann erbost aufstehen, kann selber laut werden, das bringt aber nichts. Dann ist es wichtig, Argumente zu haben. Das macht wieder einen guten Händler aus, der auf der anderen Seite steht und etwas haben will. Wenn der sich im Vorfeld mit der anderen Person beschäftigt und weiß, wo welche Schwächen liegen, dann hat er auch Argumente, um ihm die in Ruhe zu sagen und dann die nächste Reaktion abzuwarten.
Nächste Runde also. Was tue ich, wenn er jetzt beginnt, mich zu beleidigen?
Sie müssen sich anschauen, wen er beleidigt. Ich sag immer - das mag jetzt böse klingen, aber ist nicht böse gemeint –, also ich sag immer: Es gibt einfach Opfer. Denen sehe ich auf den ersten Blick an: Da ist kein Rückgrat, da ist kein Selbstbewusstsein und bei genau solchen Menschen macht er das. Jemand, der ihm ebenbürtig ist, jemand, der ihm intellektuell überlegen ist, den wird er nie angreifen.
Aber Obama hat er ja auch beleidigt …
Sicherlich, Obama hat er auch angegriffen. Man muss sich die Art und Weise anschauen, das ist ein Verbalangriff, der über Medien projiziert wird. Wenn die sich gegenübersitzen, wird das nicht passieren, im Gegenteil: Wir haben das gesehen, als Trump das Weiße Haus das erste Mal besucht hat, er hat selber gesagt, es war eine angenehme Atmosphäre, ein tolles Gespräch. Beide haben voneinander profitiert. Das heißt, das eine ist das, was ich nach außen hin zeige, das laute Getöse gehört dazu, weil meine Wähler das erwarten. Wenn es aber ins Detail geht, dann weiß er auch, wer ihm gegenübersitzt und mit wem er wie sprechen kann. Also er wird sich mit keinem Bill Gates, Robert Murdoch et cetera Pipapo anlegen, weil er unter den Milliardären ein armer Schlucker ist. Das muss man einfach mal so sagen. Mit sieben Milliarden biste zwar schwer reich, aber wenn du weißt, dass ein Bill Gates 75 hat, dann … ja.
Wie viel Geld Herr Trump wirklich besitzt, weiß niemand. Zu Beginn seiner Präsidentschaftskandidatur gab er an, 8,7 Milliarden Dollar zu besitzen (damals 7,7 Milliarden Euro), einen Monat später waren es nach seinen Aussagen schon zehn. Im weltweiten Milliardärsranking von Forbes steht er mit 4,5 Milliarden Dollar zurzeit auf Platz 324.
Kommen wir zur nächsten wichtigen Frage: Sollte ich bei einem Typ wie Trump zu Verhandlungszwecken seinem Ego schmeicheln? Egal, ob es um ein Auto oder das nächste Handelsabkommen geht?
Nein, auf keinen Fall soll man vor seinem Ego rumkriechen, sondern ein normales Verhältnis herstellen. Zumal ich davon ausgehe, dass er, durch seine langjährige Zeit als Händler, clever genug ist und genau weiß, wer ihm gegenübersitzt. Er kann auch erkennen: Wann muss ich laut werden und brüllen und Parolen reinschmeißen und wann muss ich einfach nur verhandeln. Deswegen soll man sich nie unterwürfig zeigen oder dem anderen das Gefühl geben, der Sieger zu sein, das ist vollkommen falsch.
Okay. Trump darf nicht gewinnen.
Also wenn Sie zum Beispiel ein Grundstück haben, was er unbedingt haben möchte, weil sein Plan darauf basiert, dort aus einer Million fünf zu machen, dann wird er alles daran setzen, dieses Grundstück zu bekommen. Da wird er Sie sicherlich auch nicht beleidigen, sondern er wird versuchen, es mit Handelsmitteln oder mit Geld zu bekommen. Vielleicht wird er auch versuchen, Informationen, die er über Sie gesammelt hat, gegen Sie zu verwenden. Aber wie gesagt, die Vorbereitung ist alles…
Also gute Argumente?
Bei einer Verhandlung mit so jemandem wie Herrn Trump ist es so wie in diesem japanischen Sprichwort: Du musst deinen Feind kennen, um ihn zu besiegen. Du musst einfach Argumente haben, sorgfältig auswählen und ihm die versuchen zu vermitteln.
Gute Argumente also. Ich nicke zustimmend. Klar wie Klopsbrühe, wie Herr Götze sagt.
Wenn es bei Herrn Trump doch bloß so einfach wäre.
Fotos: Martin Gommel; Redaktion: Esther Göbel; Produktion: Vera Fröhlich.