Kein US-Präsident vor ihm hat die Medien so hart attackiert wie Donald Trump. „Ihr seid Fake News“, beschimpfte er beispielsweise einen CNN-Reporter auf seiner ersten Pressekonferenz nach seiner Wahl zum Präsidenten. In seinen Tweets lästert er regelmäßig über traditionelle US-Zeitungen wie die New York Times („sick“, „a disgusting fraud”) oder die Washington Post (der er irgendwann den Zutritt zu seinen Wahlkampfreden untersagte).
Doch was liest „der mächtigste Mann der Welt“ denn nun wirklich? Wie sieht Trumps Medienmenü aus? Zwei amerikanische Journalisten wollen es herausgefunden haben. Mike Allen und Jim VandeHei von der frisch gegründeten US-Nachrichten-Webseite Axios schreiben unter dem Titel „Trump 101: What he reads and watches“, Trump habe einen relativ regelmäßigen und überschaubaren Medienkonsum. Dabei stützen sie sich auf die Aussagen von Beratern und Freunden von Trump, die allerdings nicht namentlich genannt werden. Die beiden Autoren sind allerdings sehr gut vernetzt und seit langem Teil von Washingtons Reporterszene, können also als glaubwürdig gelten.
Vorweg: Donald Trump scheint kein Mann der Bücher zu sein. Mehrere Berater gaben an, sie hätten ihn noch nie ein Buch lesen sehen oder auch nur über eines reden gehört. Abgesehen von einem eigenen Werk „The Art of the Deal“ (das wiederum ein Ghostwriter namens Tony Schwartz verfasst hat, der sich heute davon distanziert).
Trumps Faible für den Kurznachrichtendienst Twitter ist berühmt: Die aggressiveren Tweets (abgesendet via Android) stammen dabei von Trump persönlich, die gemäßigteren (von einem iPhone gesendet) von einem Social-Media-Team. Selbst die eigenen Tweets tippt Trump dabei nicht immer selbst, manche diktiert er auch nur und schickt sie dann persönlich ab.
Abgesehen davon ist der neue US-Präsident aber sehr analog unterwegs. Morgens lässt er sich die Papierausgaben der New York Times und die New York Post kommen, berichtet Axios. In der Post interessiert ihn laut Aussagen eines Freundes vor allem die berühmte Klatschspalte der „Page Six“. Das Wall Street Journal überfliege er, und vermutlich ist seit seinem Umzug ins Weiße Haus auch die Washington Post hinzugekommen, die er in seiner Zeit im New Yorker Trump Tower offenbar verschmäht hat.
Laut den Beratern, die Allen und VandeHei gesprochen haben, liest sich Trump zwar seinen Twitterfeed durch, ist ansonsten aber so gut wie nicht online. Artikel, die ihn selbst zum Thema machen, drucken Mitarbeiter aus, er kommentiert diese dann per Filzstift (gerne einem goldfarbenen) oder verlangt nach Erklärungen und gibt schriftliche Handlungsanweisungen.
Legendär geworden ist die Anekdote von Vanity-Fair-Chefredakteur Graydon Carter, der früher das New Yorker Satiremagazin „Spy“ leitete und sich schon damals oft mit Trump anlegte. Unter anderem bezeichnete das Magazin Trump einmal als „short-fingered vulgarian“ (also als ordinären Protz mit kurzen Fingern). Noch über 20 Jahre später, so Carter, erhalte er immer wieder Briefumschläge von Trump, in denen Zeitungsausrisse mit Fotos steckten. Auf diesen kringele Trump seine Finger mit dem Filzstift ein, oft schreibe er Sachen daneben wie „Sind gar nicht so kurz“.
Über Trumps Radiokonsum lassen sich die Axios-Autoren in ihrem Stück kaum aus. Tagsüber höre Trump oft Talk Radio, so die beiden Journalisten, die Trump auch kurz vor seinem Amtsantritt interviewt haben. Dabei gehen sie aber nicht weiter ins Detail und schreiben nicht, welche Sendungen er hört.
https://www.youtube.com/watch?v=fqgjie9D-RA
Neben gedruckten Tageszeitungen ist das Fernsehen das wichtigste Medium für Trump: Seine Morgenroutine beginnt mit der 6-Uhr-Sendung „Morning Joe“ auf MSNBC, einer Nachrichtentalkshow, in der mehrere Gastgeber durch die Zeitungsschlagzeilen und anderen wichtigen Nachrichten des Tages führen. Gegen sieben Uhr wechsle Trump dann zu FOX News, um dort „Fox & Friends“ zu sehen. In dieser Sendung fassen ebenfalls drei Moderatoren – wenn auch meist auf konservativere Art als bei MSNBC – die morgendliche Nachrichtenlage zusammen. Dazwischen streut Trump wohl ein wenig CNN ein.
Viele – an manchen Tagen fast alle – seiner Tweets beziehen sich thematisch auf Dinge, die Trump in diesen Sendungen gesehen hat, schreiben die Axios-Autoren. Am Wochenende verfolgt Trump Sendungen wie „Meet The Press“, gewissermaßen der amerikanische Presseclub, oder Aufzeichnungen des investigativen Nachrichtenmagazins „60 Minutes“. Früher, vor seinem Wahlkampf, habe Trump werktags jeden Abend „Access Hollywood“ angesehen, eine Boulevardshow über die Unterhaltungsbranche. Mit dem damaligen Moderator der Sendung, Billy Bush, kam es 2005 bei einer anderen Fernsehaufzeichnung auch zu dem berühmt-berüchtigten Wortwechsel, in dem sich Trump brüstete, als „Star“ könne man es sich erlauben, Frauen sexuell zu bedrängen („I just start kissing them. (…) I don’t even wait. And when you’re a star, they let you do it. You can do anything. Grab ’em by the pussy.”)
Inzwischen scheint sich Trumps Fernsehkonsum aber auch an den Abenden auf politische Talkshows zu fokussieren, bei CNN („AC360“ und „CNN Tonight“) oder doch Fox News („O’Reilly Factor“ und „Megyn Kelly“). Die Washington Post hat sich Ende 2016 einmal die Mühe gemacht auszuwerten, über welche Sendungen Trump am meisten twittert. An der Spitze: „Megyn Kelly“ und „O’Reilly Factor“. Dabei waren Trumps Kommentare über Megyn Kelly fast ausschließlich negativ, Sendungen, die sich positiver über Trump äußerten, so die Washington Post – „Fox & Friends”, „Hannity“ oder „O’Reilly Factor“ – würden auch von ihm mit lobenderen Worten bedacht. Ebenso muss Trump wahnsinnig gut darin sein, sich Autorenzeilen von jedem zu merken, der über ihn schreibt, um die betreffenden Journalisten noch Jahre später damit zu konfrontieren, was sie einst über ihn geschrieben haben.
Genau diese wahnsinnige Fixierung darauf, was die Medien über ihn sagen, dieses unfassbar Eitle bis Narzisstische, ist auch der Grund, warum Trumps Medienkonsum relevant ist und mehr als nur eine triviale Aufzählung von Vorlieben eines älteren Herren. Das schreiben auch Allen und VandeHei zum Schluss ihrer Analyse: „Trump ist süchtig nach Berichterstattung über sich selbst, seit er in der Blütezeit der New Yorker Boulevardzeitungen diese noch selbst anrief, um ihnen Details zu seinen Angelegenheiten zu stecken. Er kann davon nicht lassen. Und deshalb sind es auch nicht mehr als fromme Wünsche, er würde irgendwann aufhören zu twittern oder seine Streitigkeiten mit Reportern beilegen. (…) Es ist eine Sucht, von der er nie loskommen wird.“
Donald John Trump ist der Sohn eines amerikanischen Immobilienmillionärs und wurde zu einem der bekanntesten Unternehmer der USA. Am 8. November 2016 gewann er – für die meisten Beobachter und Experten komplett überraschend – die Präsidentschaftswahl gegen Hillary Clinton. Am 20. Januar 2017 löste er Barack Obama als US-Präsident ab.
In der von Christoph Koch betreuten Rubrik Medienmenü stellen regelmäßig interessante Persönlichkeiten die Medien vor, die ihr Leben prägen. Ihr könnt per Mail an christoph@krautreporter.de vorschlagen, wen er porträtieren soll.
Illustration: Veronika Neubauer, Foto: Michael Vadon, Mr Donald Trump New Hampshire Town Hall on August 19th, 2015CC BY-SA 2.0)