„Ich habe  erst spät festgestellt, dass es cool ist, eine halbe Kroatin zu sein”
Leben und Lieben

„Ich habe erst spät festgestellt, dass es cool ist, eine halbe Kroatin zu sein”

Vero Gottschlings Vater ist Berliner, ihre Mutter stammt aus Kroatien. Ich spreche mit der 29-Jährigen über ihren Quereinstieg als Moderatorin, ihr Lieblingswort auf Kroatisch und über den Moment, in dem der Jugoslawienkrieg ganz nah war.

Profilbild von Halbe-Katoffl-Podcast von Frank Joung

An den Jugoslawienkrieg hat Vero nur wenige Erinnerungen. Als kleines Mädchen erlebt sie, wie Panzer durch das Dorf ihrer Familie rollen. „Ich habe geheult wie ein Schlosshund und dachte, dass ich meine Oma, die auf der anderen Seite der Panzer stand, nie wiedersehe. ”

Heute weiß sie, dass es nur eine Verabschiedung heimischer Soldaten gewesen sein muss, aber es ist eine Erinnerung, die ihr all die Jahre im Gedächtnis haften geblieben ist.

Vero heißt eigentlich Veronika Gottschling und kam im März 1988 in Berlin zur Welt. Ihre kroatische Oma war als Gastarbeiterin nach Deutschland gezogen. Ihre Mutter kommt mit 17 Jahren nach und lernt hier viele Jahre später Veros Vater kennen. Beide Eltern arbeiten bei einer japanischen Elektronikfirma.

Als Kind muss Vero jeden Sonntag in Berlin mit ihrer kroatischen Mutter und ihrer Oma in die katholische Kirche zum Gottesdienst. Damals fand sie das lästig, heute geht sie nur noch zu Weihnachten in die Kirche. Trotzdem findet sie, dass die Kirchgänge von früher ihr etwas gebracht haben: „Sie haben mich Disziplin gelehrt.”

„Die Grundschulzeit war bombastisch”, sagt Vero. Aber dann empfehlen die Lehrer ihren Eltern, sie auf eine zweisprachige Schule zu schicken: Vero soll neben dem deutschen auch das französische Abitur machen. „Ich habe es gehasst”, sagt sie. Sie sei kein Sprachtalent – selbst mit dem Deutschen hapere es ab und zu. Da kann aus „Jeans” schon mal „Jeangs” werden, mit „g”, weil die Mama es so ausspricht.

„Als Kind habe ich das gebrochene Deutsch meiner Mutter gehört. Ich spreche zwar akzentfrei, mache aber oft Grammatikfehler.”

Jeden Sommer fahren die Gottschlings nach Kroatien. Ihre Mutter und ihre Oma haben sich früh mit kleinem Budget eine winzige Eigentumswohnung am Meer gekauft. Als Kind nervte es Vero, dass sie immer wieder in dasselbe kroatische Dorf pilgern musste, während ihre Klassenkameraden die Welt zu erobern schienen und nach Mallorca, Moskau oder Südfrankreich reisten. Heute ist Vero ihrer Familie dankbar dafür, dass die Verbindung nicht abgerissen ist. Sie reist oft nach Kroatien und fühlt sich dem kleinen Ort sehr verbunden. „Dass es cool ist, eine halbe Kroatin zu sein, habe ich erst spät festgestellt.”

https://www.instagram.com/p/BZLKuo8FyWG/?taken-by=vero1berlin

Die kroatische Küche liebt sie, vor allem Ćevapčići, gebratenes Fleisch – ohne Soße. „Mit viel rohen Zwiebeln. Meine Freunde können das nicht verstehen – ich find’s geil.” Zu Hause kocht die Mutter allerdings ein bisschen zu oft den typisch kroatischen Grünen Bohneneintopf.

Aus „nie wieder” wurde ein Bushido-Interview

Nach einigen Mühen und einem Schulwechsel macht Vero ihr – deutsches – Abitur. Sie geht auf Weltreise, kehrt zurück, und kommt nicht so recht weiter in ihrer Berufsfindung. „Ich wusste zwar, was ich wollte, aber nicht, wie ich es angehen soll. Freunde haben mir immer gesagt: Du bist die geborene MTV-Moderatorin. Aber ich hatte keine Kontakte.”

Nach einem Praktikum beim Radio und einer Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau fängt sie bei Berlin Music TV an, wo sie Musiker vor der Kamera interviewt. Der Anfang wird zum Desaster: „Das erste Gespräch war die Katastrophe – ich habe gesagt, ich mach nie wieder ein Interview.” Doch sie beißt sich durch. „Aus ‚nie wieder‘ wurde bald ein Bushido-Interview.” Sie nimmt kleinere Schauspieljobs an und moderiert bei 16bars.de.

„Dass ich heute vor Leuten reden kann – das musste ich lernen. Ich musste mich selber ins kalte Wasser schmeißen.”

https://youtu.be/j1Nuv2Vp6N4

Worum es sonst noch in diesem Podcast geht: Kroatische und englische Lieblingswörter („ponekad” und „actually”, was beides „eigentlich” bedeutet), Style-Fragen bei Rapper-Interviews, Instagram und YouTube.


Der Halbe-Katoffl-Podcast ist eine Gesprächsreihe mit Deutschen, die nicht-deutsche Wurzeln haben. Moderator ist der Berliner Journalist Frank Joung, dessen Eltern aus Korea kommen. Es geht um Themen wie Integration (gähn), Identität (ach ja) und Stereotypisierungen (oha) – aber eben lustig, unterhaltsam und kurzweilig. Anekdoten aus dem Leben statt Theorien aus dem Lehrbuch.

Aufmacherfoto: Frank Joung. Den Text gegengelesen hat Theresa Bäuerlein.