Wie viele Menschen in Deutschland musste ich heute Morgen meinen Kindern davon erzählen, was gestern Abend auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche passiert ist. Sie verstanden sofort. Sie fragen: Bei uns in Berlin? Ist jemand gestorben? War das Absicht? Sie fragen nicht nach dem Warum.
Wir alle kennen die Antwort. Es gibt nichts zu erklären, zu verstehen, zu analysieren. Jeder in Deutschland hat – bewusst oder unbewusst – seit Jahren auf einen Mordanschlag wie diesen gewartet. Wir waren vorbereitet.
Auf einmal aber sind die Gefühle ganz nah, die wir in Berlin während der Anschläge in Brüssel, Paris und Istanbul, in Würzburg, Reutlingen und Ansbach in den vergangenen Monaten meist nur aus der Ferne kannten: Angst, Wut und Trauer.
Die Angst, dass wir selbst oder unsere Familien und Freunde durch einen unglücklichen Zufall zum Opfer werden, ist sinnvoll, weil sie realistisch ist. So lange sie sich nicht als nebulöses Gefühl festsetzt, ist Angst angemessen. Sie ist ein Schutzmechanismus in einer gefährliche Situation. Und doch ist die Wahrscheinlichkeit, selbst Opfer zu werden, weiterhin sehr gering. Sie rechtfertigt nicht, sich zu verkriechen.
Ähnliches gilt für die Wut: Sie ist wichtig, um sich verteidigen zu können. Aber normalerweise richtet sie sich gegen die Falschen. Wer ist wirklich verantwortlich? So lange nur so wenig bekannt ist, wie an diesem Morgen, sollte immer dann, wenn öffentlich Schuld verteilt wird, ein innerer Alarm anspringen, der die Wut zügelt. Nüchtern betrachtet: Worauf basieren die Anschuldigungen? Worum geht es wirklich? Wer profitiert?
So schlimm es nach so einer Nacht klingt und so wenig es hilft gegen Angst und Wut: Innerlich sind wir auf diese Ausnahmesituation längst eingestellt. Terror gehört zum Lebensgefühl unserer Zeit. Nichts hat sich für die meisten grundsätzlich geändert seit der vergangenen Nacht. Wer das behauptet, verfolgt eigene Ziele.
Das einzige, das heute zählt, ist die Trauer um die Toten und die Hilfe für die Verletzten. Unser Mitgefühl für die Freunde, Nachbarn, Kollegen, die in Krankenhausbetten liegen und um ihr Leben und ihre Gesundheit bangen. Unsere Gedanken an die, die an diesem Morgen ohne einen geliebten Menschen sind. Unsere Erinnerung an die, die zu früh sterben mussten.