Donald Trump? Ernsthaft, Amerika?
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Donald Trump? Ernsthaft, Amerika?

Unser Mann in New York verfolgt den amerikanischen Wahlkampf aus nächster Nähe. Christian Fahrenbach erklärt, was passiert und ordnet ein, was wir manchmal nur schwer verstehen. Sind die Wahlen vielleicht sogar demokratischer als bei uns? Oder kann man sich den Sieg kaufen? Was soll das mit den Vorwahlen? Wie viel Einfluss haben reiche Spender? Und, es führt ja kein Weg daran vorbei: Wer unterstützt eigentlich Donald Trump?

Profilbild von Christian Fahrenbach
Reporter, New York

Warum lange darum herumreden? „Das Ganze ist ein Desaster“, sagt Curt Anderson, Parteifunktionär der Republikaner in den USA. Und er meint damit den Mann, der den US-Wahlkampf wie kein Zweiter bestimmt: Donald Trump. Egal, ob er bei der ersten Vorwahl in Iowa (eine Kurzanalyse dazu haben wir am Ende des Artikels ergänzt) einen ersten Dämpfer bekommen hat oder nicht: Der mutmaßliche Multimilliardär führt seit Monaten die Umfragen an - und die Partei an der Nase herum. Wie konnte es so weit kommen? Mindestens fünf Gründe werden immer wieder genannt.

Fünf Gründe für den Erfolg von Donald Trump

Da sind zuallererst einmal die sogenannten Super-PACs. Die Abkürzung steht für „Super-Political Action Committee” und bezeichnet die Zusammenschlüsse von Lobbygruppen, die einen Kandidaten ihrer Wahl ins Amt verhelfen wollen. Ursprünglich gab es in den USA ein Spendenlimit von 5.000 Dollar für Einzelpersonen bei Präsidentschaftswahlen. Nach einem Gerichtsurteil 2010 dürfen Organisationen nun aber mehr spenden – und sie dürfen auch höhere Spenden als das direkte 5.000-Dollar-Limit annehmen. Ein großartiger Weg also, dieses zu umgehen. Und eine tolle Wahlkampfhilfe für Donald Trump, denn der brüstet sich damit, alle Ausgaben aus eigenen Taschen zu bezahlen und nicht auf die Kungeleien in den PACs angewiesen zu sein.

Die Organisation, die nach Meinung vieler schon sehr früh Trump hätte verhindern können, heißt Right to Rise und ist der Super-PAC, der Jeb Bush unterstützt. Weil aber dessen Wahlkampfstrategen dort lange davon ausgingen, dass sich Trumps Kandidatur schnell selbst erledigen würde, haben sie eher andere gemäßigte Kandidaten attackiert. Bilanz bisher: 5 Millionen Dollar für Werbeschaltungen gegen Trump - aber beispielsweise 20 Millionen Dollar für Anti-Kampagnen gegen Marco Rubio. „Trump braucht keinen eigenen Super-PAC, er hat ja Jebs“, heißt es deshalb auch laut Politico von Rubios Berater Joe Punder.

Doch nicht nur die organisierten Gruppen haben sich lange nicht an Trump herangetraut. Ein zweiter Grund für dessen Aufstieg ist auch die Zurückhaltung individueller Spender. Sie übten über Monate kaum Kritik, teilweise auch aus Angst, Trumps Industriemaschinerie als Kunden zu verlieren.

Dritter Punkt: Die anderen republikanischen Kandidaten sind mit Trump lange nachsichtig umgegangen. Erst seit einigen Wochen werden sie härter. Selbst Jeb Bush bezeichnet ihn nun in TV-Spots wegen dessen Beleidigungen eines behinderten Reporters als „Idiot“ (jerk). Ted Cruz geriet mit Trump in der letzten Debatte in einen Streit darüber, dass Letzterer ja gar kein richtiger Republikaner sei und eher „New Yorker Werte“ repräsentiere. Damit meinte er nicht nur eine ausgeprägte Geldgier, sondern auch moderne Gesellschaftsansichten, wie die Befürwortung von Abtreibungen und die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare. Diese Attacke lief ins Leere, Trump ging zumindest im Erstvorwahl-Staat Iowa mit einer kleinen Verbesserung aus der Beleidigung hervor, wie die New York Times hier darstellt.

Grund Nummer vier ist eine lange Zeit gültig gewesene Nachsicht der Medien mit Trump. Nicht nur, dass sie seinen schillernden Aussagen („Keine Moslems mehr ins Land lassen!“) lustvoll jede Menge Sendezeit einräumten, nein, sie hinterfragten auch vieles nicht. Das sorgte dafür, dass laut einiger Auswertungen gemäßigte Kandidaten kaum Sendezeit und Spalten in den Zeitungen bekamen.

Bleibt schließlich eine letzte Erklärung für Trumps Erfolg: Der Mann ist enorm attraktiv für bestimmte Wählergruppen. Menschen ihn besonders heftig unterstützten, wenn sie genug vom Politik-Establishment in Washington haben und sich einen starken Wirtschaftslenker wünschen. Da verwundert es nicht, dass mit der Unterstützung für Trump gar nicht so sehr das Einkommen oder der Bildungsabschluss korreliert, sondern am ehesten der Wunsch nach einer autoritären Führungsfigur. Das alles führt in Summe dazu, dass Trump in der Breite bei republikanischen Wählern viel Boden gut gemacht hat. Längst ist er nicht nur ein Randgruppenphänomen, inzwischen sagen laut Washington-Post-Umfrage 65 Prozent der Wähler aus dem Republikaner-Lager, dass sie seine Kandidatur unterstützen würden. Platz drei im Feld der Partei und statistisch irrelevante zwei Prozent hinter dem Spitzenreiter Marco Rubio.

Trump verkörpert vergleichsweise gemäßigte Politik – und der Rest?

Doch auch wer auf die Forderungen des Mannes schaut, sieht, dass zumindest die Sozialpolitik von Anfang an vergleichsweise links war. Donald Trump macht Zugeständnisse an Geringverdiener und will Reiche etwas höher besteuern. Verbunden mit Hardliner-Ansichten zu Militär und Innerer Sicherheit ist das einzigartig, beschreiben detailliert Upshot und Crowdpac.

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Der derzeit laut Umfragen schärfste Konkurrent Ted Cruz, Gewinner der ersten Vorwahl in Iowa, ist da anders. Der Senator aus Texas betont den Wunsch nach einer starken Rolle der Kirche in der Gesellschaft, ist hart gegen jegliche Einschränkung der Waffenrechte und will mit massiver Militärpräsenz die Rolle der USA in der Welt sicher.

Bleibt noch Marco Rubio, mit kubanischen Wurzeln und 44 Jahren so etwas wie die Nachwuchshoffnung der traditionell bei Latinos und Jüngeren schwachen Republikaner. Im Wahlkampf tastet er sich zwar etwas ausgiebiger an mögliche Lockerungen im Einwanderungsrecht heran, aber auf anderen Feldern ist seine Haltung stramm konservativ: Allzugroße Anstrengungen gegen den Klimawandel hält er beispielsweise für eine Bedrohung der US-Wirtschaft. Trotz aller Vorschusslorbeeren kommt Rubio in den Umfragen aber immer noch nicht richtig aus den Startlöchern, sein überraschend starkes Ergebnis in Iowa dürfte ihm aber nun Aufwind bringen. Die in den Augen vieler beste Übersicht dazu ist der gewichtete Durchschnitt von Realclearpolitics.

Noch schlechter ergeht es dem Bruder des früheren Präsidenten, Jeb Bush, und allen anderen des immer noch fast ein Dutzend Mann und eine Frau starken Feldes. Die vor einigen Monaten überraschend in den erweiterten Favoritenkreis aufgestiegenen Ben Carson und Carly Fiorina sind schnell verglüht. Kampagnen wie die der erzkonservativen Mike Huckabee oder Rick Santorum wollen vor allem ihre Themenfelder ins Licht der Öffentlichkeit bringen. Blicken wir also auf die Demokraten.

Das glitzernde Objekt der Demokraten

Dort gibt es einen Kandidaten, der ankommt wie ein „bright shiny object that people haven’t seen before“ – ein strahlend glänzendes Ding, das noch nie zuvor jemand gesehen hat. Sein Name: Bernie Sanders. Sein Programm: Hoffnung auf Veränderung, durch massive Steuererhöhungen für Reiche, günstigere Schulbildung und Ausbau der Krankenversicherung. Er bezeichnet sich als „Sozialist“ – ein Titel der in den USA überhaupt nicht gut ankommt, selbst wenn er abgesehen von Trump die frenetischsten Fans bei seinen Wahlkampfreden um sich schart. Doch seine Unterstützer sind laut Analysen nur in der Tiefe da, nicht in der Breite. Dennoch: Allein die Tatsache, dass ein 74 Jahre alter Mann aus Vermont mit 34 Dienstjahren in öffentlichen Ämtern als „bright shiny object“ gilt, zeigt, dass „sie“ Probleme hat.

Sie. Das ist die Kandidatin, von der jeder schon gehört hat: Hillary Rodham Clinton, frühere Außenministerin des Landes und Ehefrau des 42. Präsidenten Bill. Diese Ehe ist für die einen ein Plus (wenn man Clintons Politik in den 90er Jahren verklärt), für die anderen ein Minus (wenn nicht – oder für diejenigen, die sie wegen ihrer Treue trotz seiner Sexaffären ablehnen). Inhaltlich versucht sich die 68-Jährige an einem schweren Spagat zwischen der Darstellung von Erfahrung und gleichzeitiger Abgrenzung vom unbeliebten Präsidenten Barack Obama. Politisch steht Clinton für einen außenpolitisch aktiv eingreifenden Staat, innenpolitisch für einen eher europäischen Kurs mit dem Kampf für gleiche Bezahlung für Frauen, Ausbau der Krankenversicherung und Ideen für milde Beschränkung des Waffenrechts. Dennoch: Immer wieder heißt es, sie „connecte“ nicht mit den Menschen, erscheine gefühlskalt. Nur wenige sind der Meinung, dass es ihr sehr schwer gemacht wird, wie dieser für das Medium überraschend tiefgängige Artikel in Cosmopolitan zeigt.

Die Themen

Und über welche Themen diskutieren all die Kandidaten dieses Tableaus? Nun, natürlich sind da die großen innenpolitischen Fragen (die immer noch recht langsam in Gang kommende Wirtschaft mit ihrer mutmaßlich abgehängten Mittelklasse, eine brutale Gewalt des Staates und harte Justiz vor allem gegen Schwarze, der weltweite Kampf gegen den Terror und als bedrohlich wahrgenommene Staaten wie Iran, Nordkorea und teilweise Russland. Diese Fragen betrachten wir detailliert in den kommenden Monaten, unten steht unsere Umfrage mit Euren Themenwünschen für die nächsten Teile.

Doch bis dahin lassen wir es hierbei, denn schließlich befassen sich auch die US-Medien mehr mit Hillarys Emails oder dem neuesten Trump-Spruch, mit dem er versucht, den Nachrichtenzyklus zu dominieren.

So geht’s los: Iowa und New Hampshire

Wie aber geht’s nun weiter? Montag waren die ersten Vorwahlen in Iowa. Im Deutschen wird dabei meist nur der Begriff Vorwahl benutzt, auf Englisch wird unterschieden zwischen den sogenannten Primaries, also tatsächlichen Wahlen und den Staaten mit Caucus. Formell werden dort keine Kandidaten gewählt, sondern Delegierte, die dann zu den Nominierungsparteitagen entsandt werden. Die Regeln, wie viele Delegierte nach welchem Schlüssel geschickt werden, sind nahezu von Staat zu Staat verschieden. Es gibt Verteilungen gemäß dem proportionalem Wahlergebnis – bei zwanzig Prozent der Stimmen bekommen Kandidat oder Kandidatin zwanzig Prozent der Delegierten, bei dreißig Prozent sind’s dreißig Prozent – und es gibt Verteilungen nach dem Winner-takes-All-Prinzip: Sieger oder Siegerin (mit egal welchem Vorsprung) bekommen alle Wahlmänner zugesprochen. Dann gibt es Staaten mit einer Prozent-Sperr-Klausel, Staaten ohne Klausel, Staaten, in denen jeder vorwählen darf oder solche, in denen nur registrierte Anhänger einer Partei dies dürfen. Staaten, in denen die Landkreise Delegierte entsenden oder in denen nach der staatsweit abgegebenen Stimmzahl entschieden wird, oft ergänzt um von der Partei selbst entsendete Delegierte. Es ist also kompliziert. (Wikipedia)

Wikimedia Commons

In Iowa gab es einen Caucus, Stadtversammlungen, häufig in lokalen Bürgerhäusern, bei denen Wahlkampfmitarbeiter jedes Kandidaten im Raum sind. Sie halten Schilder ihres Kandidaten hoch und die Anwesenden versammeln sich um ihren Favoriten. Wie das genau ausschaut, beschreibt die Drake University. Dieses Jahr hat es besonders bei den Republikanern eine ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung gegeben. Sowohl Trumps Anhänger als auch seine Gegner scheinen also höchstmotiviert.

Iowa entscheidet über Verlierer, nicht über Sieger

Doch Obacht: Sehr viel mehr als ein erstes Stimmungsbild liefert der Staat nicht - auch wenn sich deren Bewohner anderes einbildet. Iowa ist weißer und deutlich religiöser als die allermeisten anderen Staaten. Schon bei früheren Wahlen gab es evangelikale Überraschungssieger, die dann in später wählenden Staaten kaum eine Rolle spielten. Oft liegen zwischen Platz eins und Rang drei nur ein paar tausend Stimmen, schreibt vox.com. Statt um Sieger, geht es in Iowa eher um Verlierer, denn nach den Wahlen dürften weitere Kandidaten ihre Kampagnen beenden - so haben zum Beispiel Martin O’Malley bei den Demokraten und der Evangelikale Mike Huckabee bei den Republikanern angekündigt, ihren Wahlkampf einzustellen.

Kurz nach Iowa folgt am 9. Februar New Hampshire – weil er hier besonders viel Präsenz im Wahlkampf zeigte, ein Schlüsselstaat für Jeb Bush. Sollte er in New Hampshire nicht gut abschneiden greift wohl die inoffiziell ausgegebene Losung „New Hampshire or Bust“ – New Hampshire oder kaputtgehen. Bei den Demokraten sieht es hier wohl nach einem Sieg für Bernie Sanders aus – was aber auch nicht so wichtig ist, denn in New Hampshire werden die Stimmen proportional verteilt. Hillary Clinton geht also sicher nicht leer aus. Nach weiteren Stationen in South Carolina und Nevada erwarten viele Beobachter, dass sich das Republikaner-Feld auf drei oder sogar nur zwei Kandidaten beschränken dürfte.

Das geschieht auch mit Blick auf den nächsten wirklich wichtigen Termin. Der 1. März, ist der sogenannte Super Tuesday mit 14 wählenden Staaten bei den Republikanern und einem Dutzend bei den Demokraten.

Was folgt aus Iowa?

Wir haben die ursprüngliche Version dieses Artikels um einige Ergebnisse aus Iowa ergänzt. Zusammengefasst ist vor allem Trump der Verlierer dieses ersten Stimmungstests, zum Teil auch Hillary Clinton. Trump lag in allen Umfragen vorne und wurde nur Zweiter, knapp vor dem Drittplatzierten Rubio – ein Zeichen, dass seine tösende Wahlkampfmaschine Probleme haben könnte, Theaterdonner in tatsächliche Wähler umzuwandeln. Clinton lag nur gleichauf mit Sanders, allerdings war hier vorher klarer, dass dieser sowohl in Iowa als auch in New Hampshire stark sein würde. Zu den Gewinnern zählt ganz klar Marco Rubio. Er hat besser abgeschnitten, als es die Umfragen vorhersagten. Er könnte nun zum Kandidaten des gemäßigten Establishments werden, den sich die „Alles außer Trump“-Republikaner wünschen.


Aufmacherbild: FOX.