„Trump hat mich nicht besonders beeindruckt”
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Interview: „Trump hat mich nicht besonders beeindruckt”

Ich habe mit der Kanadierin Rachel Blais darüber sprechen, wie es war, für Donald Trumps Modelagentur zu arbeiten

Profilbild von Interview von Theresa Bäuerlein

Rachel, du bist jetzt 31 Jahre alt, hast aber 2004 angefangen, für Trump Models in New York zu arbeiten. Ohne Arbeitserlaubnis. War dir klar, dass das illegal war?

Ich wusste, dass es eigentlich nicht erlaubt war und dass wir lügen mussten. Aber in dem Geschäft ist es so sehr die Norm, dass ich mir keine großen Gedanken darüber gemacht habe. Ich habe bei der Einreise einfach gesagt, dass ich Freunde besuche. Ich war 18, zum ersten Mal in New York und habe auf engstem Raum mit Mädchen aus aller Welt in einem kleinen Apartment gewohnt. Ich hatte, ehrlich gesagt, ganz andere Dinge im Kopf als die Frage, ob ich illegal arbeite. Zum Beispiel mein Gewicht. Die Agentur hat mich jede Woche auf die Waage gestellt und mir gesagt, ich sei zu fett und müsse abnehmen. Wenn man als Model Kleidergröße 2 hat, ist das zu viel.

Du hattest Glück und hast über die Agentur letztlich doch noch eine Arbeitserlaubnis bekommen.

Ja, aber nachdem ich schon vier Monate für Trump Models in New York gearbeitet habe. Die Agentur hat nur für die Mädchen ein Arbeitsvisum beantragt, die sie behalten wollten. Die anderen wurden nach Hause geschickt. Viele waren noch nicht volljährig, manche konnten kaum Englisch. Ich erinnere mich an ein 14-jähriges Mädchen aus Brasilien, das mit niemandem reden konnte. Einmal die Woche hatte sie Unterricht bei einem Englischlehrer, den die Agentur aber noch nicht einmal für sie bezahlt hat. Die haben das Geld nur vorgestreckt und sie musste es dann abarbeiten. So hat es die Agentur mit allen Unkosten gemacht. Das war wirklich moderne Sklaverei. Andere Agenturen machen das zwar auch, aber ich habe in den zehn Jahren meiner Model-Karriere mit einigen gearbeitet, und Trump Models war die schlimmste, was das Finanzielle betrifft. Das ist unter Models auch bekannt. In jeder Stadt gibt es eine Agentur, die besonders berüchtigt ist, in New York ist es Trump Model Management.

Wusstest du das, als du den Vertrag unterschrieben hast?

Nein, so etwas lernt man erst mit der Zeit, wenn man schon eine Weile im Geschäft ist. Es gibt ja kein Buch übers Modeln, in dem solche Dinge drinstehen stehen würden. Ich bin zu Trump Models gegangen, weil sie Prestige haben, aber auch, weil sie das größte Interesse an mir gezeigt haben. Das ist sehr wichtig in der Branche, weil du im Zweifelsfall mit 100 oder 200 anderen Mädchen bei der gleichen Agentur konkurrierst. Du hast keine Kontrolle darüber, wen sie am meisten fördern. Deshalb gehst du möglichst zu denen, die zeigen, dass sie dich unbedingt wollen. Und du beklagst dich nicht über die schlechten Bedingungen. Dir wird ja immer gesagt, dass du das nächste Supermodel sein wirst, man verkauft dir diesen Traum. Deswegen machst du weiter, obwohl du tausende Dollar Schulden bei der Agentur hast.

Woher kommen diese ganzen Schulden?

Erst einmal berechnen sie dir Miete. Ich habe bei Trump Models 1.600 Dollar für ein Stockbett in einer Souterrain-Wohnung bezahlt. In meinem Zimmer standen noch zwei weitere Betten. Von meinem aus konnte ich die Füße der Menschen sehen, die draußen über die Straße gingen. Solche Preise und so miese Bedingungen habe ich später nie mehr erlebt. Und ich musste in der Wohnung leben, die der Agentur gehörte. Als ich die Möglichkeit hatte, in ein eigenes Zimmer in einer Wohnung mit Freunden zu ziehen, wollte die Agentur mir das Geld dafür nicht geben, obwohl es billiger gewesen wäre. Sie wollten nur die Miete für ihr eigenes Apartment vorstrecken.

Trump Models bekam außerdem 20 Prozent von den Gehältern, die ich als Model verdient habe. Ich konnte nie nachprüfen, wie viel ich tatsächlich verdient habe, weil die Agentur mir keinen Einblick in die Absprachen mit den Auftraggebern gegeben hat. Und sie haben ständig kleine Posten in Rechnung gestellt: Internet und Autoservice etwa, auch wenn ich monatelang nicht in New York war. Und Steuern, selbst für diejenigen von uns, die illegal gearbeitet haben. Das ist besonders seltsam. Wo gehen die Steuern hin, die auf deiner Rechnung von der Agentur ausgewiesen sind, wenn du gar keine Arbeitserlaubnis hast?

Als ich Trump Models nach drei Jahren verlassen habe, hat man mir einen Scheck über knapp 8.400 Dollar ausgestellt. Das war mein Gewinn, nachdem ich zehntausende Dollar für die Agentur verdient habe.

Das klingt, als wärst du regelrecht arm gewesen.

Ich war arm. Die Agentur hat uns 100 Dollar pro Woche vorgestreckt, mit denen wir Essen und Transportkosten bezahlt haben. Allein das Ticket für den Nahverkehr hat 25 Dollar gekostet. Ich hatte Glück, meine Mutter konnte mir pro Woche noch 20 oder 30 Dollar dazugeben. Andere Mädchen haben versucht, Geld zu sparen und nach Hause zu schicken. Das Ganze hatte aber auch sein Gutes: Ich habe gelernt, mit sehr wenig Geld auszukommen und trotzdem zufrieden zu sein.

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Das Visum, das du bekommen hast, war ironischerweise genau dasjenige, von dem Trump jetzt behauptet, dass er es abschaffen möchte, um zu verhindern, dass Immigranten Amerikanern Arbeitsplätze wegnehmen: Das H1-B Visum für „Facharbeiter“.

Das ist wirklich lächerlich, wenn man bedenkt, dass er mit seiner Modelagentur selbst daran verdient, dass es dieses Visum gibt. Seine Frau, die früher auch für Trump Models gearbeitet hat, möchte ja nicht sagen, mit welchem Visum sie in den USA gearbeitet hat. Aber es war wahrscheinlich genau dieses.

Bist du Trump persönlich begegnet?

Ja. Gezwungenermaßen. Das ist Teil deines Jobs bei Trump Models: Sie können dir schreiben, dass du bei einem seiner Events auftauchen sollst, und dann musst du da eben hin. Ohne Bezahlung. Andere Agenturen haben mich gefragt, ob ich unbezahlt an Events teilnehmen wollte, zum Beispiel bei Wohltätigkeitsveranstaltungen. Nicht so bei Trump. Ich war bei der Launch-Party von Trump Vodka und wurde ihm da vorgestellt. Man hat so getan, als sei das ein Privileg. Aber er hat keinen besonderen Eindruck auf mich gemacht. Ich war vor allem sauer, weil ich unbezahlt als hübsches Mädchen herumstehen sollte. Das hat sich nicht gut angefühlt.

In den USA haben sich auch andere Models zu Wort gemeldet, die für Trumps Agentur gearbeitet haben. Sie haben ähnlich schlechte Erfahrungen gemacht. Aber diese Frauen wollen alle anonym bleiben. Wovor haben sie Angst?