Willkommen zu einer neuen Folge meines Newsletters, in dem es wie immer um gute Laune und Inspiration geht! Und weil diese Folge den hässlichsten, weil grausten Monat des Jahres beschließt (sorry, Januar!), soll sie richtig schön eskapistisch werden.
Wir fangen an mit etwas Süßem. Oder, anders gesagt, mit Amaury Guichon, Konditormeister. Ich sollte vielleicht vorwegschicken: Ich bin – wirklich! – süchtig nach Schokolade (meine Redaktion kann es bezeugen). Vielleicht erklärt sich damit ein Teil meiner Faszination für das, was Guichon tut. Ich kann diesem Mann wirklich stundenlang dabei zuschauen, wie er alles Mögliche aus, genau, Schokolade baut, zum Beispiel einen lila Drachen. Ja, du hast richtig gelesen: einen lila Drachen aus Schokolade.
Mit wie viel Kreativität Guichon den Kopf des Tieres meißelt! Wie er die Rückenzacken feilt! Wie detailliert sogar der Schokogaumen gestaltet ist! Und dann die Augen! Bevor ich das Drachen-Video von Guichon angeschaut habe (danke an dieser Stelle an meine Kollegin Theresa für den Tipp), wusste ich nicht, was alles möglich war. Wer jetzt genauso süchtig geworden ist, wie ich es schon bin, der oder dem sei die Netflix-Serie „School of Chocolate“ empfohlen, die Guichon hostet und in der es genau um diese eine Frage geht: Was lässt sich mit Schokolade alles veranstalten?
Wo wir gerade bei Netflix sind: Wer sich die Augen in diesem Winter noch nicht viereckig geguckt hat, sollte sich den neuen Film von Noah Baumbach anschauen. Der amerikanische Regisseur ist der Mastermind hinter Filmen wie Greenberg oder zuletzt auch Marriage Story (wofür er 2020 allein sechs Oscar-Nominierungen einheimste). Seit Ende des vergangenen Jahres können Zuschauer:innen sein neuestes Wunder White Noise auf Netflix bestaunen (das auf dem gleichnamigen Roman von Don DeLillo beruht).
Die Story des Films geht so: Eine amerikanische Patchwork-Akademikerfamilie, im Film angesiedelt in den 80ern, gerät mächtig ins Schleudern, als sich in der Nähe ihrer Kleinstadt ein Chemieunfall ereignet. Eben war noch alles gut, „Life is good, Jack“, sagt seine Frau Babette in einer Szene – bis das Leben der Familie plötzlich Kopf steht. Nichts scheint mehr sicher, dafür klopft die Apokalypse an die Haustür.
Klingt natürlich dystopisch. Und dann hat der Film auch noch Überlänge! Wieso also, fragst du dich jetzt vielleicht, will ich dir ausgerechnet diesen Brocken empfehlen? Weil der Film etwas Besonderes ist: Die Kameraführung, die poppigen Farben, die großartigen Dialoge, die schrullig-liebevoll gescripteten Charaktere, von denen jeder einen an der Waffel hat. White Noise ist Action-Movie, Beziehungsdrama, Katastrophenfilm, Gesellschaftssatire, Kapitalismuskritik und Mystery-Thriller, alles in einem. Es kommen auch noch Kartoffeln, Hitler und der deutsche Schauspieler Lars Eidinger als Ober-Psycho und Drogendealer vor. Alles in diesem Film ist zu viel, seichte Kost geht anders. Aber es lohnt sich, weil die ganze Überdrehtheit des Films sich zu einem großen Seh-Spaß formiert. Mehr will ich gar nicht sagen, außer: Schau ihn dir an!
Wir machen weiter mit einem Mann aus Japan, dem Komponisten und Pianisten Ryuichi Sakamoto. Der Name wird dir womöglich nichts sagen (obwohl Sakamoto in seiner Heimat sehr bekannt ist), aber vielleicht hast du die Filme Der Letzte Kaiser oder Little Bhudda gesehen? Dann kennst du Sakamoto, beziehungsweise seine Musik, denn er hat für beide Filme den Soundtrack geschrieben. Sakamotos mittlerweile 40 Jahre umfassendes Werk beinhaltet aber viel mehr als diese zwei Filmsoundtracks, etwa auch Pop oder Synthetische Musik.
Jetzt hat der 71-Jährige ein neues Album vorgelegt und hat sich dafür wieder ans Klavier gesetzt. Wie das klingt, lässt sich vielleicht so beschreiben: Stell dir Stille in ihrem ganzen Spektrum vor. Das Schöne darin, aber auch das Beängstigende. Wenn du diese Vorstellung vertonen würdest, kämst du bei Sakamotos neuer Platte raus.
Mehr als Klavier und Synthesizer braucht Sakamoto nicht, um die Stille klingen zu lassen. Wie gesprenkelt wirken die Töne, alles ganz zart, die einzelnen Tracks sind mehr Skizzen als wirkliche Songs. Dabei hört man Sakamoto manchmal atmen oder aufs Pedal treten, was einem beim Hören das Gefühl vermittelt, man säße direkt neben ihm am Klavier. Wenn du mich fragst: Es ist die richtige Platte für diese trübe Zeit. Sakamotos Musik lässt einen innehalten, stillstehen, hinhören.
Mit der nächsten Person, in die ich mich verknallt habe, wird es politisch. Ihr habt es vielleicht in den Nachrichten mitbekommen: Die 42-jährige Premierministerin Neuseelands, Jacinda Ardern, ist im Januar überraschend zurückgetreten. Verbunden mit der Einsicht, sie habe keine Kraft mehr für weitere Jahre im Amt. Ardern geht also völlig freiwillig, aus einem einfachen, sehr persönlichen Grund: Sie kann nicht mehr.
Nun könnte es einem egal sein, was am anderen Ende der Welt passiert. Und es soll hier auch gar nicht um Arderns Politik gehen; die Kolleg:innen von ZEIT Online titelten in einem Kommentar zum Rücktritt: „Die neuseeländische Politikerin war nie so gut, wie es der rosarote Blick aus der Ferne wahrhaben wollte.“ Das mag sein. Aber für mich hat Ardens Rücktritt eine andere Bedeutung: Wir sollten alle öfter Nein sagen. Besser auf uns achten. Den eigenen Bedürfnissen mehr vertrauen als den äußeren Erwartungen. Auch wenn das nicht einfach ist. Jeder und jedem, der öfter „Nein!“ sagt, will ich ein „Chapeau“ zurufen! Ardern hat das geschafft. Und wirkt damit noch sympathischer, als sie es vor ihrem Rücktritt schon war. (Übrigens, falls du es noch nicht gesehen hast: In meinem jüngsten Text habe ich auch mit einer Frau gesprochen, die es geschafft hat, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen, bevor sie in einen Burnout rutschte. Sie hat mir im Interview erzählt, was Selbstfürsorge ihr heute bedeutet – und was sie speziell Frauen rät.)
So, und damit spätestens jetzt alle wach werden, trotz Wintermüdigkeit und Vitamin-D-Mangels, steigen wir mit diesem nicht mehr ganz so neuen, dafür aber nicht weniger großartigen Song aus:
https://www.youtube.com/watch?v=_3A-7AuysxQ
Danke an den schwedischen Sänger und Moderator Lasse Holm für diese belissama performance, in die ich mich quasi schockverliebt habe, als ein Freund aus Schweden mir den Song jüngst auf mein Handy schickte, weil ich wegen akut schlechter Laune über den Berliner Januarhimmel jammerte. Nach dem Anhören des Songs erschien er mir ein bisschen heller.
Und das war sie auch schon wieder, meine persönliche Herzblatt-Show für den vergangenen Monat. Aber auch im kommenden Monat wird es wieder heißen: You call it madness, but I call it love!
Audioversion: Christian Melchert