Für Jakobs ehemalige Arbeitskollegin funktionierte Konkurrieren nur auf die gemeine Art: Sie gönnte ihm seinen Erfolg nicht, versuchte ihm einen Fotografen auszuspannen, vermied Gespräche. Damals war KR-Leser Jakob Praktikant bei einer Tageszeitung. Seitdem fragt sich der Student aus Jena: Wie kann er seinen mit Konkurrenz gepflasterten Berufsweg am besten bestreiten?
Auch viele Mitglieder der KR-Community erleben Konkurrenzkämpfe im Job. Bei meiner Umfrage haben sich rund 70 Leser:innen beteiligt und fast alle kennen solche Konkurrenzsituationen. KR-Leserin Steffi erzählt: „Mein Kollege hat jede Gelegenheit genutzt, mich schlecht aussehen zu lassen und meine Ergebnisse für sich zu reklamieren.“
Viele berichten, dass Arbeitskolleg:innen respektlos konkurrieren. „Es wurde hinter meinem Rücken schlecht geredet“, schreibt ein Leser. Axel erzählt: „Ein Kollege hat angefangen, mich zu mobben.“ Ulf sagt, man habe ihm eine Affäre angedichtet. Eine Leserin erlitt Burnout, weil sich das Konkurrenzverhalten an ihrem Arbeitsplatz so zugespitzt hatte. Wenn wir uns vergleichen, kann das einen Hauch von Feindseligkeiten in den Bürofluren hinterlassen und ungesund werden. Konkurrieren stresst, setzt unter Druck, löst Selbstzweifel aus.
Jakob hat uns sein Erlebnis geschildert, weil es ihn bis heute nicht loslässt. Was tun, wenn ungesundes Kräftemessen das Arbeitsklima vergiftet? Dafür habe ich mit einem Organisationspsychologen und einer Sportpsychologin gesprochen und Erfahrungen aus der KR-Community gesammelt.
Wodurch entsteht Konkurrenz?
Während der Corona-Pandemie haben wir die Ellenbogen aneinander gestoßen, um uns nicht anzustecken und letztlich uns zu schützen. In anderen Situationen setzen wir unsere Ellenbogen ein, um uns gegenseitig zu schaden. Nämlich sobald wir um etwas konkurrieren: bezahlbaren Wohnraum, den letzten Schokoriegel im Süßigkeitenschrank, eine Beförderung.
Konkurrenz entsteht dort, wo sich Menschen vergleichen und der Platz an der Spitze begrenzt ist. Das erklärt die psychologische Theorie des sozialen Vergleichs, die auf den US-amerikanischen Sozialpsychologen Leon Festinger zurückgeht. Der soziale Vergleich erfüllt drei wichtige Funktionen: Er zeigt uns, wer wir sind (Selbsteinschätzung). Von Menschen, die in einer Sache besser sind, können wir lernen (Selbstverbesserung). Und manchmal fühlen wir uns durch den Vergleich mit anderen einfach besser (Selbstaufwertung). Je ähnlicher unsere Fähigkeiten, Wünsche und Ziele im Vergleich sind, desto stärker konkurrieren wir auch miteinander.
Konkurrenzdenken hat viel mit unserer Gesellschaftsform zu tun. Und die ist wettbewerbsorientiert. Die Soziologie spricht von der „Meritokratie“, der „Leistungsgesellschaft“. In ihr werden sozialer Status und berufliche Position rein auf die Leistung einer Person zurückgeführt. Also: Du musst viel leisten und besser sein als andere. Das schürt den sozialen Vergleich und weckt Konkurrenzdenken.
Konkurrenz ist nicht so verpönt wie ihr Ruf
Der Vergleich an sich ist kein Problem. Eher die Art, wie wir mit den daraus wahrgenommenen Unterschieden umgehen. Die können uns motivieren. In Rennveranstaltungen gibt es die Pacemaker, Tempomacher oder auch Hasen genannt, die die Laufgeschwindigkeit am Anfang eines Rennens vorgeben, aber irgendwann aussteigen. Sie sollen die Läufer:innen anspornen. Genauso verhält es sich mit Sportrekorden. Sie sind das Ziel, nach dem Sportler:innen greifen. Auch Studien kommen zu dem Ergebnis, dass der Vergleich mit anderen dazu antreibt, besser zu arbeiten. Konkurrenz kann uns also zur Bestleistung verhelfen. Das findet auch KR-Leser Michael: „Mich haben Konkurrenzsituationen zur Reflexion und eventuell auch zur Verbesserung meiner Arbeitsleistung herausgefordert und so in meiner Entwicklung gefördert.“ Jana sagt: „An Konkurrenz erkenne ich meine eigene Unzufriedenheit und stecke mir neue Ziele.“ Stimmt es also: Belebt Konkurrenz das Geschäft?
Das sagt die Organisationspsychologie
Das komme drauf an, sagt Niels Van Quaquebeke, Professor für Organisationspsychologie an der Kühne Logistics University in Hamburg. Er sagt, wenn sich Angestellte in ihrem Status von Kolleg:innen bedroht fühlen, können sie auf zwei Arten reagieren: „Entweder ich strenge mich mehr an oder ich fange an, zu schummeln und den anderen zu sabotieren.“
Wenn Konkurrenz als Herausforderung gesehen wird, pusht das und wir wollen unsere Leistung verbessern. „Ich bilde mich in Eigenregie ständig fort“, bewirkt die Konkurrenz am Arbeitsplatz bei Leserin Anke. Wird Konkurrenz als Bedrohung der beruflichen Stellung gesehen, setzen wir uns anders zur Wehr. Dann lästern Kolleg:innen, verbreiten Gerüchte, leiten wichtige Arbeitsinformationen nicht weiter oder verhalten sich wie in Jakobs Fall unkollegial und sabotieren einander. Um den eigenen Status zu bewahren, können wir positiv bei uns selbst ansetzen oder uns negativ gegen andere richten.
Für das negative Konkurrenzverhalten von Jakobs Arbeitskollegin gibt es einen Fachbegriff: Social Undermining (Deutsch: Soziale Untergrabung). Darunter fallen alle hinterhältigen Aktionen von Kolleg:innen oder Vorgesetzten, die darauf abzielen, den Status, Ruf oder die Leistung einer Person am Arbeitsplatz zu schwächen. Wenn Kolleg:innen konkurrieren, geht es häufig um Anerkennung. Und auch Vorgesetzte untergraben Angestellte, wenn sie Angst haben, ihre Machtposition verlieren zu können.
Ob Konkurrenzsituationen anspornen oder zu negativem Verhalten führen, hängt von mehreren Faktoren ab. Bin ich risikobereit genug, um in den Wettbewerb treten zu wollen? Ein Verhaltensexperiment zeigt, dass Frauen im Vergleich zu Männern den Wettbewerb eher meiden, weil sie ein geringeres Selbstbewusstsein haben und Risiken aus dem Weg gehen. Sollten die Frauen und Männer nur ihre eigene Leistung übertreffen, unterscheiden sich Frauen und Männer in ihrer Wettbewerbsneigung hingegen nicht. Ein weiterer Faktor ist: Habe ich ein geringes Selbstwertgefühl, das ich durch die Herabwürdigung von anderen kompensiere? Auch ein zeitlicher Aspekt spielt eine Rolle: Kann ich mich noch selbst verbessern oder bedroht jemand meinen Status so akut, dass es nur einen Ausweg gibt, die Manipulation und Sabotage?
Konkurrenz am Arbeitsplatz ist vergleichbar mit der im Sport
Als ehemalige Leistungssportlerin im Roll- und Eiskunstlaufen kenne ich Konkurrenzdruck nur zu gut. Der schnellste Lauf, der höchste Sprung, der weiteste Wurf, die meisten Tore – nirgendwo ist der Konkurrenzkampf so präsent wie im Spitzensport. Ich finde: Über den Umgang mit Konkurrenz können wir deshalb viel von Situationen aus dem Sport lernen.
Daher habe ich mit der Sportpsychologin Babett Lobinger gesprochen, die seit 26 Jahren am Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule in Köln lehrt und seit 2006 Fußballtrainer:innen für den DFB ausbildet. Als ehemalige Leistungssportlerin im Siebenkampf und 400-Meter-Hürdenlauf sieht Babett Lobinger den sozialen Vergleich durchaus als gewinnbringend. Sie sagt: „Dass wir uns vergleichen, ist ganz natürlich. Und Vergleich kann dazu führen, dass ich Respekt und Achtung vor dem habe, was jemand anderes leistet oder, dass ich mich für ihn oder sie freuen kann.“ Konkurrieren lehre uns so schon, von klein auf zu gönnen.
Ehrgeiz beim Konkurrieren sei positiv und produktiv – zumindest teilweise: „Es gibt auch negativen Ehrgeiz. Wir nennen das Kopfball mit Aufstützen: „Ich mache mich größer, indem ich jemanden runterdrücke.“ Fußballspieler:innen stützen sich dabei auf ihren Gegner:innen ab, um höher zu springen und den Ball mit dem Kopf weiterzupassen. Das ist der gleiche psychologische Mechanismus, der hinter dem Konkurrenzverhalten von Jakobs Arbeitskollegin steckt: sich selber aufwerten, indem man andere abwertet.
Lobinger erzählt mir von dem Sportphänomen „ugly winning“, auf Deutsch „hässliches Gewinnen“, das von solch negativem Ehrgeiz angetrieben ist. Hässlich gewonnen wird mit Verhaltensweisen, die dem Fair-Play-Gedanken im Sport widersprechen. Das kann von verbalen Beschimpfungen (wie Provokationen oder Lästereien) über Täuschungen und Betrug (wie Bestechungen oder Doping) bis zu Gewalt gehen. Konkurrent:innen sollen so verunsichert werden, dass sie nicht ihre maximale Leistung abrufen können.
Diese Rolle spielt die Führung
Wie können unkollegiale Karrieremanöver vermieden werden? Um in der Analogie des Fußballs zu bleiben: durch Spielregeln. Schiedsrichter:innen überwachen das Konkurrieren. Es gibt Dopingkontrollen, gelbe und rote Karten werden für unfaires Verhalten gezückt, Gewalt gilt als Foul.
Überträgt man das auf die Arbeitswelt, müssten die Führungskräfte für ein gutes Arbeitsklima sorgen, sagt Niels van Quaquebeke. Führungskräfte sollten Grenzen setzen und reagieren, wenn Angestellte zu verbissen konkurrieren. Auch müsse man sich fragen: Liegt verbissenes Wetteifern wirklich an dem negativen Ehrgeiz einer einzelnen Person oder an der Unternehmenskultur? Arbeitsstrukturen, die wettbewerbsorientiert angelegt sind, können den ständigen Vergleich zwischen Mitarbeitern forcieren. Eine experimentelle Studie des Max-Planck-Instituts und der IESE Business School in Barcelona fand heraus, dass die Feedbackkultur eines Betriebes das Konkurrenzverhalten der Mitarbeitenden fördert. Konkurrenz entstand, sobald die Teilnehmenden öffentlich miteinander verglichen und sie nach ihrer Leistung in eine Rangfolge gebracht wurden. Wenn Firmen also Bonuszahlungen oder den Verbleib in einer Firma von der Leistung abhängig machen, wenn es Up oder Out heißt, werden Arbeitnehmende kompetitiver. In solchen Konkurrenzsituationen fühlen sich Angestellte dann gestresst, verspüren Versagensangst und arbeiten so auch schlechter.
Das sind Tipps für den Umgang mit Konkurrenzsituationen
Was kann man nun tun, wenn Konkurrenz das Arbeitsklima vergiftet? Aus den Gesprächen mit den Psycholog:innen und euren Antworten aus der Umfrage habe ich acht Schritte zusammengefasst, wie sich Menschen wie Jakob aus ungesunden Konkurrenzsituationen herausmanövrieren und respektvoll auf den Wettstreit reagieren können.
1. Selbstkritik üben und Demut zeigen: „Ich würde erstmal selbstkritisch bei mir anfangen und mich fragen: Habe ich was gemacht, das dieses Verhalten legitimiert“, sagt Organisationspsychologe Niels Van Quaquebeke. Das bedeutet nicht, dass wir uns die Schuld an einer schlechten Arbeitsbeziehung mit Kolleg:innen geben müssen. Aber ein guter Start ist es, die eigene Wahrnehmung der Situation zu hinterfragen. Denn die muss nicht immer stimmen.
2. Die Kontrahent:innen als Teammitglied sehen: „Wenn du das Gefühl hast, dass einzelne Leute sich von dir bedroht fühlen, versuche die Bedrohung rauszunehmen“, sagt der Organisationspsychologe weiter. Konkurrenzsituationen können entschärft werden, indem man Erfolge nicht für sich selbst vereinnahmt, sondern sie als gemeinsame Erfolge zelebriert. Dazu rät auch die Sportpsychologin Babett Lobinger. Sie sagt, Trainer:innen müssten eine teaminterne Haltung schaffen, in der Erfolg mit allen Mitgliedern geteilt wird. Sie nennt das eine „Shared Success“-Atmosphäre. KR-Leserin Moni bringt es auf den Punkt: „Am Ende des Arbeitstages arbeiten wir alle für den gemeinsamen Erfolg.“
3. Eine Mentoring-Beziehung aufbauen: Wenn Kolleg:innen um Hilfe und Unterstützung gebeten werden, können sie sich anerkannt fühlen. „Dann kommt es häufig zu einem Switch bei den anderen. Die merken, dass du sie in der Hierarchie über dir respektierst“, erklärt der Organisationspsychologe. Dann verhalten sie sich auch anderen gegenüber respektvoller.
4. Das Gespräch suchen: Offene Gespräche können viel lösen und manchmal ist das Gegenüber auch einsichtiger, als man es erwartet. Dinge anzusprechen ist besser, als im Stillen zu leiden.
5. Höflichkeit bewahren: Die Teilnehmenden der Umfrage waren sich überwiegend einig: Nur weil sich der Arbeitskollege oder die Arbeitskollegin unkollegial verhält, sollte das nicht zum Mitmachen einladen. Besser wäre es, Professionalität zu bewahren und gewaltfrei zu kommunizieren.
6. Dokumentieren: Die Leser Ulf und Renée geben den Tipp, ein Tagebuch zu führen, in dem alle Sabotagen dokumentiert werden. So hat man Beweise, die man beim Arbeitgeber vorlegen kann.
7. Verbündete suchen: Wenn das Gespräch die Konkurrenzsituation nicht verbessert, können andere Kolleginnen und Kollegen um Rat gefragt werden. In der Arbeitswelt gibt es oft Ombudspersonen. Das sind Vertrauenspersonen, die für solche Fälle ansprechbar sind. Auch an die Personalabteilung oder den Chef kann man sich wenden.
8. Die Reißleine ziehen: Wenn sich Konkurrent:innen respektlos verhalten, hilft nur: Grenzen setzen, bei Konkurrenzspielchen nicht mitmachen und „das Feld verlassen“, wie es im Psychologiejargon heißt.
Erfolg kann letztlich auf zwei Weisen gemessen werden, im Vergleich mit sich selbst oder mit anderen. Und der Blick auf unser gestriges Ich hat den großen Vorteil: Man fängt nicht an, unfair gegen andere zu konkurrieren.
Vielen Dank an Jakob für seine Frage und alle, die sich an meiner Umfrage beteiligt haben: Feli, Otto, Lena, Ruth, Julie, Daniel, Conny, Astrid, Roland, Wolfgang, Birgit, Michael, Sina, Tony, Leon, Paula, Anna, Katja, Sabine, Franziska, Chrisi, David, Christel, Nina, Arthur, Sascha, Bettina, Markus, Jurij, Johanna, Angela, Barbara, Rika, Christian, Ralf-Dietmar, Steffi, Vanessa, Bianca, Edel, Gerda, Steffi, Maike, Jana, Ulf, Stefan, Wiebke, Victor, Paula, Gerda, Sam, Renée, Renate, Claudia, Axel, Sören, Moni, Anke, Sirit und alle anderen.
Redaktion: Astrid Probst, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Iris Hochberger