Wieso ist Österreich denn so oft in den Schlagzeilen in letzter Zeit?
In Österreich wird gerade ein neuer Bundespräsident gewählt, und die Chancen sind hoch, dass erstmals ein Vertreter einer rechtsextremen Partei Staatsoberhaupt in einem EU-Land wird. Damit droht eine politische Zäsur, die auch durch die Flüchtlingskrise ausgelöst wurde.
Nach zwölf Jahren muss der beliebte, sozialdemokratische Amtsinhaber Heinz Fischer abtreten. Seit 1945 hatten die sozialdemokratische SPÖ und die konservative ÖVP das Land fest im Griff. Noch nie war jemand Präsident, der nicht aus ihren Reihen kam. Diesmal ist das anders.
Unzufrieden mit der Performance der rot-schwarzen Bundesregierung haben die Wähler die ehemaligen Großparteien bereits im ersten Wahlgang abgewatscht. Favorit ist nun mit Norbert Hofer ein Kandidat der rechtsextremen FPÖ, der auf Bällen schon mal mit deutscher Schärpe auftritt, der gegen Flüchtlinge wettert oder für den der Islam nicht zu Österreich gehört. Schwenkt nach Ungarn und Polen nun auch erstmals ein westeuropäisches Land weit nach rechts? Mit der Abstimmung über den Brexit im Juni, der amerikanischen Präsidentschaftswahl im November sowie der französischen Präsidentschaftswahl 2017 könnten in den nächsten zwölf Monaten weit wichtigere westliche Staaten nach rechts kippen.
https://www.youtube.com/watch?v=5UsNVGF9hT4
Derzeit viel geteilt von Österreichern in den sozialen Netzwerken: Das Video „So ist Norbert Hofer wirklich“
Weiterlesen: Porträt in der Zeit über Norbert Hofer
Wer tritt denn an zu dieser Bundespräsidentenwahl?
Sechs Kandidaten haben sich zur Wahl gestellt: Der Flugzeugmechaniker Norbert Hofer war bisher 3. Nationalratspräsident (so etwas Ähnliches wie Bundestagspräsident) für die rechte FPÖ. Der Volkswirtschaftsprofessor und ehemaliger Grünen-Vorsitzende Alexander van der Bellen tritt offiziell als unabhängiger Kandidat an, wird aber von den Grünen massiv unterstützt. Irmgard Griss (unabhängig) ist pensionierte Richterin und hat sich in der Aufklärung um die Affäre der verstaatlichten Verlustbank Hypo Alpe Adria einen Namen gemacht. Der Sozialdemokrat Rudolf Hundstorfer war bis vor kurzem noch Sozialminister und Gewerkschaftsfunktionär. Andreas Khol war zur Zeit der schwarzblauen Regierung von Wolfgang Schüssel Spitzenpolitiker in der ÖVP und zuletzt als Pensionistenvertreter aktiv. Der Spaßkandidat Richard Lugner (unabhängig) ist vor allem durch Auftritte im Reality-Fernsehen und beim Wiener Opernball bekannt.
Wie lief die erste Wahlrunde ab?
Beim ersten Wahldurchgang am 24. April landeten überraschend beide Regierungskandidaten abgeschlagen mit jeweils 11 Prozent auf den hinteren Plätzen. Mit 35 Prozent der Stimmen wurde Hofer erster, gefolgt von van der Bellen mit 21 Prozent. Die unabhängige Irmgard Griss errang mit ihrem dritten Platz (19 Prozent) einen Achtungserfolg. Da keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erhielt, gibt es am Sonntag, den 22. Mai 2016, eine Stichwahl zwischen Hofer und van der Bellen.
Zum ersten Mal in der Geschichte des gemächlichen Österreichs wird damit kein Vertreter der ehemaligen Großparteien Staatschefs. Ja, es kann erstmals nicht einmal mehr ein Katholik werden, wie der Wiener Kardinal Christoph Schönborn zerknirscht feststellte. Damit erlebt Österreich, das jahrelang in einer Konsenskoalition aus SPÖ und ÖVP geführt wurde, ein mittleres politisches Erdbeben.
Und kann ein rechter Bundespräsident gefährlich sein?
Ja, die österreichische Verfassung räumt dem Bundespräsidenten sehr viele Rechte ein, die in der real gelebten Verfassung seit 1945 nicht ausgefüllt wurden. So ist der Präsident Oberbefehlshaber des Bundesheeres, darf die Regierung entlassen, den Kanzler ernennen und kann die Unterschrift unter Staatsverträge (wie zum Beispiel das Freihandelsabkommen TTIP) verweigern. Die bisherigen Bundespräsidenten haben aber ihr Amt eher im Sinne eines Staatsnotars ausgelegt und beschränkten sich auf Weihnachtsamnestie, Ordensverleihungen und Neujahrsansprachen. Im internationalen Vergleich steht das österreichische Regierungssystem irgendwo zwischen dem französischen Modell der Präsidialdemokratie (starker Präsident, schwaches Parlament) und der deutschen Parlamentsdemokratie (schwacher Bundespräsident, starkes Parlament).
Weiterlesen: In den Amtsbefugnissen des österreichischen Bundespräsidenten lebt der Geist der Weimarer Republik weiter, argumentiert der Rechtswissenschaftler und Autor des Standardwerks „Der österreichische Bundespräsident“ Manfried Welan gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Alfred Noll in einem Gastbeitrag in der Österreich-Ausgabe der Zeit.
Ist Norbert Hofer gefährlich?
Über diese Frage diskutiert derzeit ganz Österreich. Die eine Hälfte meint ja, die andere meint nein. Wer letztendlich die Mehrheit erringen wird, wird die Wahl am Sonntag entscheiden. Mit der Überschrift „Was uns bei Norbert Hofer Angst macht“ beantwortet das österreichische Nachrichtenmagazin Profil die Frage ziemlich eindeutig. Die Autoren beschreiben in ihrem Porträt Hofer als lächelnden Flugzeugmechaniker aus dem vormodernen Idyll Burgenland, für den sogar Sozialdemokraten schwärmen. Aber systematisch verschweigt er im Wahlkampf alle biografischen Verbindungen zu Rechtsextremen, frisst Kreide und schlägt jetzt sanfte Töne an. Ist Hofer also der Wolf im Schafspelz oder das Schaf im Wolfspelz? „Ich glaube er spielt mit seiner Gefährlichkeit, alleine das macht ihn gefährlich. Ich will es nicht ausprobieren. Gefährlich ist übertrieben, aber man sollte nicht mit dem Feuer zündeln“, sagt Milo Tesselaar, der Wahlkampfmanager der drittplatzierten Griss. Sie wird – genauso wie der neue Bundeskanzler Christian Kern, etliche ehemalige ÖVP Politiker sowie SPÖ-Granden – den Kandidaten der Grünen wählen.
Ein Ausspruch, der jedenfalls ein mulmiges Gefühl zurücklässt, stammt von Hofer selbst: „Sie werden sich noch wundern, was alles gehen wird“, sagte er während einer TV-Diskussion.
Weiterlesen: Wieso der Wiener Autor Thomas Glavinic mehr Respekt für Wähler von Norbert Hofer fordert.
Wie weit rechts ist die FPÖ – eher so wie die NPD oder eher wie die AfD?
Im deutschen Parteienspektrum lässt sich die heutige FPÖ am ehesten mit der AfD vergleichen. Folgerichtig sagte AfD-Bundessprecherin Frauke Petry bewundernd: „Die FPÖ ist natürlich die Partei, die seit Jahrzehnten den Wählerzulauf hat, den sich die AfD wünscht.“ Gemeinsamkeit sieht sie vor allem bei der Kritik an der EU, Trennendes bei sozialpolitischen Positionen. Die österreichische FPÖ beschreibt sich selbst als „soziale Heimatpartei“ – genauso wie die deutsche NPD. Beide Parteien setzen auffällig oft auf die gleichen Sprüche und Argumente. Aber anders als die NPD vermeidet die FPÖ Verbindungen in die Neonazi-Szene, und Springerstiefel oder Glatzen sieht man selten. Die FPÖ will nicht in die Nazi-Ecke gestellt werden.
Weiterlesen: Aufsatz zur Frage, wie rechts ist die FPÖ im europäischen Vergleich ist vom Politikwissenschaftler Anton Pelinka.
Warum ist Österreich „rechter“ als Deutschland?
Um das Phänomen FPÖ besser zu verstehen, lohnt sich ein kurzer Exkurs in die Geschichte. Die österreichische FPÖ entstand 1949 unter dem Namen Verband der Unabhängige (VdU) und war von Anfang an eine Partei ehemaliger Nationalsozialisten. Historisch wurzeln die Deutschnationalen im 19. Jahrhundert, als sie sich als sogenanntes drittes Lager neben Arbeiterbewegung und Bürgerlichen in Österreich herausbildeten. Im damaligen Vielvölkerstaat betonten sie die deutsche Sprache und Kultur sowie den Antisemitismus. Während das rechte Lager in Österreich historisch immer schon aus zwei Blöcken bestand, konnte auf der linken Seite nie eine kommunistische Partei den Sozialdemokraten Konkurrenz machen. Als sogenannte Austromarxisten war die SPÖ in der Zwischenkriegszeit radikal in der Rhetorik, aber pragmatisch im Handeln.
Jahrzehntelang dümpelte die FPÖ als Kleinpartei von Wahl zu Wahl, bis ihr unter Jörg Haider Ende der 1980er Jahre dauerhaft der Aufstieg gelang. Seit 1945 wird Österreich mit wenigen Ausnahmen von einer großen Koalition aus SPÖ und ÖVP regiert. In Folge von wirtschaftlichen Krisen, steigender Arbeitslosigkeit sowie Korruptionsskandalen wanderte der politische Protest fast nur nach rechts zur FPÖ.
Zu fehlenden Berührungsängsten mit der rechtsextremen Partei hat auch die nicht vorhandene Aufarbeitung des Nationalsozialismus beigetragen. Bis Ende 1980er Jahre hielt sich selbst beim offiziellen Österreich die Lüge vom „ersten Opfer Hitlers“. Während es in Deutschland beispielsweise als Teil der Entnazifizierung schon früh politische Bildung als Schulfach gab oder das Studienfach Politikwissenschaft, wurde so etwas in Österreich erst sehr spät eingeführt.
Weiterlesen: Interview mit der Journalistin Nina Horaczek, die seit Jahren für das Wiener Stadtmagazin Falter über die FPÖ berichtet. Außerdem: Radiobericht von Armin Wolf aus 1993 (!) über die viel beachtete Rede des damaligen Bundeskanzlers Franz Vranitzky in Israel, bei der dieser erstmals klar die österreichische Verantwortung eingestand und sich entschuldigte.
Wer wählt die FPÖ und warum?
Seit Jahren fertigt das SORA-Institut Umfragen, Hochrechnungen und Wählerstromanalysen an, unter anderem auch für das österreichische Fernsehen. Politikwissenschaftler Andreas Holzer von SORA sagt: „70 bis 80 Prozent der Wähler sind im April von der Politik entweder enttäuscht oder über sie verärgert. Die circa 40 Prozent Verärgerten wählten im ersten Wahlgang in hohem Ausmaß den FPÖ-Kandidaten.“ Die FPÖ konnte dieses Mal ihr Ergebnis deutlich verbessern: 1,5 Millionen Stimmen für Norbert Hofer im ersten Wahlgang bedeuten das historisch beste Ergebnis für diese Partei. In groben Kategorien skizziert, sind die FPÖ-Wähler häufiger Männer, arbeiten überdurchschnittlich oft in einem Arbeiterberuf und leben verstärkt auf dem Land. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung blicken sie mit größeren Sorgen in die Zukunft.
Auf der anderen Seite sind es die Zuversichtlichen und Zufriedenen, die stärker für den Grünen-Kandidaten Alexander van der Bellen gestimmt haben. Sie sind häufiger weiblich, mit höheren Bildungsabschlüssen und leben häufiger in Städten.
Hinter dem politischen Protest stehen reale Problem wie die steigende Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftskrise. Über eine Million Menschen haben sich 2015 in Österreich an der Hilfe für Flüchtlinge beteiligt. Viel stärker noch als in Deutschland ist in Österreich der Diskurs seit der Kölner Silvesternacht umgeschlagen. Breit wurden in den Medien in den letzten Wochen kriminelle Taten von Flüchtlingen und Ausländern diskutiert. Gleichzeitig sind humanitäre Aspekte und positive Geschichten über Flüchtlinge aus dem medialen Blickwinkel nahezu verschwunden. Der FPÖ gelingt es, die Ängste vor sozialem Abstieg und Kriminalität in der Bevölkerung mit dem Thema Flüchtlinge zu verknüpfen.
Weiterlesen: Viel mehr Zahlen und Informationen zu den Wahlmotiven und Wählerströmen findet man in den Ergebnissen und der Analyse von SORA.
Sind die Wahlerfolge der FPÖ gemeinsam mit der Entwicklung in Ungarn oder Polen Teil eines größeren politischen Trends?
Ja, alle rechten und rechtspopulistischen Strömung innerhalb Europas operieren mit ähnlichen Ängsten vor Ausländern, steigender Kriminalität, dem Identitätsverlust, der sinkenden Bedeutung der Nationalstaaten gegenüber der EU und den sich wandelnden gesellschaftlichen Werten.
Aber aufgrund der nationalistischen, autoritären Ausrichtung fällt es Parteien wie der Front National, der FPÖ, UKIP, den Schwedendemokraten, der Lega Nord oder auch der AfD schwer, sich auf so etwas wie die Internationale der Nationalen zu einigen. Im Juni 2015 formiert sich im EU-Parlament die Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“, der neben Front National, FPÖ und Lega Nord auch der AfD-Abgeordnete Marcus Pretzell angehört. Diese steht aber in Konkurrenz zur gemäßigteren Fraktion – Achtung, ähnlicher Name – „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ um UKIP, die italienische Fünf-Sterne-Bewegung, den Schwedendemokraten und wiederum einer AfD-Abgeordneten, Beatrix von Storch.
Auch wenn den autoritären Rechten eine Zusammenarbeit schwerfällt, sind sie fast überall in der westlichen Welt im Aufwind. Selbst Deutschland, das lange als immun gegen Rechtspopulisten galt, hat nun eine AfD mit starkem Wählerzulauf. In der Zeit mahnt Jörg Lau und sieht in den rechten Wahlerfolgen einen Trend: „Die Autoritären […] pflegen eine kraftvolle Sprache. […] Sie sind in der Offensive, und die Gegenwehr fällt erstaunlich klamm aus. Die freiheitliche Welt hat noch nicht verstanden, dass hier die eigentliche Herausforderung liegt – nicht in der Konfrontation des Westens mit dem Islam.“
Ganz könne man die Situation in Polen und Ungarn aber nicht mit Österreich, Frankreich oder den USA vergleichen, meint Wahlkampfmanager Tesselaar: „Der Osten hat eine kommunistische Geschichte, wir in der einst westlichen Welt haben eine kapitalistische Geschichte. Im Westen haben wir eine ähnliche, inhaltsleere und wertelose Politik erfahren, wo es um Machterhalt, die Sicherung von ökonomischen Interessen und regierende Eliten ging. Im Osten hat es andere Gründe: Der Switch vom Kommunismus zum radikalen Kapitalismus hat die Bevölkerung massiv getroffen. Als Effekt suchen sie jetzt Schutz im Nationalismus.“
Weiterlesen: Sylvie Kaufmann zeichnet in ihrem Kommentar (auf Englisch) für die New York Times das Orwell’sche Szenario eines Wahlsieges von Hofer, gefolgt vom Brexit, Trump als Gewinner der US-Wahl sowie einer französischen Präsidentin Marine Le Pen im nächsten Jahr. In eine ähnliche Kerbe schlägt das Magazin New Yorker, das auch Donald Trump mit Norbert Hofer vergleicht.
Die jetzige, große Koalition begünstigt offenbar Parteien an den Rändern. Gibt es Alternativen zur großen Koalition?
Bei der letzten Nationalratswahl 2013 bekam die FPÖ 20,5 Prozent der Stimmen und ist damit in Schlagdistanz zur SPÖ (26,8 Prozent) und zur ÖVP (24 Prozent). In allen Umfragen im letzten halben Jahr liegen die Freiheitlichen vorn – oft werden ihnen dort über 30 Prozent bescheinigt. Man kann daher wohl nicht mehr von einem Rand der Gesellschaft sprechen. Auch ist die Koalition zwischen Rot und Schwarz mit gemeinsamen 50,8 Prozent längst keine große Koalition mehr.
Dennoch stimmt die Analyse, dass die ehemals als groß bekannte Koalition das Wachstum der FPÖ begünstigt. Nach der letzten Nationalratswahl sind in Österreich mit drei ähnlich großen Parteien kaum andere Koalitionen realistisch denkbar. Als Alternative zur SPÖ und ÖVP wäre als einzige Zweier-Koalition SPÖ-FPÖ möglich. Auch wenn das manche SPÖ-Politiker wünschenswert fänden, wäre es dann durchaus wahrscheinlich, dass es zu einer Spaltung der SPÖ käme. Daher eben ist diese Option auch sehr unwahrscheinlich. Als realistische Dreier-Koalition käme eine Zusammenarbeit zwischen ÖVP, FPÖ und der anderen rechtspopulistischen Partei Team Stronach infrage. Anders als in Deutschland gibt es in Österreich seit den 1970er Jahren durchgängig eine Mehrheit rechts der Mitte.
Das heißt, bis es klarere Mehrheitsverhältnisse gibt, müssen SPÖ und ÖVP gemeinsam weiterregieren. Vermutlich ist es die letzte Chance für die einst mächtigen Volksparteien, den Karren noch einmal herumzureisen. Welchen Rat gibt ihnen Tesselaar, der sich für die unabhängige Griss engagierte: „Es braucht keine sozialdemokratische Partei, die nicht sozialdemokratisch ist, und es braucht keine christlichsoziale Partei, die nicht christlichsozial ist. Wer das nicht jeden Tag im Ministerium oder Kanzleramt lebt, der hat es nicht verdient.“
Nach der Wahlschlappe hat die SPÖ jedenfalls Personal ausgetauscht: der politische Quereinsteiger Christian Kern hat für den glücklosen Kanzler Werner Faymann übernommen. Einmal mehr versprechen beide Parteien eine bessere Politik.
In Deutschland wird ja immer wieder angeführt, dass soziale Unsicherheit den Aufstieg der AfD begünstigen würde. Angenommen das stimmt: Wie haben sich Sozialleistungen in Österreich entwickelt?
2005 titelte das Magazin Stern „Österreich: Das bessere Deutschland“. Auch wenn die damalige Überschrift schon umstritten war, würde heute niemand mehr auf dieselbe Idee kommen. Zwar ist Österreich besser durch die Krise gekommen als Griechenland oder Italien, aber der Trend zeigt nach unten. Während in Deutschland die Arbeitslosigkeit sinkt, steigt sie in Österreich weiter an. Die Schuldenquote steigt (derzeit 74,5 Prozent des BIP) und für 2016 erwartet die Nationalbank ein moderates Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent.
Im Gegensatz zu Deutschland wurde in Österreich weniger bei den Sozialleistungen gekürzt. So ist das deutsche Rentensystem teilprivatisiert und garantiert keine Rente, von der man leben könnte. „In Österreich kam ein langjährig versicherter Mann 2013 auf eine durchschnittliche Rente von 1.820 Euro, in Deutschland waren es 1.050 Euro. In Österreich werden Mini-Renten, die nicht zum Leben reichen, auf etwa 12.000 Euro im Jahr aufgestockt, in Deutschland nicht mehr”, schreibt Thomas Öchsner in der Süddeutschen Zeitung. Anderes Beispiel: Elterngeld. So bekommen Eltern in Deutschland im Jahr nach der Geburt 65 bis 67 Prozent des Letzteinkommens; in Österreich 80 Prozent.
Fazit: Das soziale Netz in Österreich ist dichter geknüpft. Dafür ist die Steuerquote dort (43,8 Prozent) aber auch deutlich höher als in Deutschland (39,6) oder der EU (39,9).
Weiterlesen: Was Deutschland von Österreichs Rentensystem lernen könnte.
Das hat nun wirklich nichts mit der Wahl zu tun, aber auffällig ist es schon, daher: Warum hat Österreich so eine geile Musikszene und so deprimierte Schriftsteller?
Das weiß ich leider auch nicht. Mir konnte in Wien auch niemand, den ich gefragt habe, erklären, wieso das so ist. Jedenfalls spielt die Musik auch im Bundespräsidentschaftswahlkampf eine Rolle. Bei einem Flashmob hat eine ganze U-Bahn-Station ein Ständchen für Alexander van der Bellen gesungen.
Aufmacher-Illustration: Thomas Weyres für Krautreporter.