Der 29. Juni 2002 war wie gemacht für die Priesterinnenweihe. Die Sonne schien, der Himmel war blau. Das Wasser der Donau schwappte gegen den Bug der MS Passau. Die Passagier*innen waren festlich gekleidet, auf dem Deck wartete ein Buffet mit Schnitzel und Schweinsbraten. Christine Mayr-Lumetzberger und sechs andere Frauen sollten an diesem Tag an der deutsch-österreichischen Grenze die Weihe zur katholischen Priesterin empfangen. Contra legem, gegen bestehendes Kirchenrecht.
Dornige Zeiten seien das gewesen, sagt Mayr-Lumetzberger. Im November 2018 sitzt sie in einem Seminarraum in München. Mayr-Lumetzberger, 63, randlose Brille, kurze blond gefärbte Haare, sagt über ihre Weihe: „Ich habe die ganze Zeit gedacht: Bringen wir diesen Tag gut hinter uns.“
Schon vor der Weihe tönte das Erzbistum München in einer Pressemitteilung: „Dubioses Sektenspektakel.“ Die Österreichische Bischofskonferenz warnte, dass die Frauen die Einheit der Weltkirche gefährden würden. Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner bezeichnete die Weihe der Frauen im WDR als „ebensolchen Unsinn wie der Wunsch von Männern, Kinder gebären zu können“.
Die sieben Frauen hatten nach langem Suchen einen Bischof gefunden, der bereit war, sie zu weihen. Er kam aus der tschechischen Untergrundkirche, die sich unter dem kommunistischen Regime gegründet hatte. Doch am Morgen der Weihe erwarteten die Frauen den Bischof vergeblich. Er wurde von einem Priester in dessen Pfarrhaus festgehalten, sein Auto in die Garage gesperrt. So erzählte er es später dem oberösterreichischen Volksblatt.
Doch die Frauen hatten vorgesorgt und Ersatz mitgebracht: Bischof Rómulo Braschi aus Argentinien, ein ehemaliger Arbeiterpriester, der sich während der Diktatur in Argentinien mit der katholischen Kirche überworfen hatte und exkommuniziert worden war. An Bord war auch der Priester Rafael Regelsberger aus Österreich, den Braschi kurz zuvor sicherheitshalber zum Bischof geweiht hatte.
Braschi und Regelsberger hielten den römisch-katholischen Weiheritus penibel ein: Die Frauen legten sich ausgestreckt mit dem Gesicht zu Boden vor den Altar und knieten vor den Bischöfen nieder. Die beiden Männer legten ihnen die Hände auf den Kopf und sprachen das Weihegebet. Bischof Braschi redete die Frauen mit „hermanos“ an, Brüder. Der Ritus ist nicht in einer weiblichen Form vorgesehen. Nur den Gehorsam gegenüber den Bischöfen schworen die sieben Frauen nicht. Schließlich wollten sie Gott gehorchen, nicht einem Bischof.
An diesem Samstag verließen die ersten sieben öffentlich geweihten Priesterinnen in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche die MS Passau, geweiht contra legem.
Wer nicht gehorcht, fliegt raus
Elf Tage später meldete sich der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, persönlich zu Wort. Er nannte die Weihe einen „schweren Verstoß gegen die göttliche Verfassung der Kirche“ und forderte die Frauen auf, Reue zu bekennen und bei den Gläubigen um Verzeihung zu bitten. Er gab ihnen zwölf Tage Zeit. Am 5. August exkommunizierte Ratzinger Meyr-Lumetzberger und die anderen Frauen.
1994 hatte Papst Johannes Paul II. klargestellt: Jesus war ein Mann und hatte vor 2.000 Jahren allein Männer zu Aposteln berufen. Die Kirche habe daher keine Vollmacht, Frauen die Priesterweihe zu spenden.
Normalerweise wird eine Exkommunikation nicht verkündet. Sie tritt einfach ein, wenn man Verbotenes tut. Wenn man abtreibt. Oder eine Hostie wegwirft. Oder sich von einem exkommunizierten Bischof weihen lässt. Exkommunizierte zahlen weiter Kirchensteuer. Aber sie dürfen keine Sakramente empfangen, also nicht kirchlich heiraten, beerdigt werden oder am Abendmahl teilnehmen. Sie dürfen kein kirchliches Amt übernehmen.
Die Frauen versuchten vergeblich, mit dem Vatikan zu verhandeln. Sie beantragten eine Änderung des Canons 1024 des Codex Iuris Canonici, dem katholischen Kirchenrecht. Das Gesetz lautet: „Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann.“ Die Frauen schlugen vor, ein einziges Wort zu ändern: „Mann“ in „Mensch“. Die Priesterinnen stützten sich vor allem auf den Bibelvers Galater 3, 27-28. In dem heißt es, dass in der Taufe alle gleich sind, Frauen und Männer. Vom Vatikan gab es keine Reaktion.
Doch braucht es wirklich theologische Argumente? Was ist mit Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“? Christine Mayr-Lumetzberger ist zwar exkommuniziert, aber hoffnungsvoll, was die Zukunft ihrer Kirche angeht. Sie sagt: „Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher. Ich bin über das Tempo unglücklich, aber im Vergleich zu 2.000 Jahren Kirchengeschichte ist es ein Höllentempo.“
Frauen protestieren und fordern eine Erneuerung der Kirche
Denn es ändert sich etwas in der katholischen Kirche. Immer mehr gläubige Frauen sind unzufrieden. Im Mai 2019 demonstrieren katholische Frauen in ganz Deutschland. Eine Woche lang wollen sie den Gottesdienst boykottieren, ihre Ehrenämter niederlegen und vor den Kirchen protestieren. Dazu aufgerufen hat die Initiative „Maria 2.0“ aus Münster. Sie fordern ein Ende des Zölibats, eine Erneuerung der Kirche, und: Frauen sollen endlich Priesterinnen werden dürfen. Wie lange hält die katholische Kirche, von Mitgliederschwund geplagt, an ihrer Tradition fest? Und was treibt Frauen an, Priesterinnen zu werden?
Wie pompös Priester und Bischöfe in einer Kirche empfangen werden, zeigt der Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. Zweimal im Jahr treffen sich alle 67 deutschen Bischöfe. Es ist ein kalter Tag Anfang März in Lingen im Emsland. Die auffällig schlichte Kirche St. Bonifatius ist wegen Überfüllung geschlossen. Die Bischöfe steigen in violetten Gewändern und mit kleinen Kappen auf dem Kopf einer nach dem anderen aus den Reisebussen.
Vor der Kirche steht Lisa Kötter mit ihrer Gitarre. Trotz Kälte und Nieselregen zupft sie die Saiten und singt mit den Frauen neben ihr „Veni sancte spiritus“ – komm, heiliger Geist. Sie halten ein Plakat hoch, Maria mit zugeklebtem Mund. Lisa Kötter und die anderen Frauen der Initiative „Maria 2.0“ haben den Kirchenstreik der Frauen im Mai organisiert. Sie haben genug vom katholischen Bild der Frau, devot und schweigsam. „Wenn die so weitermachen“, sagt Lisa Kötter, „sind wir alle weg.“
Die Bischöfe beachten die singenden Frauen kaum. In Zweierreihen trotten sie an ihnen vorbei in Richtung Pfarrgebäude. Im Foyer der Kirche steht eine kurze Reihe weiterer Demonstrant*innen mit Bannern, auf denen „Tempo bitte“ oder „Macht Veränderungen möglich“ steht. Die meisten sind Frauen. Sie halten den Bischöfen stumm ihre Banner entgegen.
Der katholischen Kirche laufen die Gläubigen davon
Seit 1990 sind vier Millionen Menschen in Deutschland aus der katholischen Kirche ausgetreten. Laut einer Umfrage der Deutschen Bischofskonferenz sinkt auch die Zahl der Priester, sodass die Bistümer und Gemeinden dringend auf weiteres Personal angewiesen sind. Von 17.129 Priestern im Jahr 2000 sind 2017 nur noch 13.560 übrig. Bei den 23,3 Millionen Katholik*innen in Deutschland ist ein Priester im Durchschnitt für 1.719 Menschen verantwortlich. Die Unterstützung durch Frauen käme da gerade recht.
Frauen dürfen zwar keine Priesterinnen werden. Doch seit den 60er Jahren dürfen sie als Gemeinde- und Pastoralreferentinnen Gottesdienste halten und Gemeinden führen. Nur Priester dürfen taufen, verheiraten und das Abendmahl spenden.
Wenn man Bischöfe auf das Thema Frauenweihe anspricht, dann verweisen sie auf eine 19- Prozent-Quote von Frauen in Führungspositionen. Gemeinsam mit dem Hildegardis-Verein, der sich für die Förderung von katholischen Frauen starkmacht, hat die Deutsche Bischofskonferenz ein Mentoring-Programm eingeführt. Hier werden Frauen zum Beispiel auf die Leitung der Pressestelle oder des Seelsorgeamts vorbereitet.
Doch reicht das? Wie lange kann sich die katholische Kirche erlauben, Frauen nicht den Männern gleichzustellen?
Die deutschen Bischöfe können nicht allein entscheiden
Bei der Frage fällt dem Berliner Erzbischof Heiner Koch beinahe die Kaffeekanne aus der Hand. Ende März, zwei Wochen nach der Bischofskonferenz in Lingen, sitzt der 64-jährige schlicht in Schwarz gekleidet in seinem Berliner Büro mit dem wuchtigen Schreibtisch und den Goldrahmen an der Wand. Er findet nicht, dass die Frauenweihe eingeführt werden sollte, um dem Priestermangel oder den Kirchenaustritten vorzubeugen. Sie sollte eingeführt werden, wenn man es für richtig erachte. Und da hätten er und die Deutsche Bischofskonferenz keine Entscheidungsvollmacht. „Wir sind eine Weltkirche.“
Koch versteht zwar die Frauen, die Priesterinnen werden wollen. Doch dann spricht er von einem Bild, einem Bild, das der Kirche enorm wichtig sei. Das Bild vom Mann, Jesus, der gibt, und der Frau, die Kirche, die empfängt. Der weißhaarige Mann spielt mit seinem Bischofsring. „Dieses Bild, das bewusst von Gott geschaffen wurde, kann man nicht einfach so aufgeben oder ändern, auch wenn es missbraucht werden kann, um ein Machtgefälle zu rechtfertigen.“
Statt Kirche einen „Vatikan“ in den eigenen vier Wänden
Judith Gigl, 51, sitzt im „Vatikan“. Nicht in dem in Rom, den dürfte sie im weißen Priesterkragen, der unter ihrer Strickjacke hervorblitzt, niemals betreten. Aber sie hat ihr Gesprächszimmer des Bauernhauses, das sie mit ihrem Mann und den drei Kindern bewohnt, so genannt. Hier, in Gottmadingen an der Schweizer Grenze, empfängt sie zum Trauergespräch und zur Beichte. Vier bunt bemalte Leinwände hinter ihr an der Wand treffen sich in der Mitte zu einem goldenen Kreuz. Ein Aquarium mit Guppys verbreitet grünlichen Schimmer, eine alte Uhr, ein Hochzeitsgeschenk, tickt beruhigend. Gigl ist eine quirlige Frau. In Hosen fühlt sie sich wohler als in den Röcken, die sie als Mädchen hätte tragen sollen.
Es sei nicht nur das jahrtausendealte Argument mit Jesus, sagt Judith Gigl. Der Ausschluss der Frau gründe auch auf ihrer vermeintlichen Unreinheit. Als Katholikin hätte sie zum Beispiel keine Tampons benutzen sollen. „Unrein, alles unrein“, sagt Gigl. „Da berührt man die Scheide, das könnte ja sexuell stimulieren.“ Sie schaut belustigt. Sie hat trotzdem welche benutzt.
Am 29. Juni 2002 sah Gigl die Priesterinnenweihe auf der MS Passau in der Tagesschau. „Das wärs“, dachte sie. Aber Gigl arbeitete damals als Erzieherin im Kindergarten und hatte nebenbei eine Ausbildung zur Gemeindereferentin im Erzbistum Freiburg begonnen.
Sie wusste, würde sie es den Priesterinnen auf der Donau gleichmachen, könnte sie die Ausbildung und das darin eingeschlossene Theologiestudium vergessen. Und sie hing an ihrer Kirche, an der katholischen Liturgie, der feierlichen Atmosphäre, den Gebeten, den Liedern.
Das Bistum entzog Gigl plötzlich die Studienerlaubnis
Kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung entzog ihr das Bistum plötzlich die Studienerlaubnis. Im Schreiben stand: Man danke ihr für ihr Engagement und wünsche ihr und ihrer Familie Gottes Segen. Gründe wurden nicht genannt. Gigl sagt: „Das hat mir wirklich den Boden unter den Füßen weggezogen.“
Als Grund für den Rausschmiss fällt ihr nur eine Gemeindereferentin aus dem Pfarrgemeindepraktikum ein. Die habe gedroht, Gigl aus dem Studienprogramm nehmen zu lassen, weil sie der Ansicht war, dass eine Mutter ins Haus und zu ihren Kindern gehöre. Wenn Judith Gigl zu den Seminaren in Freiburg, Würzburg und Singen fuhr, kümmerte sich ihr Mann um die drei Kinder, den Haushalt und die vier Frettchen.
Bei einem Bestatter bot Gigl ihre Dienste als Freie Rednerin an, um wenigstens Trauerreden halten zu können. Nur eben nicht katholisch. Und sie nahm Kontakt mit Mayr-Lumetzberger auf. Eigentlich habe sie nur mal wissen wollen, wer diese Frauen waren und ob ihre Bewegung ernst zu nehmen sei. Mayr-Lumetzberger lud sie und ihre Familie zu sich nach Oberösterreich ein. Die beiden Frauen sprachen lange miteinander.
Mayr-Lumetzberger erzählte Gigl, die Berufung sei wie eine musikalische Begabung. Manche haben sie, manche nicht. Ob sie es sich vorstellen könne? Sie gab ihr ein halbes Jahr Bedenkzeit. Auf dem Rückweg war Markus Gigl überzeugt, dass Gott seine Frau zur Priesterin berief. Judith Gigl nicht. Sie war doch gerade erst schmerzhaft mit der Kirche aneinandergeraten.
Als Gigl ein zweites Mal nach Österreich fuhr, stieg ein Mann zu ihr in den Zug. Er rollte ein großes Leintuch auf dem Boden aus und schrieb darauf mit Edding: „Für Priesterinnen in der katholischen Kirche.“ Er war auf dem Weg nach Augsburg zu einer Demo. Seine Frau, eine Gemeindereferentin, durfte nicht daran teilnehmen, weil ihr sonst gekündigt würde.
2012 wurde Judith Gigl von Christine Mayr-Lumetzberger zur Diakonin geweiht. Ein Jahr später zur Priesterin.
Heimliche Weihe, damit niemand in die Hölle kommt
Auf dem Tisch in Gigls „Vatikan“ liegt ein Stapel Fotos. Gigl nimmt eins in die Hand, betrachtet es kurz, erklärt. Da: Fotos von der Weihe. Mayr-Lumetzberger hinter einem Altar zu sehen, sie trägt ein Bischofskreuz um den Hals. Personen auf dem Bild sind zum Teil unkenntlich gemacht. Denn es reicht, eine solche Weihe zu besuchen, um exkommuniziert zu werden.
Das nächste Foto. Gigls Weihe zur Priesterin, 2013. Die Fotos zeigen einen hellen Raum mit Regalen an den Wänden, in denen unterschiedliche Kerzen stehen. Mal bunt, mal verziert. Unter Gigls Albe, dem weißen Engelchengewand, ragen ihre nackten Füße hervor. Es ist August. Der irritierte Blick eines anwesenden Priesters ist auf einem Foto festgehalten.
Gigl bedauert, dass sie die Weihe nicht öffentlich machen konnte. Viele ihrer Freund*innen, die im kirchlichen Dienst angestellt sind oder befreundete Priester, die die Frauenweihe heimlich unterstützen, hätten es dann nicht riskieren können zu kommen. Sicherheitshalber haben die Gigls erst ganz kurzfristig eingeladen, nichts drang nach außen. So kam niemand in die Hölle, wie die Schwiegermutter noch befürchtet hatte.
Judith Gigl weiß, auch sie ist exkommuniziert. Aber es ist nicht schlimm für sie. Sie arbeitet als freie Trauerrednerin, ihr Mann ist fest angestellt, die Familie kommt gut über die Runden.
Für ein Trauergespräch in Judith Gigls „Vatikan“ bezahlen die Angehörigen 90 Euro. Die Ansprache am Grab kostet zwischen 100 und 150 Euro, eine Hochzeit zwischen 250 und 300 Euro. Seelsorgegespräche sind umsonst. Ihre anerkannten männlichen Priesterkollegen verdienen laut der Forschungsgruppe für Weltanschauungen in Deutschland im Durchschnitt 6.000 Euro im Monat. Als ausgebildete Gemeindereferentin im Bistum Freiburg hätte Gigl gut die Hälfte verdient, um die 3.000 Euro.
Wenn sie bei schlechtem Wetter auf dem Friedhof im Nachbarort eine Trauerfeier hält, hängt eine Kordel mit einem Schild „Nicht betreten, frisch gewachst“ vor der Kapelle. Nicht dass jemand auf die Idee kommt, sie hineinzulassen. In einer Kirche darf sie als nicht anerkannte, exkommunizierte Priesterin keinen Gottesdienst halten. Sie respektiert das. Die Kordel amüsiert sie eher.
Natürlich wäre es schön, in einer Kirche Gottesdienst zu feiern, sagt Gigl. Aber sie habe auch gesehen, was es mit Menschen mache, wenn alle Aufmerksamkeit auf sie gelenkt werde. Sie selbst merke das schon, wenn sie mit dem kleinen Magnetschild mit ihrem Namen bei einer Trauerfeier erscheine. Viele sagen dann „Frau Pfarrer“ zu ihr.
Weltweit soll es schon 250 Priesterinnen geben
Um die sieben Priesterinnen von der Donau ist es ruhig geworden. Einige gehen ihrer täglichen Arbeit nach. Manche haben sich zurückgezogen. Eine ist zur evangelischen Kirche übergetreten. Zwei sind gestorben, sie haben es nicht mehr erlebt, vom Vatikan anerkannt zu werden. Doch die Weihen für Frauen boomen, vor allem in den USA. Weltweit, so zählt es eine amerikanische Initiative, gibt es jetzt 250 katholische Priesterinnen.
Im alten Bauernhaus in Gottmadingen flutet Sonnenlicht durch die Fenster von Gigls neuem Gesprächszimmer. Es ist März, drei Monate sind seit dem letzten Besuch bei ihr vergangen. Der „Vatikan“ war ihr zu klein geworden, also ist sie ins größere Zimmer gegenüber gezogen. Die Leinwände, die gemeinsam das goldene Kreuz ergeben, stehen noch hintereinander an den Kachelofen gelehnt. Vom Kirchturm schlagen die Glocken.
Ohne es zu wissen, läuten sie Judith Gigls Gottesdienst ein. Um einen Tisch mit Kelch und Schale findet sich ein kleiner Stuhlkreis von sieben Leuten ein. Gigl trägt weiße Bluse mit Kapuze, darüber eine rosa bestickte Jacke. Um ihren Hals hängt eine Kette mit einer großen Libelle. Die Form der Flügel und des feingliedrigen Körpers erinnern an ein Kreuz. Sie sitzt wie die anderen auf einem Stuhl im Kreis.
Kurz redet die Runde über den Missbrauchsskandal. Wer von ihnen denn schon überlegt habe auszutreten. Ein paar äußern sich dazu. „Ach, ihr auch.“ Gigls Mann füllt den Kelch mit Traubensaft und eine Schale mit kleinen, runden Hostien. Judith Gigl zückt eine Bibel in gerechter Sprache. Sie kam 2006 heraus und nennt Frauen explizit mit. Die Runde betet, Gigl segnet Hostienschale und Wein. Sie reicht erst Kelch, dann Hostienschale feierlich an ihre linke Nebensitzerin weiter in die Runde.
Um den Gottesdienst zu beschließen, segnet sie alle „im Namen von Gott, der Vater und Mutter ist“ und bedankt sich fürs Mitmachen. Links neben Judith Gigl sitzt eine Frau, ihr schimmert in diesem Moment eine kleine Träne im Augenwinkel.
Keine dreißig Kilometer außerhalb von Gottmadingen schlängelt sich die Donau durch die Landschaft. Sie ist hier noch viel zu schmal für ein Schiff mit Tiefgang. Gerade mal ein Ruderboot könnte auf ihr in See stechen.
Redaktion: Philipp Daum; Schlussredaktion: Vera Fröhlich; Bildredaktion: Martin Gommel.