Update: Ecuadors geheime Ölstrasse
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Update: Ecuadors geheime Ölstrasse

Eine illegale Straße führt mitten durch den Yasuní-Nationalpark in Ecuador, einem der der artenreichsten Orte auf der Welt. Das zeigt ein Video, das wir vor vier Wochen veröffentlicht haben. Was ist seitdem geschehen? Ein Update in Fragen und Antworten.

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Managing Editor

Was ist seit Veröffentlichung des Krautreporter-Berichts über Ecuadors geheime Ölstraße passiert?

Am 12. Oktober haben die Umweltschützer von YASunidos in einem offenen Brief an die linkspopulistische Regierung von Präsident Rafael Correa ihre tiefe Besorgnis wegen der unmittelbar bevorstehenden Vergabe der sogenannten Umweltlizenz für den Block 55 ausgedrückt, also der Erlaubnis, Erdöl zu fördern. „Es existieren über 5.000 Zeugnisse, die die Präsenz von ‚indigenen Völkern in freiwilliger Isolation‘ in dieser Zone bestätigen“, heißt es in dem Schreiben. Dort dürfe es keine Erdölbohrungen geben: „Sie wären fatal, sowohl für die indigenen Völker in freiwilliger Isolation als auch für die Glaubwürdigkeit Ihrer Regierung und die Institutionalisierung der Rechte von indigenen Stämmen wie den Tagaeri und Taromenane.“

Ecuadors Präsident Raffael Correa

Ecuadors Präsident Raffael Correa Cancillería del Ecuador

Im Krautreporter-Bericht geht es um eine offiziell nicht existierende Ölstraße zum Block 31, die möglicherweise zum Block 43 im ITT-Schutzgebiet verlängert werden kann. Aber wo ist der Block 55?

Der Block 55 heißt auch Armadillo-Camp und ist ein Teil des Yasuni-Biosphärenreservats. Dort leben Einheimische der Tagaeri-Taromenane in freiwilliger Isolation. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation CDES aus Ecuador gibt es dort nur wenig Öl – 9 MillionenBarrel gegenüber den 900 Millionen Barrel Rohöl der ITT-Felder. „Wenn wir es dort nicht schaffen, schaffen wir es an keinem Ort, wo es Erdöl gibt, das Überleben dieser Indigenen zu sichern“, heißt es in dem Aufruf von CDES.

Für Details bitte Karte anklicken

Für Details bitte Karte anklicken Quelle: InfoAmazonia.org

Unterstützt die Bundesregierung nicht den Schutz des Regenwalds in Ecuador? Gehört da die einheimische Bevölkerung nicht dazu?

Ecuador ist – im Verhältnis zu seiner Fläche – das Land mit der größten Artenvielfalt der Welt. In dem Land wohnen auf 283.561 Quadratkilometer Fläche 15,6 Millionen Einwohner (im Vergleich zu Deutschland hat Ecuador 80 Prozent der Fläche und etwa 20 Prozent der Einwohner). Laut deutschem Entwicklungsministerium soll das bisherige deutsch-ecuadorianische Sonderprogramm im Biosphärenreservat und Nationalpark Yasuni zum Schutz der Artenvielfalt und der dort indigenen Völker „künftig überregional ausgerichtet werden“. Auf jeden Fall vereinbarten die beiden Länder am 11. September 2015, nach einer sechsmonatigen Unterbrechung die Entwicklungszusammenarbeit wieder fortzusetzen.

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Hatte die Unterbrechung der Zusammenarbeit etwas mit dem Schutz der einheimischen Bevölkerung zu tun?

Nein, mit Bundestagsabgeordneten. Einer Delegation des Umweltausschusses wurde Anfang Dezember 2014 die Einreise verweigert. Die Ausschussvorsitzende Bärbel Höhn (Grüne) sprach von einem Affront. Vor der Weltklimakonferenz in Lima wollten die deutschen Parlamentarier Projekte besuchen, für die sie sich seit Jahren einsetzen. „Insbesondere geht es um den unter dem Titel Yasuni bekannt gewordenen Schutz des Regenwaldes vor der Verschmutzung durch die Ölförderung und die Auswirkungen auf die einheimische Bevölkerung.“

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Und was hat der Regierung von Ecuador daran nicht gepasst?

Lassen wir doch einmal den Botschafter des Landes, Jorge Jurado, zu Wort kommen. Der sagte im Dezember 2014 bei einer Zusammenkunft im Bundestag, der Besuch sei weder über die entsprechenden staatlichen Stellen geplant noch koordiniert worden. (Das Auswärtige Amt in Berlin widersprach dieser Darstellung.) Auch sei der Programmentwurf für den Besuch der deutschen Abgeordneten „für die Regierung Ecuadors in Ermangelung von Ausgeglichenheit nicht annehmbar“.

Was versteht denn der Botschafter unter Ausgeglichenheit?

Jedenfalls nicht, um Jurado weiter zu zitieren, Personen, die „mittels Realitätsverzerrung, bisweilen durch rechtswidrige Verleumdung und mit der Absicht, politischen Schaden und einen Ansehensverlust der ecuadorianischen Regierung zu erzeugen“, die Regierung Correa attackiert haben. Die Bundestagsabgeordneten hätten sich mit Personen treffen wollen, „die jenseits der demokratischen Streitkultur agieren“. Übrigens kamen dann die deutschen Abgeordneten am Rande des Klimagipfels in Lima trotzdem mit Umweltschützern von YASunidos zusammen und bestärkten sie darin, sich auch künftig für den Schutz des Regenwaldes einzusetzen.

Aber eine abgesagte Delegationsreise ist doch kein Grund, die bilaterale Zusammenarbeit einzustellen?

Der Konflikt spitzte sich dann zu. Der ecuadorianische Botschafter warf Deutschland vor, die Yasuni-Initiative sei 2007 auch „wegen einer fehlenden Unterstützung des früheren Entwicklungsministers der Bundesrepublik Deutschland gescheitert“. Minister Dirk Niebel (FDP) hatte erklärt, er teile zwar die Ziele der Regierung Ecuadors, aber ausdrücklich nicht das angestrebte Instrument: „Unterlassene Ölförderung allein reicht eben nicht zum Waldschutz“, sagte Niebel.

Und welche Initiative zum Schutz von Regenwald und Klima hatte Ecuador vorgeschlagen?

Die ITT-Yasuni-Initiative, benannt nach den Ölfeldern Ishpingo, Tambococha und Tiputini im Bioshärenreservat und Nationalpark Yasuni. Dort lagern rund 20 Prozent des ecuadorianischen Erdöls. Dem Vorschlag Ecudors zufolge sollte aus ökologischen Gründen auf eine Förderung des Öls verzichtet werden, wenn die internationale Gemeinschaft eine Entschädigung in Höhe von 50 Prozent der erwarteten Einnahmen zahlt. Diese wurden auf rund sieben Milliarden US-Dollar geschätzt. Das ITT-Ölfeld umfasst eine Fläche von 200.000 Hektar, also rund einem Fünftel der Gesamtfläche des Yasuni-Nationalparks.

Und jetzt zahlt Deutschland gar nichts mehr?

Falsch. Bereits 2012 vereinbarten Ecuador und Deutschland, dass deutsches Entwicklungsministerium und Umweltministerium gemeinsam 24,5 Millionen Euro für ein Sonderprogramm zur Sicherung der Artenvielfalt und des Schutzes des Waldes sowie zur Unterstützung der indigenen Völker im östlichen Amazonasgebiet bereitstellen. Auch wurde das Programm Waldschutz und das für Klimaschutz (REDD) um zehn Millionen aufgestockt.

Und diese Zusammenarbeit hat Deutschland wegen des Eklats mit den Bundestagsabgeordneten aufgekündigt?

Die Bundesregierung hat überhaupt nichts aufgekündigt. Das Sonderprogramm wurde 2013 von Ecuador aufgekündigt und dann 2014 wieder fortgeführt. Doch dann kam es wegen der Einreiseverweigerung zum offenen Streit. Präsident Raffael Correa brach jegliche Kooperation in Umweltfragen ab und sagte in einer Ansprache, Ecuador wolle auch die bereits gezahlten sieben Millionen Euro für Umweltprojekte wieder zurückgeben. „Nehmen Sie Ihre sieben Millionen Euro, wenn Sie wollen, geben wir Ihnen weitere sieben Millionen für Fortbildungskurse in Respekt, Souveränität, Völkerrecht“, zitierte Süddeutsche.de den Präsidenten. „Sie sind willkommen als Touristen, willkommen als Brüder, aber nicht als Überwacher.“

Und diese Eiszeit in den bilateralen Beziehungen dauert bis September dieses Jahres, als die erneute Zusammenarbeit vereinbart wurde?

Nein, schon im Juni gab es ein Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Correa am Rande des EU-Lateinamerika-Gipfels. „Die Entwicklungszusammenarbeit mit Deutschland wird fortgeführt, besonders in Sachen Umwelt“, sagte der Präsident in einer Fernsehansprache.

Und die Abgeordneten im Umweltausschuss des Bundestags sind sauer oder zumindest enttäuscht?

Das kann man so nicht sagen. Das Ausschuss-Mitglied Frank Schwabe (SPD) sagt auf KR-Nachfrage, zwar müsse er als Abgeordneter Gelegenheit haben, von Deutschland finanzierte Projekte in Ecuador auch zu besuchen. Er habe aber durchaus Verständnis für die Probleme des Landes. „Es ist ein Land, das sich sozialen Fragen widmen will und dafür auch Geld braucht. Dass es interessant ist, Öl zu fördern, gerade vor dem Hintergrund eines sinkenden Ölpreises, das verstehe ich alles. Aber ich erwarte einen transparenten Umgang mit diesen Fragen.“

Frank Schwabe (SPD), Mitglied im Umweltausschuss des Bundestags

Frank Schwabe (SPD), Mitglied im Umweltausschuss des Bundestags privat

Ist nicht durch die Einreiseverweigerung das deutsch-ecuadorianische Verhältnis für lange Zeit gestört?

Schwabe schlägt inzwischen versöhnliche Töne an, wenn er nach dem Eklat gefragt wird. „Das war nicht gedacht als unfreundlicher Akt gegenüber Deutschland. Es gibt einen Konflikt innerhalb von Ecuador. Wir kamen in einer Situation, in der der Konflikt eskalierte, leider auch mit Konsequenzen für das Leben von Menschen.“

Was war damals passiert?

Wie Nina Bigalke in ihrer Videoreportage erklärt, hatte Correa im August 2013 den Weg für eine deutliche Ausweitungen der Bohrungen in die ITT-Ölfelder hinein freigemacht. Im April 2014 erkannte Correas Regierung zwei Drittel der 756.000 Unterschriften nicht an, die die YASunidos-Umweltschützer gesammelt hatten, um eine Volksabstimmung über die Frage zu erzwingen. Nur einen Monat später wurden Bohrgenehmigungen für die staatliche Petroamazonas unterzeichnet, Bohrbeginn 2016.

Was hatten die Bundestagsabgeordneten damit zu tun?

Deswegen habe es Vorwürfe aus der Zivilgesellschaft gegeben, unter anderen von den YASunidos, erklärt Schwabe. „In dieser Situation hätten wir automatisch für Transparenz gesorgt. Auf einmal fanden wir uns also in der wöchentlichen Radio-Talkshow des Präsidenten wieder. Da reichte es nicht mehr, die Reise abzusagen, sondern man musste den Klassenfeind, den Imperialisten an die Wand malen und das moralisch ummünzen, was wir da vorhatten. Das hat zu dem diplomatischen Eklat geführt.“


Und was sagt die Bundesregierung dazu? Wir haben beim Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nachgefragt. Die Antworten gab uns eine Sprecherin des Ministeriums:

Was genau bedeutet es, dass das “bisherige deutsch-ecuadorianische Sonderprogramm im Biosphärenreservat und Nationalpark Yasuni zum Schutz der Artenvielfalt und der dort lebenden indigenen Völker künftig überregional ausgerichtet werden soll“.

Nach der einseitigen Aufkündigung der Zusammenarbeit im Umweltbereich durch Ecuador hatte die Bundesregierung die gesamte bilaterale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ecuador unterbrochen. Bei den Regierungsgesprächen im September 2015 wurde Einigkeit erzielt, die Zusammenarbeit auf Basis der Vereinbarungen bei den Regierungsverhandlungen 2014 fortzusetzen. Damit wird die deutsche bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Ecuador zum Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen im Amazonasraum über die Region Yasuní hinaus auf andere betroffene Regionen in Ecuador ausgeweitet.

Hat die Regierung Correa keinen Zugriff mehr auf die Fördermittel? Wenn doch, um welche Summen für welche Projekte geht es hier?

Die Verfahren der deutschen bilateralen technischen und finanziellen Zusammenarbeit schließen einen nicht abgestimmten „Zugriff“ einer einzelnen Kooperationspartei aus.

Hat die Regierung Ecuadors – wie zwischenzeitlich angekündigt - eigentlich Fördergeld zurückgezahlt?

Nach den erfolgreichen Verhandlungen im September 2015, bei der sich beide Parteien geeinigt haben, die entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ecuador - auch im Umweltbereich - fortzuführen, ist die Ankündigung Ecuadors zur Rückzahlung der Fördergelder hinfällig.

Also gab es nur eine sechsmonatige Unterbrechung der Zusammenarbeit ohne weitere Konsequenzen?

Wesentlicher Bestandteil der Einigung bei den Regierungsgesprächen im September 2015 war ein gemeinsames Verständnis über Form und Inhalt partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen beiden Regierungen. Ausdrücklich wurde parlamentarischer Austausch als wichtiges Instrument der Zusammenarbeit bestätigt. Damit wurde eine solide Grundlage für die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit geschaffen.

Welche Maßnahmen kann die Bundesregierung ergreifen, wenn Ecuador im ITT-Schutzgebiet Öl fördert und weder den Schutz der Artenvielfalt noch der indigenen Bevölkerung gewährleistet?

Ein wichtiger Bestandteil der vereinbarten Kooperation im Umweltbereich ist der Aufbau eines Monitoringsystems für die Waldbestände und die Unterstützung des Managements der nationalen Schutzgebiete. Diese Maßnahmen sollen zum Schutz der Artenvielfalt beitragen. Die lokale Bevölkerung soll direkt von den Maßnahmen profitieren.

Läuft die Zusammenarbeit mit Ecuador reibungslos, nachdem zwischenzeitlich der Vorwurf des „Kolonialismus“ im Raum stand?”

Die erfolgreichen Regierungsgespräche im September bilden eine ausreichend belastbare Grundlage, um mit Ecuador weiterhin beim Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen im Amazonasraum zusammen zu arbeiten.