Es ist schon wieder Monatsende und damit Zeit, sich zu verknallen! Wie in jeder Folge meines Newsletters präsentiere ich dir fünf Menschen, die mich in diesem Monat begeistert haben. Beziehungsweise: In dieser Folge sind es nur vier – die fünfte Person stellt dir Newsletter-Leserin Vivien vor.
Wir steigen locker-flockig ein, denn der November war dunkel genug. Außerdem muss ich zugeben: Ich hatte schon immer eine Schwäche für gut durchdachte Albernheiten. Kein Wunder, dass ich mich in Yoann Bourgeois verknallt habe.
Oder, um genauer zu sein: In eine Performance von ihm, die ich – wagen wir an dieser Stelle ruhig mal den Superlativ – für die beste Metapher auf das Leben halte, die ein Künstler oder eine Künstlerin sich jemals ausgedacht hat. Und das auf einem Trampolin!
Denn ist Bourgeois’ Fallen und Aufsteigen, beides zu sehen in seiner Performance, nicht genau wie das Leben selbst? Eine einzige Sisyphusarbeit? Gerade noch stehst du oben, das Leben ist der Hammer – nur, damit sich kurze Zeit später wieder alles umdreht, als hätte sich das Leben über dich lustig gemacht? All die Mühe, die wir investieren! Aber auch all der Spaß, der zwischen dieser Mühe liegt! Ganz ehrlich: Mir fällt kein kreativerer und lustigerer Weg ein als Bourgeois’ Trampolin-Performance, um all das in einer Minute und 37 Sekunden zu verkörpern.
Weiter geht es mit einem Fußballer. Klar, da war ja auch was im November; dieses große Turnier mit dem kleinen Ball, in diesem sonnigen Land, ach ja, richtig: die Fußball-WM in Katar! Habe ich allerdings nicht viel von mitbekommen. Schalke-Torhüter Ralf Fährmann hat mein Herz wegen einer ganz anderen Sache erwärmt. Weil herausgekommen ist, dass er gerne und viel Kuchen isst. Laut Sport Bild hatte Schalke–Vorstand Peter Knäbel ihn ermahnt, vor den Spielen und in der Halbzeitpause weniger Kuchen zu verspeisen. Fährmann konterte: Süßes werde nicht nur im Fußball gegessen, sondern auch in anderen Sportarten. Um den Blutzucker hochzuhalten.
Klar, ich esse Kuchen auch allein aus diesem Grund: Um meinen Blutzuckerspiegel hochzuhalten! Selten eine solch niedliche Erklärung fürs eigene Kuchen-Laster gelesen. Fährmann hat nun versprochen, in Zukunft keinen Kuchen mehr essen zu wollen. Ich hoffe, er meint es nicht ernst. Denn was wäre das Leben ohne Laster? Eben. Darauf ein Stück Torte!
Apropos ernst. Tief beeindruckt hat mich im vergangenen Monat eine 20-Jährige aus Radebeul bei Dresden. Sie heißt Carla Rochel, ist Aktivistin, Teil der Protestbegewegung „Letzte Generation“ und klebt sich deswegen gerne auf Autobahnen fest. Man kann von diesen Protesten in ihrer Radikalität halten, was man will – mein Kollege Rico hat sich in seinem jüngsten Newsletter mit der Frage beschäftigt, wie sinnvoll diese Proteste sein können –, aber mit welchem Selbstbewusstsein, mit welcher Ruhe und mit welcher Schläue diese 20-Jährige in Markus Lanz’ Talkshow sitzt, wie sie sich in die Mangel nehmen lässt und Lanz standhält, bis der sich in einem schwer zu ertragenden Monolog verrennt, hat mir größten Respekt abverlangt.
Wir machen weiter mit einer anderen 20-Jährigen, Billie Eilish. Seit Langem bin ich Fan von ihr (so sehr, dass ich sogar mal einen Text über sie geschrieben habe). Billie Eilish ist schon allein deswegen ein Phänomen, weil sie mit 15 (!) Jahren ihre Karriere begann, aber anders als andere Kinderstars einen guten Weg ins erwachsene Künstler-Dasein zu gehen scheint. Beobachten kann man das zum Beispiel in dem Video-Interview, das sie einmal pro Jahr dem amerikanischen Magazin Vanity Fair gibt.
Gerade ist die 6. Episode aus diesem Jahr veröffentlicht worden. Eilish beantwortet darin ganz simple Fragen, etwa, was sie heute gegessen hat, aber auch, ob sie sich glücklich wähnt, oder auf welche Sache aus dem vergangenen Jahr sie stolz ist – am witzigsten und gleichzeitig anrührendsten sind aber jene Momente in dem Video, in denen sie sich selbst kommentiert, also Ausschnitte der vergangenen Interviews. In jedem dieser Videos haben ihre Haare eine andere Farbe, in jedem Jahr wächst ihre Follower-Zahl um ein paar Millionen (aktueller Stand auf Instagram: 107 Millionen!), in dem Interview von 2018 tummeln sich auf ihrem Kinn noch Pubertätspickel, und jetzt, 2022, sitzt da diese junge Frau, die ziemlich erwachsen wirkt. Obwohl sie noch so jung ist. Mit wie viel Liebe und Reflektiertheit Eilish auf sich selbst schauen kann: faszinierend!
Und nun gebe ich das Wort an KR-Leserin Vivien, die Abonnentin meines Newsletters ist. Sie war meinem Aufruf gefolgt, in dem ich euch bat, mir zu erzählen, für wen ihr gerade schwärmt. Viviens Rückmeldung kam pronto: Judith Holofernes, schrieb sie.
Die Frontfrau der ehemaligen Band Wir sind Helden hat jüngst ein Buch geschrieben, „Die Träume anderer Leute“, in dem es um die Zeit mit ihrer Band geht, den frühen Erfolg, das Leben damit und das Leben danach. Was Vivien an Holofernes so begeistert hat:
„Da ist jemand aus vollem Herzen und schierer Begeisterung einfach ganz Mensch und bekennt sich öffentlich dazu. Mit allen Abgründen, Widersprüchlichkeiten, Freuden und Verrücktheiten. So viel Echtheit, Ganzheit, Wahrhaftigkeit gepaart mit unbedingter Lebensfreude habe ich lange nicht in der Öffentlichkeit gesehen, und es tut unendlich gut, weil es mich motiviert, mich auch mit meiner Ganzheit der Welt zuzumuten.”
Und das war sie auch schon, meine persönliche Herzblatt-Show für den November. Aber auch im kommenden Monat wird es wieder heißen: You call it madness, but I call it love!
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Thembi Wolf; Bildredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger