-
Wir haben Lesben und Schwulen noch nie getraut. Noch nie.
-
“Die Ehe für alle widerspricht dem traditionellen bayerischen Familienbild: Vater, Mutter, zwei Kinder, Geliebte, ein nichteheliches Kind, Weißbier”, schreibt Josephine Unglaub auf Twitter. Und das ist natürlich ein stichhaltiges Argument.
-
Wir respektieren den Willen der Väter und Mütter des Grundgesetzes nicht. Den kennen nur CSU-Politiker und Erika Steinbach: Ehe = Mann und Frau.
-
Wir müssen das Bürgerliche Gesetzbuch ändern und vier Wörter einfügen: “Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.” Das ist völlig unnötiger Aufwand.
-
Denn Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Intersexuelle werden doch in Deutschland bereits gleichbehandelt – und stören auch überhaupt niemanden, wenn sie unter sich und ruhig und drinnen bleiben.
-
Die Ehe für alle stiftet Verwirrung. Wie sollen künftig Arbeitgeber wissen, ob sie sich Homosexuelle in den Betrieb holen, wenn neben ledig, verwitwet und verheiratet nicht mehr “verpartnert” angekreuzt werden kann.
-
Bisher lief doch auch so alles glatt. Und jetzt kommt Ihr mit dem fadenscheinigen Argument: Wenn alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung, die gleiche Würde haben, dann können wir sie nicht beliebig von einem Rechtsinstitut, nämlich der Ehe, ausschließen. Wo bleibt da der Spaß?
-
Wir haben es wirklich nicht nötig, durch Öffnung der Ehe für alle die Grundprinzipien unserer Solidargemeinschaft zu erneuern, nämlich füreinander einzustehen, einander zu respektieren, einfach füreinander da zu sein. Daran muss man nicht erinnert werden.
-
“Niemand muss, alle dürfen”, sagt der Linken-Abgeordnete Harald Petzold. “Es wird ein paar mehr glückliche Menschen geben.” Was er dabei vergessen hat: Ehe heißt nicht nur gleiches Recht, sondern auch gleiche Pflichten. Wollt Ihr das?
-
Die Art und Weise, wie die Öffnung der Ehe zustande kam, “ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten”, meint Rechtsaußen Erika Steinbach: “Eine Sturzgeburt.” Das kommt ja jetzt in unsere Geschichtsbücher. Peinlich berührt ist auch der SPD-Politiker Johannes Kahrs, allerdings von der Kanzlerin, die den Fraktionszwang aufhob: “Sie haben sich hier verstolpert, das war ihr Schabowski-Moment. (Das ist der mit der Öffnung der Mauer).
-
Der Streit ist noch nicht zu Ende, denn Unionsabgeordnete erwägen, vor dem Verfassungsgericht gegen das Gesetz zu klagen.
-
Autoritäre Staaten können ohne die Ehe für alle sofort sehen, ob ihre Bürger, die nach Deutschland auswandern wollen, homosexuell sind. Denn bisher ist im deutschen Einreisevisum von der “Herstellung einer Lebenspartnerschaft” statt einer Eheschließung die Rede. Damit weiß im Sudan, im Iran oder in anderen lupenreinen Demokratien wie Ägypten jeder zuständige Grenzbeamte, dass es sich um einen homosexuellen Bürger handelt, der das Land verlassen will.
-
Mit der Ehe für alle stärken wir das ohnehin aufmüpfige Bundesverfassungsgericht, das einfach so im Jahr 2008 die erste transsexuelle Ehe und damit auch die erste gleichgeschlechtliche Ehe geschaffen hat. Das muss doch nicht sein.
-
Deutschland verliert an Einzigartigkeit und ist kein exklusiver Außenseiter mehr. In 13 europäischen Ländern sind homosexuelle Partnerschaften der Ehe zwischen Mann und Frau bereits vollkommen gleichgestellt.
-
Nachahmerländer werden ermutigt!
-
Wir können doch auch zwei Menschen respektieren, die aus vollem Herzen Ja zueinander sagen wollen, ohne sie gleich heiraten zu lassen.
-
Und wenn diese beiden Menschen Werte und Traditionen hochhalten und achten wollen, können sie doch auch einem Schützenverein beitreten.
-
Und zwei Menschen können auch füreinander einstehen, ohne verheiratet zu sein, wie Klostergemeinschaften belegen.
-
Wir können unsere einschlägigen Diskussionen nicht mehr auf die Ehe für alle lenken und müssen uns mit so schwierigen Vorhaben wie der Reform des Transsexuellengesetzes oder der Förderung von Regenbogenfamilien befassen.
-
Wir entlassen CDU und CSU aus der Zwickmühle, dass nach ihrer Definition aus einer Ehe Kinder hervorgehen können, was leider nicht immer zutrifft. Zitat Volker Beck: „Dann müssen Sie die älteren Herrschaften in Zukunft verpartnern, wenn Sie dieser Logik folgen!“
-
In Erklärungsnot kommt auch die Bundesärztekammer. Denn für lesbische Frauen, die Kinder wollen, bietet sich die Samenspende an. Bisher empfiehlt eine Richtlinie diese Behandlung “grundsätzlich nur bei Ehepaaren”… Oh je.
-
Väter werden rechtlich nicht mehr bevorzugt! Bislang gilt die Partnerin der biologischen Mutter nicht als Elternteil, selbst wenn sie eingetragene Lebenspartnerin ist. Bei heterosexuellen Ehepaaren ist es anders: Der Ehemann gilt automatisch als Vater – obwohl er mit dem Spenderkind genetisch ebenso wenig verwandt ist wie die lesbische Partnerin einer Mutter.
-
Praktisch wirkt sich die Neuregelung vor allem beim Adoptionsrecht aus – bislang dürfen schwule oder lesbische Paare ein Kind nämlich nicht gemeinsam adoptieren. Das wird künftig möglich sein. Ist die Warteliste für heterosexuelle Ehepaare nicht schon lang genug?
-
Was viele nicht wissen: Eingetragene Partner haben doch beim Erbrecht, der Unterhaltspflicht und dem Ehegattensplitting bereits gleiche Rechte und Pflichten. Das kam nach und nach, oft auf Druck des Bundesverfassungsgerichts.
-
Aus eingetragenen Partnerschaften werden nicht automatisch Ehen. Verpartnerte Paare müssen vielmehr persönlich und gemeinsam erneut zum Standesamt. Dort können sie erklären, dass sie künftig in einer “gleichgeschlechtlichen Ehe” leben wollen – so lautet der Verwaltungsbegriff. Eine Pflicht dazu gibt es nicht – Lebenspartnerschaften können auch einfach weitergeführt werden. Neue eingetragene Partnerschaften lassen sich allerdings nicht mehr schließen. Es gibt künftig nur noch die Ehe.
-
Das schöne Das Wort „verpartnert“ wird langsam aber sicher aus unserem Sprachgebrauch verschwinden – wie schade.
-
Und ein ganz persönlicher Grund spricht gegen die Ehe für alle. Seit im August 2001 die eingetragene Partnerschaft geschaffen wurde, habe ich mich mit diesem Argument davor gedrückt: “Ich will die gleichberechtigte Ehe oder nichts”…
Rico Grimm hat bei der Erarbeitung dieses Beitrags geholfen; Martin Gommel hat das Aufmacherfoto ausgesucht: iStock / svetikd