„Was mich wirklich interessiert, drucke ich mir aus und packe es in eine Pappschachtel“
Leben und Lieben

„Was mich wirklich interessiert, drucke ich mir aus und packe es in eine Pappschachtel“

Peter Breuer arbeitet als Werbetexter. In unserer Rubrik Medienmenü verrät er seine Lieblingsquellen für die richtige Dosis an Information.

Profilbild von Aufgezeichnet von Christoph Koch

Mein erster Rundumblick morgens früh ist eine breite Presseschau im Netz. Das heißt in meinem Fall, dass ich mit der FAZ, der Süddeutschen Zeitung und der ZEIT starte, hier und da hängenbleibe und die Informationen zu vertiefen versuche, die mich am meisten interessieren. Wenn mich ein längerer Feuilletontext interessiert, der online nur angeteasert ist, entscheide ich mich für Brötchen und kaufe die Zeitung am Kiosk.

Bis vor zwei Jahren hatte ich ein SZ-Abo, das ich nach zwanzig Jahren gekündigt habe. Ich habe es einfach nicht mehr geschafft, mir eine ganze Stunde Zeit für die Lektüre zu nehmen, und jeder Versuch, das Leseverhalten selektiver zu halten, ist gescheitert. Im Gegenteil: Zum Schluss haben mich sogar die Todesanzeigen interessiert. Aber Arbeit, Haushalt, Hund und Internet – das war einfach zu viel, und irgendwann überforderte mich der auflaufende ungelesene Papierberg. Seitdem bin ich Online-Leser und Wochend-SZ-Käufer.

Die Seite von tagesschau.de besuche ich fast täglich und manchmal auch n-tv.de. Aus mir nicht erklärlichen Gründen mag ich Spiegel Online überhaupt nicht. Das ist nicht mal ein inhaltliches Problem, sondern ein gestalterisches – ich finde die Seite optisch furchtbar. Aber offenbar bin ich damit ziemlich allein – so häufig wie Spiegel Online verlinkt wird.

Mindestens einmal die Woche blättere ich durch das BildBlog, oft lese ich Stefan Niggemeiers Blog und wenn ich herzhaft lachen will, vertiefe ich mich in topfvollgold.de. Ich habe eine riesige Liste mit Blogs, die mir irgendwann mal positiv aufgefallen sind, aber diese Bookmarks teilen das Schicksal mit allen anderen in meiner Lesezeichenliste: Ich sehe sie mir nie wieder an.

Beim Lesen macht mich alles aggressiv, was mir nach drei Sätzen sagt, dass der Autor oder die Autorin zur Recherche das Haus nicht verlassen hat. Oder im schlimmsten Fall nur den Finger in den Wind gehalten hat, um mal zu schauen, was gerade gut läuft. Dann bin ich blitzschnell wieder weg.

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Ähnliches gilt für Leseempfehlungen: Je uneindringlicher der Tipp formuliert wird, desto lieber lese ich es. Ist es mit „Lesebefehl“ überschrieben, lese ich es nicht, entfreunde die Person auf Facebook, blocke sie auf Twitter und lösche die Telefonnummer aus meinen Kontakten.

Auch auf Eilmeldungen und Pushnachrichten habe ich keine Lust. Ich hasse alle Benachrichtigungsfunktionen am Rechner oder am Handy, und wenn ich ein neues Gerät kaufe, widme ich die ersten Stunden dem Abstellen all dieser elektronischen Fußfesseln. Termine schreibe ich in einen Kalender, den ich am Jahresende wegwerfe, und lediglich digitale Fundstücke sammle ich mit einer Software namens DevonThink.

Auf dem Smartphone lese ich außer Mails gar nichts, weil mir die Schrift zu klein ist. Das Tablet hingegen habe ich tatsächlich ursprünglich nur zum Lesen gekauft. Das iPad war das erste Apple-Produkt seit dem Newton, das mich zunächst überhaupt nicht interessiert hat. Inzwischen bin ich davon begeistert.

Was mich wirklich interessiert, drucke ich mir aus und packe es in eine Pappschachtel. Wenn die voll ist, mache ich mit einer Bindemaschine ein gebundenes Buch daraus. Das klingt so zwanghaft, ist aber sehr praktisch, weil ich es so blitzschnell wiederfinde.

Auf Reisen lese ich nur Bücher, die mir für den Rest des Jahres zu dick sind. Gerne auch einen Roman, der im weitesten Sinne zum Reiseziel passt. Als ich vor anderthalb Jahren in New York war, war das Buch zwar nicht so dick, passte aber perfekt zum Reiseziel. Schon im Flugzeug begann ich den „Fänger im Roggen“ zu lesen, und weil das Buch so kurz ist, war ich weit vor der Landung durch. Außerdem kann ich es nach der zehnten Lektüre eh fast auswendig. Ich habe dann Eselsohren in das Buch gemacht und Orte des Buchs auf dem Stadtplan gesucht, die ich dann im Laufe von neun Tagen besucht habe.

Grundsätzlich lese ich vor allem Romane, in denen es bereits elektrisches Licht, Autos und Radios gibt. Außerdem sollten die Figuren nicht manieriert sprechen, sondern sich gerne auf das Wesentliche beschränken. Das ist fast deckungsgleich mit meinem Filmgeschmack. Ich bin hoffnungslos verloren für historischen Stoff und pompöse Sprache. Arnold Stadlers Hotzenwald-Prosa trifft meinen Nerv sehr gut.

In letzter Zeit hat mir Christian Ankowitschs Buch „Warum Einstein niemals Socken trug“ gefallen. Tolles Sachbuch, sehr informativ und klar geschrieben, gespickt mit ganz vielen Denkanstößen.

In Zeitungen und Magazinen lese ich gerne Alexander Smoltczyk, Alexander Osang und, wenn der Text von Bob Dylan handelt, natürlich Willi Winkler. Herbert Riehl-Heyse habe ich zu seiner Zeit auch stets sehr gerne gelesen. Mein Lieblingsromanautor ist Georges Simenon, und das wird sich vermutlich auch nicht mehr ändern.

Das Gefühl, von der Nachrichtenlage überfordert zu sein, ist in den letzten beiden Jahren so stark geworden, dass ich es als beruhigend empfinde, mir täglich einen oder mehrere Wikipedia-Zufallsartikel anzeigen zu lassen. Manchmal ist es entspannend, von Pflanzen zu erfahren, die die Photosynthese aufgegeben haben und myko-heterothroph von einem Pilz leben. Was auch immer das bedeutet.

Die massivste Änderung meines Leseverhaltens hat eine profane körperliche Ursache. Mit Mitte 40 wurde ich weitsichtig und verlor schlicht die Lust am Lesen. Meine erste Brille hatte keinen erweiterten Nahbereich und so konnte ich wirklich gut nur noch bei einer exakten Entfernung lesen. Für jemand, der nie eine Brille hatte und in tausend Sitz-, Liege- und Lümmelpositionen lesen konnte, war das die Höchststrafe. Außerdem musste es gleißend hell sein. Als ich die Lust schon fast verloren hatte, kaufte ich zeitgleich eine neue Brille und ein iPad mini. Inzwischen lese ich deutlich schneller als früher in gedruckter Form.

Gleichzeitig ist mein Fernsehkonsum in den vergangenen zehn Jahren fast auf Null gesunken. Das war weder eine bewusste Entscheidung noch bildungsbürgerliches Kokettieren, es hat mich einfach nur sagenhaft gelangweilt. Zwischendurch hatte ich dann sogar einige Jahre lang überhaupt keinen Fernseher mehr – oh weh, jetzt habe ich es doch gesagt. Vor zwei Jahren habe ich mir dann wieder einen Fernseher gekauft, um wenigstens ab und an Fußball schauen zu können.

Es gibt nur eine Sendung, die ich nie verpasse: Die „NDR-Talkshow“ mit Barbara Schöneberger und Hubertus Meyer-Burckhardt. Ich bin glühender Fan dieses Duos, das selbst Runden, die in ihrer Zusammenstellung dröge zu werden drohen, zu einem rauschenden Fest moderieren. Die beiden sind die perfekten Gastgeber.

In Sachen Podcasts gibt es genau einen einzigen , den ich regelmäßig höre: Alle zwei Wochen lausche ich Wrint (Wer redet ist nicht tot) mit Alexandra Tobor und Holger Klein. Es ist, als würden sich zwei humorbegabte Domians unterhalten, ohne dass ihnen ein Anrufer durchgestellt wird. Sie reden über Alltagsphänomene, wichtige ethische Fragestellungen und die optimale Tragedauer von Kleidungsstücken.


Peter Breuer arbeitet als freier Werbetexter in Hamburg. Er bloggt unter „Ein Satz sagt mehr als 1000 Worte“ und betreibt unter @peterbreuer einen zu Recht beliebten Twitter-Account.


In der von Christoph Koch betreuten Rubrik „Medienmenü“ stellen alle zwei Wochen interessante Persönlichkeiten die Medien vor, die ihr Leben prägen. Krautreporter-Unterstützer können in der Kommentarspalte rechts oder per Mail an christoph@krautreporter.de vorschlagen, wen sie gerne in dieser Rubrik porträtiert sehen würden.

Illustration:Veronika Neubauer (Foto: privat)