Die Stimme des Quarterbacks dröhnt durch die Helme: „Hut one, hut two!“ Ein Mitspieler hält ihm den Football entgegen. Mit einem lauten Kick schickt der Spielmacher den eiförmigen Ball weit und hoch über das Spielfeld. Wie eine gut geölte Maschine aus Muskeln und Masse stürmt die Offence in die gegnerische Hälfte. Allen voran, Panagiotis, der Tight End auf dem rechten Flügel. Doch bevor es gefährlich wird, fängt ein Verteidiger den Ball; Chance verpasst.
Die Anspannung lässt nach dem kurzen Sprint nach. Die Spieler laufen die letzten Meter aus, bevor sie sich umdrehen, um in die Defensive überzugehen. Ein Gegner bemerkt im Eifer des Gefechts nicht, dass der Angriff vorbei ist und packt Panagiotis an der Schulter. Ein leichter Stoß reicht aus, um den 1,90 Meter großen Hünen aus der Bahn zu werfen. Seine Stollen verfangen sich im Kunstrasen. Sein ganzer Körper dreht sich um sein rechtes Bein. Klacks! Alles wird still.
Minutenlang schreit der bärenstarke Kerl vor Schmerzen. Seine Mitspieler ahnen bereits – das war’s mit Football. Seine Freundin holt ihn ab. Fährt ihn ins Krankenhaus. Panagiotis kneift die Augen fest zu, beißt sich auf die Lippen, um sich vor ihr nichts anmerken zu lassen. Die Diagnose: Kreuzbandriss, Meniskusriss, Knorpelriss. So viel weiß er: Das Knie ist futsch.
Nach fünf Tagen wird er zum ersten Mal operiert. Nach einigen Wochen kriegt er eine Knorpeltransplantation. Danach leidet er zwei Jahre unter höllischen Schmerzen; hat nicht einmal fünf Minuten am Tag Ruhe. Damals ahnt er noch nicht, wie diese Verletzung sein Leben verändern würde. Heute weiß er: „Hätte ich mich damals nicht verletzt, wäre ich heute sicherlich kein Priester.“
Panagiotis ist nicht der einzige, der sich, hervorgerufen durch einen Schicksalsschlag, auf eine spirituelle Reise begeben hat. Das religiöse Leben in Deutschland verändert sich. Immer mehr Menschen bezeichnen sich als spirituell, können aber wenig mit der Institution Kirche anfangen. Panagiotis sucht ebenfalls nach Antworten auf seine Fragen, findet aber die Geborgenheit, die er sucht, nicht im Zen-Meditations-Kurs, sondern in den Armen der orthodoxen Kirche. Warum aber will ein junger Mensch, der voll im Leben steht, mit 29 Priester werden?
Kruzifixe schleifen im Technikraum
Auch während der Pfingstferien nimmt Panagiotis Tsaousidis den Arbeitsweg in die nahegelegene Stadt Fellbach im Norden von Stuttgart auf sich. Der mittlerweile 31-Jährige ist Sport- und Techniklehrer an einer Gemeinschaftsschule. Doch jetzt sind die Schulflure leer, die Klassenräume gespenstisch still. Nur ein paar vergessene Jacken hängen an den Wandhaken. Heute hat Panagiotis eine Mission. 530 Kreuze müssen her. Denn so viele Gäste erwartet er bei seiner Priesterweihe in drei Tagen, und die sollen die Kirche nicht mit leeren Händen verlassen.
Auf den ersten Blick scheint Panagiotis jemand zu sein, dem man lieber aus dem Weg gehen sollte. 1,90 Meter groß, 105 Kilo schwer, wirkt der Deutsch-Grieche wie der Türsteher vor einem Technoclub. Erst, nachdem sein Lausbubenlächeln hinter dem schwarzen Bart hervorscheint, sticht auch seine kindliche, gutmütige Natur durch.
Er sägt das Holz an der Kreissäge zurecht und nimmt die fertigen Bretter in den nächsten Raum zur CNC-Fräse, wo er das Muster in den Computer eingibt, bevor er die Maschine an ihr Werk gehen lässt. Brett nach Brett frisst sich die Fräse durch das Holz. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Die Maschine spuckt die kleinen Kreuze am Band aus. Panagiotis nimmt die Schablonen raus und setzt neue Bretter ein, sammelt die Kreuze in einer Schüssel. Setzt sich an sein Lehrerpult und beseitigt mit einem Schleifpapier rigoros selbst die kleinste Unvollkommenheit.
Es ist ihm wichtig, dass alle Gemeindemitglieder ein makelloses Kreuz erhalten. Die Kruzifixe, die ihm minderwertig erscheinen, sondert er sofort aus. Es soll sich ja niemand bei ihm beschweren oder sich unfair behandelt fühlen. „Ich hatte schon seit meiner Kindheit ein sehr ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden“, sagt Panagiotis mit einem breiten Grinsen. „Ich hatte nie Probleme zu Hause, hatte ein sehr ausgeglichenes Leben, war immer sehr glücklich und zufrieden und wollte für meine Freunde dasselbe.”
Nichts hat ihm während seiner Jugend gefehlt; Liebe, Aufmerksamkeit, das erste Auto mit achtzehn. Bei seinen Mitschülern und Freunden war das, im Arbeiter- und Migrantenviertel Stuttgart-Bad Cannstatt, nicht immer der Fall. „Ich wollte für meine Freunde da sein. Sie konnten mir immer vertrauen. Ich war schon damals so eine Art Bezugs- und Vertrauensperson”, erinnert sich der Lehrer über seine Jugend.
Fleißig und hingebungsvoll schaut er dabei ständig auf das Kreuz, das er bis zur Perfektion runterschleift. Ora et labora. Denn Beten ist auch Arbeit. Und wenn man hingebungsvoll arbeitet, sollte man auch so beten können. Beten – das macht Panagiotis in den letzten Jahren ziemlich oft; immer mit Erfolg. „Wenn ich bete, antwortet mir Gott immer”, sagt Panagiotis überzeugt. „Das klingt jetzt verrückt, aber es ist so. Üblicherweise erhalte ich keine zwei Wochen nach meinem Gebet eine Antwort; ein neuer Weg öffnet sich dort, wo keiner bestand; ein unlösbares Problem löst sich plötzlich in Luft auf”, scherzt der Geistliche und macht eine Bewegung, als ob er mit einem Zaubertrick etwas verschwinden lässt.
So zuversichtlich war Panagiotis nicht immer. Lange plagten ihn Zweifel, über die Kirche, die organisierte Religion. Der Deutsch-Grieche wuchs in einem orthodoxen Elternhaus auf. Seine Familie ging zwar zum Gottesdienst, war aber nicht sonderlich religiös. Irgendwann wollte er nicht mehr. „Mit 24 war ich am Ende. Ich fragte mich ständig, was der Zweck der Religion ist. Ob unsere die richtige Glaubensrichtung ist. Wieso wir Heiligenbilder und Ikonen verehren, obwohl Jesus sagte, wir sollen keine Götzen anbeten.”
Panagiotis fing an, sich mit anderen Religionen auseinanderzusetzen. „Ich habe meine Fühler nach neuen Ideen ausgestreckt.” Der Sportlehrer hatte viele muslimische Freunde, las den Koran, aber auch die Tora. „Ich war tief beeindruckt von der Hingabe der Muslime. Sie waren so selbstlos in der Ausübung ihrer Religion. Das hat mich fasziniert.” Panagiotis schreckte nicht vor dieser ihm fremden Religion zurück. Er war bereit, Gott auch in einem anderen Glauben zu finden. „Ich hätte Muslim werden können”, sagt er heute. Doch dann kam alles anders.
Panagiotis schleift noch ein Kreuz fertig und legt es in den Behälter. „516! So, das sollte reichen. Irgendwer wird schon nicht kommen. Auf manche Menschen ist sowieso kein Verlass. Und wenn doch alle 530 kommen, dann mache ich noch welche nach.”
Seelsorge in der heimischen Idylle
Zu Hause in Winnenden, einer Stadt rund 20 Kilometer nordöstlich von Stuttgart, warten seine Frau Anastasia und seine beiden Kinder, Emmanuela, drei Jahre, und Savvas-Loukas, 18 Monate alt. Ihre Wohnung schwimmt in einer Sintflut von Puppen, Rasseln und Schnullern. Panagiotis rauft mit den Kleinen auf dem Boden. Hebt einmal Emmanuela, dann Savvas-Loukas hoch in die Luft, bevor er ihnen einen schlabbrigen, lauten Kuss auf die Wange gibt. Die Kleinen juchzen vor Freude und lachen sich krumm.
Anastasia ist weniger begeistert. Die 30 Jahre alte Apothekerin schaut bedacht und etwas müde von dem langen Tag auf die Bande, die auf ihrem Wohnzimmerteppich rauft. Sie kümmert sich seit ein paar Wochen nicht nur um die Kinder und ihre Arbeit, sondern auch um die anstehenden logistischen Aufgaben der Priesterweihe. Leute einladen, Kleider und Priestergewänder bereitstellen und Seelsorge betreiben. Ja, auch Seelsorger müssen jemanden ihr Herz ausschütten können. Da kommt die Ehefrau sehr gelegen.
In der orthodoxen Kirche ist die Ehe, anders als in der katholischen, vor der Priesterweihe erlaubt. Verheiratete Männer können also zu Diakonen und Priestern geweiht werden. Der Zölibat ist die Ausnahme, nur Bischöfe leben ehelos. Nach der Weihe kann ein Priester jedoch nicht mehr geschieden werden, ohne sein Amt zu verlieren. Selbst wenn er Witwer wird, kann er kein zweites Mal heiraten. Auch die katholische Kirche erwägt derzeit, verheiratete Männer zur Priesterweihe zuzulassen, um den dramatischen Priestermangel in Deutschlands katholischen Kirchen zu lindern.
Anastasia hatte sich anfänglich Sorgen gemacht, wollte Panagiotis aber auf seiner Suche unterstützen. „Als er mit all diesen Fragen ankam, wusste ich nicht, wie ich ihm helfen konnte“, sagt sie auf der Terrasse, während Panagiotis die Kinder ins Bett bringt. „Ich wollte ihn nicht entmutigen; wollte ihm keine Hindernisse in den Weg stellen, aber hatte trotzdem ein bisschen Angst um ihn.“ Die 30-Jährige hatte Panagiotis als kontaktfreudigen, lustigen, jungen Mann kennengelernt und sah erst jetzt seine zerbrechliche, esoterische, abgründige Seite, war davon aber nicht abgetan. „Ich entschloss mich, diesen Weg mit ihm zu gehen.”
„Wir entschlossen uns, diesen Weg gemeinsam zu gehen”, sagt Panagiotis, der nun plötzlich mit dem Babyphone in der Hand an der Balkontür steht. „Es stimmt, dass ich ihm dazu geraten habe, sich den Gottesdienst aus der Nähe anzuschauen, teilzuhaben und dann erst eine Entscheidung zu treffen. Letztendlich haben wir uns zusammen dazu entschlossen”, ergänzt ihn Anastasia. Nur wenige Sekunden später, hört man Savvas-Loukas auf dem Babyphone schluchzen. Wie eine Staffel reicht Panagiotis Anastasia den Lautsprecher und sagt mit einem breiten Grinsen: „Du bist an der Reihe, Schatz. Ich war vorher dran.” Schnaufend nimmt sie es ihm ab und geht leicht irritiert und mit schweren Schritt ins Kinderzimmer.
„Ihre Unterstützung ist sehr wichtig für mich. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft”, sagt Panagiotis mit einem leichten Unbehagen, als ob er Angst hätte, sie könnte ihn noch hören. Er musste sich ja schließlich nicht nur Gedanken über sich selber machen, sondern auch um seine Frau und seine Kinder. Wie diese Entscheidung ihre beiden Kinder beeinflussen wird, macht ihnen heute noch zu schaffen. Pfarrerskinder stehen oft unter den hohen Erwartungen der Gesellschaft, ein vorbildliches Leben zu führen. Nicht selten werden sie dadurch in eine Außenseiterrolle gedrängt; können von ihren Mitschülern verspottet oder gehänselt werden. „Es wird nicht immer so leicht sein wie jetzt.”
Der Glaube ist ein Ringen mit dem eigenen Ego
Am nächsten Morgen wühlt Panagiotis in seinem Hobbykeller herum. Zwischen Trophäen, Urkunden, Motorradhelmen und Jacken findet er seinen alten Footballhelm. Er hält in kurz hoch und begutachtet ihn aufmerksam rundherum. „Ungefähr ein Jahr, nach meiner Verletzung, sah ich meinen Helm in diesem Geröll zum ersten Mal wieder. Ich hielt ihn genauso hoch wie jetzt, und plötzlich wurde alles klar”, sagt Panagiotis geheimnisvoll. „Ich habe Gott damals Vorwürfe gemacht”, Panagiotis setzt den Helm wieder ab. „Aber alles geschieht aus einem Grund. Alles!”, betont er noch einmal. „Ich hatte meinen Weg verloren. Durch die Verletzung habe ich ihn wiedergefunden.”
Dieser Weg war nicht von Anfang an klar. Er sei eher wie eine Spur, voll von Hinweisen, die man sorgfältig beachten und erforschen musste, sagt Panagiotis. Schritt für Schritt kam er seinem Ziel näher; las die Bibel, fühlte sich zur Kirche hingezogen und fand dabei in Vater Ioannis einen guten Freund und Mentor. Etwas zog Anastasia und ihn zur orthodoxen Kirche in Bietigheim, einer Stadt nördlich von Stuttgart. „Ich fuhr einen langen Umweg. An vielen anderen Kirchen vorbei, um dem Gottesdienst in Bietigheim beizuwohnen. Und lernte dabei Vater Ioannis kennen.”
Nach dem Gottesdienst ging Panagiotis auf den Priester zu; überrumpelte ihn mit Fragen. Nach einigen Tagen trafen sie sich zum Essen. Vater Ioannis gab ihm denselben Ratschlag wie Anastasia: „Komm uns näher und lass dir Zeit.” Panagiotis half in der Kirche aus, nahm als Kirchensänger am Gottesdienst teil, fühlte aber die Anziehungskraft des „Ieron“, des Heiligtums hinter dem Altar.
Dieses eine Jahr als Helfer war voll von Augenblicken die ihn zutiefst berührten. Oft kamen ihm die Tränen. Während des Gottesdiensts las er aus dem Evangelium vor und fühlte sich dabei, als würde er seinen Körper verlassen. Seine Stimme sprach weiter, ohne aber fremdbestimmt zu sein, eher so, als ob er bergab laufen würde und seine Beine in ein unkontrollierbar schnelles Tempo verfallen würden. Abends erwischte sich Panagiotis dabei, wie er im Internet nach Priestergewändern suchte wie andere nach Schuhen. Er dachte sich: „Hmm, das hier gefällt mir ganz gut; oder das hier, das würde mir doch gut stehen.”
Damals wollte Panagiotis seinen Glauben noch wortgenau umsetzen. „Den Zahn hat mir Vater Ioannis von Anfang an gezogen“, sagt er lachend. „Er hat mir geraten, offen zu sein. Alles und jeden anzunehmen. Kein Fanatiker zu sein und nicht ständig zu versuchen, andere von meinem Glauben zu überzeugen.”
Die einzige Voraussetzung, die sein Mentor stellte: liebe und vergebe. Nicht immer ist das einfach, auch nicht für Panagiotis. „Manchmal werde ich sauer auf mich, wenn ich es nicht schaffe. Manchmal gewinnt mein Ego einfach die Oberhand. Wenn sich jemand im Stau vordrängelt, denke ich mir auch: ‚Nö, dich lass ich nicht durch!‘ Aber dann komme ich zu mir.“ Der Glaube als Ringen mit dem eigenen Ego.
Die Gründe, die ihn dazu bewegt haben, in zwei Tagen Priester zu werden, kann Panagiotis jedoch immer noch nicht klar benennen. Er stellt Vermutungen in den Raum; versucht eine logische Erklärung für etwas zu finden, das im Prinzip unlogisch ist. Denn bezahlt wird er für seine Arbeit nicht. Seine Stelle als Lehrer behält er; er will es auch gar nicht anders. „Für mich ergänzen sich diese beiden Berufungen gut. Ich wurde Lehrer, weil es mir gefällt, Kindern etwas beizubringen; weil ich ihnen helfen will, auf ihren eigenen Beinen zu stehen.” Ein Lehrer kann aber mit langen Schulferien und einem gesunden Ausmaß an Privatsphäre rechnen. Ein Priester muss ständig für seine Gemeinde da sein: kein Urlaub, kein Privatleben.
Oft hat Panagiotis um die Stärke gebeten, anderen Menschen helfen zu können. „Vielleicht wurde dadurch der Wunsch in mir geweckt, Priester zu werden. Ein Priester ist eben dazu da, Menschen zu helfen”, sagt er. Ein Unterschied zum Lehrersein ist ihm aber bewusst: „Die Hilfe des Priesters kommt nicht von oben herab. Der Priester ist eher ein Trittstuhl, auf den der Gläubige treten muss, um an sein Ziel zu gelangen.” Das Ziel – Gott nah sein.
Panagiotis ist fest davon überzeugt, dass Menschen eine Stütze brauchen; Hilfe benötigen. „Die meisten Menschen, haben es lieber, wenn andere sich um ihre Probleme kümmern.” Probleme verlagern, gibt Panagiotis zu, ist eine sehr verbreitete Praxis unter Gläubigen. Auch er betet ja und verlässt sich auf Gott, um seine Probleme zu lösen, sieht darin aber keine Schwäche. „Wir wurden alle schon mal von anderen Menschen enttäuscht, in Gott kann man aber vertrauen.”
Die letzte Nacht verbringt er betend
Am letzten Abend vor seiner Weihe läuft der sonst so entspannte Lehrer Panagiotis gestresst den Flur seiner Wohnung auf und ab und liest dabei wieder und wieder den Ablauf des morgigen Gottesdienstes auf einem Spickzettel nach. Anastasia bringt die Kinder ins Bett und stellt die Gewänder für morgen bereit. Mit einer sanften Berührung seiner Schulter und einem Kuss wünscht sie ihm gute Nacht und bittet ihn, doch ein wenig zu schlafen. „Ja”, beruhigt Panagiotis seine Frau, ohne sie wirklich wahrzunehmen.
Er wird seine letzte Nacht vor der Priesterweihe betend verbringen. Anastasia wird ihm dabei nicht folgen können. Durch den Flur hört man sein Flüstern bis tief in die Nacht. Einzelne Wörter sind nicht vernehmbar; sein Gebet klingt wie ein monotoner Bach, der in einem abgelegenen Wald vor sich hinfließt. Um sechs Uhr morgens ist er bereit, die Fahrt nach Bietigheim, in die Kirche seines Freundes und Mentors, Vater Ioannis, auf sich zu nehmen.
Die tiefen Stimmen der orthodoxen Kirchensänger und der schwere Geruch von Weihrauch, geben der Liturgie in der Kirche des Heiligen Athanasios einen schmerzhaften, weltlichen Hauch. Hier erklingen keine Engelsstimmen. Die Häupter wenden sich der Erde zu. Gott ist im östlichen Ritus nicht in einer unantastbaren, himmlischen Ewigkeit. Für die Gläubigen ist er hier unten; unter ihnen.
Die Kirche ist brechend voll. Alle 530 Gäste scheinen gekommen zu sein. Panagiotis steht als Diakon noch zwischen dem Altar und der Gemeinde. Am Rande beider Welten; nicht mehr ein einfacher Gläubiger; noch kein wahrer Geistlicher. In diesem Limbus wird er mehrere Stunden schweben müssen, bevor ihn Vater Ioannis und Vater Arsenios an den Armen packen und zum Altar vor den Bischof Bartholomaios tragen. Panagiotis kniet vor den Bischof, senkt seinen Kopf. Der Bischof legt ihm die Hand auf. Das Weihesakrament beginnt.
Der Bischof gibt seinen Segen; erhebt Panagiotis und will ihm die Hand küssen, um ihn mit sich gleichzustellen. Doch Panagiotis zieht seine Hand weg, vereitelt den Versuch, und küsst stattdessen die Hand des Bischofs. Alle Priester, die die Weihe durchführen, ziehen Panagiotis ein Bestandteil seines neuen Priestergewandes an. Jeder einzelne Priester küsst und umarmt Panagiotis nun als Kleriker. Als er zu Vater Ioannis kommt, ist die Ergriffenheit groß. Die beiden umarmen sich inbrünstig, flüstern sich ins Ohr, Tränen laufen über ihre Wangen. Panagiotis ist jetzt einer von ihnen.
Redaktion: Esther Göbel. Schlussredaktion: Vera Fröhlich. Bildredaktion: Martin Gommel. Fotos: Efthymis Angeloudis.