Als Elif ihrem Vater das Lied „Baba” vorspielt, ist er nicht begeistert. „Warum erzählst du allen, dass ich im Casino gespielt habe? Und warum behauptest du, dass ich nicht angekommen bin – ich bin doch angekommen?”, empört er sich. Elif sieht das anders. Sie diskutieren darüber. Er versteht und akzeptiert Elifs Meinung. „Ich wollte einen Song schreiben, der ihn aufmuntert”, sagt Elif. „Ich wollte ihm zeigen, dass es in Ordnung ist, wenn man schwach ist.”
Seit fast zehn Jahren ist Elif schon im Musikgeschäft. Bereits als Teenager belegt sie 2007 bei der TV-Show „Popstars” mit ihrem Partner den zweiten Platz. Danach macht sie solo weiter. 2013 bringt sie ihr erstes Album „Unter meiner Haut” heraus. Sie legt viel Wert auf persönliche Texte und emotionale Lieder. „Ich mache das alles, um nicht hart zu werden”, sagt sie.
„Ich bin geflüchtet von zu Hause”
Elif war ihr Weg als Popsängerin nicht vorgezeichnet. Ihre Eltern lernen sich in der Türkei kennen und ziehen Ende der 80er-Jahre nach Berlin. Am 12. Dezember 1992 kommt Elif zur Welt. Sie wächst im Bezirk Moabit auf – einem Arbeiterviertel, fernab von Touristenströmen, noch am ehesten bekannt für die Justizvollzugsanstalt.
Elif hat zwei Brüder und eine Schwester. Die Eltern sind vor allem mit den Mädchen streng. Elif verbringt so viel Zeit wie möglich außer Haus. „Ich bin oft geflüchtet von zu Hause, weil ich immer so viel Anschiss bekommen habe. Ich habe mich nie gefügt.” Im Nachhinein habe ihr das genutzt, vermutet sie. Elif besucht die Musical-AG und singt im Chor. Sie ist sozial, viel „draußen in der Straße”. Aber sie muss ihre Eltern auch oft anlügen – was sie heute bedauert.
„Jetzt, wo ich älter werde, checke ich, dass meine Eltern ganz andere Ängste hatten als ich. Sie kommen in ein anderes Land und raffen gar nicht, wie das hier abläuft. In der Türkei ist einfach vieles anders.”
In dem Lied „Doppelleben” singt sie davon, dass sie ihren Eltern ihr wahres Ich zeigen möchte:
„Ich will euch alles sagen können,
damit ihr seht und versteht, wer ich bin.
Ich will euch alles fragen können,
damit ich weiß, was noch geht und wohin.
Geheimnisse anvertrauen, einen neuen Boden bauen.
Den ganzen Fake aufgeben, Schluss mit diesem Doppelleben.”
Sie habe ihre Eltern gebeten, sie so zu akzeptieren, wie sie ist. Aber auch sie gebe sich Mühe, ihre Eltern so anzunehmen, wie sie sind.
Je älter sie werde, umso mehr erkenne sie, dass sie beide Seiten in sich trage – und dass weder die „türkische” noch die „deutsche” Seite gut oder schlecht ist.
„Ich kenne Baklava, aber ich kenne auch Currywurst – und das ist voll cool. Das erweitert meinen Horizont.”
Mittlerweile gehört sie zu den hoffnungsvollsten deutschsprachigen Popsängerinnen des Landes. Songs und Videos von ihr gibt es hier.
Ach ja, der Klischee-Check: Dabei kann Elif aus einem Begriffspaar denjenigen auswählen, der ihr näher ist.
Gerade liegt ihr Istanbul näher als Berlin. Das türkische Temperament siegt über die Berliner Schnauze, und die Berliner Currywurst verliert gegen Sucuk („Ich habe gestern erst Sucuk zum Frühstück gegessen!”). Gummibärchen setzen sich gegen Baklava durch und Kaffee gegen Tee.
Und da gibt es auch noch „isch” gegen „ich” – es gewinnt „isch”: Früher sei sie dafür gehänselt worden, aber sie sei eben in Moabit zur Schule gegangen. „Da warst du einfach ein Jockel, wenn du ‚ich‘ gesagt hast.”
PS.: In Elifs Liedern findet ihr weder Dialekt noch „isch”.
Der Halbe-Katoffl-Podcast ist eine Gesprächsreihe mit Deutschen, die nicht-deutsche Wurzeln haben. Moderator ist der Berliner Journalist Frank Joung, dessen Eltern aus Korea kommen. Es geht um Themen wie Integration (gähn), Identität (ach ja) und Stereotypisierungen (oha) – aber eben lustig, unterhaltsam und kurzweilig. Anekdoten aus dem Leben statt Theorien aus dem Lehrbuch.
Aufmacherfoto: Danny Jungslund.