Morgens versuche ich erst mal, eine halbe Stunde oder Stunde ohne das Internet und digitale Medien zu verbringen. Stattdessen mache ich meistens das Radio an und höre Talkradio oder Nachrichten. Deutschlandradio Kultur oder WDR5 – das sind auch die Sender, die bei mir meistens im Auto laufen.
Zeitschriftenabos habe ich keine, aber ich kriege pro Monat so fünf oder sechs Musik- und Filmzeitschriften kostenlos geschickt, bei denen bin ich auf dem Verteiler. Metal Hammer, Rock Hard, Visions und solche Sachen. Dadurch bleibe ich auf dem Laufenden, was in der Musikbranche los ist. Deadline und Virus sind gute Filmzeitschriften. Manchmal kaufe ich mir die Galore – da sind gute Interviews drin.
Im Netz lese ich Pitchfork, um mich über neue Musik zu informieren. Blabbermouth ist eine ganz lustige Gossipseite für die Metalszene. Noisey und Vice lese ich auch, aber da geht es ja nicht mehr so viel um Musik. Außerdem mag ich ein paar alte Hardcoreseiten, es gibt zum Beispiel tolle Sammlungen alter Hardcoreflyer im Netz. Hardcore- oder Punkmagazine wie das Ox lese ich inzwischen auch oft online – aber lange Interviews lese ich lieber gedruckt. Papier hat schon noch eine andere Wertigkeit, finde ich, außerdem kann ich mich da beim Lesen besser konzentrieren.
Als Musiker bin ich viel unterwegs, und da genieße ich es natürlich, dass ich inzwischen nicht mehr viel mitschleppen muss, sondern „meine“ Medien fast überall auf der Welt konsumieren kann: Im Hotel streame ich dann zum Beispiel Flux FM aus Berlin per Internetradio. Auf Facebook folge ich dem Time Magazine, dem Zeit Magazin, der taz, der Süddeutschen und so weiter. Dadurch sehe ich dann immer schnell, wenn wieder etwas Schlimmes passiert ist. Oder auch mal was Gutes.
Ich achte dabei sehr darauf, Seiten zu abonnieren, die nicht zu reißerisch sind. Die nicht um jeden Preis etwas herbeischreiben wollen. So wie zum Beispiel bei dem Amoklauf in München, wo viele sofort von einem Terrorangriff geschrieben haben. So was finde ich nicht gerade seriös, und sobald mit etwas zu reißerisch wird, bestelle ich das gnadenlos ab. Spiegel Online zum Beispiel habe ich irgendwann bei Facebook abbestellt, das wurde mir einfach zu viel und zu laut. Dafür lese ich zum Beispiel regelmäßig Seiten wie Bildblog, dadurch kriege ich ganz gut mit, was an Quatschnachrichten so herumschwirrt.
Einerseits finde ich es toll, dass durch das Internet so viel Auswahl entstanden ist und man so bequem selektieren kann, von wem man informiert werden will. Aber es wird gleichzeitig auch immer schwieriger, nicht in so einen Sog zu geraten, der dir suggeriert, dass jeden Moment die Welt untergeht.
Ich lebe seit acht Jahren vegan, deshalb folge ich auch mehreren veganen Bloggern. Die Vegan Bros. aus USA sind zum Beispiel ganz okay, die sind eher lustig. Sofia Hoffmann finde ich gut, „Kochen ohne Knochen“ auch. Patrick Baboumian, dem „stärksten Mann Deutschlands“, folge ich auch bei Facebook. Dort bin ich auch in diversen Gruppen, zum Beispiel „vegan essen“, „veganes Berlin“ und so weiter und habe auch relativ viele vegane Restaurants abonniert. Unterwegs ist die App „Happy Cow“ superpraktisch. Da sind vegetarische und vegane Restaurants aufgelistet und bewertet. Auf Tour ist das manchmal mein Lebensretter – da suche ich mir dann die guten Sachen raus, egal, in welcher Stadt ich gerade bin.
Wenn ich Bücher lese, dann vor allem Romane. Wenn schon Sachbücher, dann eher so philosophischen Kram. Ein tolles Buch, das ich kürzlich gelesen habe, ist „Warum es die Welt nicht gibt“ von Markus Gabriel. Gerade lese ich „The Girls“ von Emma Cline, das lese ich im Original. Wenn ich kann, kaufe ich mir die Bücher im Original, das finde ich besser. In dem Roman geht es um eine fiktive Geschichte, die grob an den Charles-Manson-Kult angelehnt ist. Ich bin aber noch nicht so weit, auf Seite 90 ungefähr, aber bisher finde ich es sehr gut.
Was mir auch sehr gut gefallen hat, war „Panikherz“ von Benjamin von Stuckrad-Barre. Ich weiß gar nicht, ob man das jetzt als Roman bezeichnet, aber das fand ich ein beachtliches Buch. Ich war auch auf seiner Lesung. Das war ziemlich gut, sehr unterhaltsam. Ansonsten bin ich ein großer Houellebecq-Fan. Der ist zwar durch sein letztes Buch ein wenig in die Kritik geraten – aber ich finde, dass der Typ einfach sehr gut schreibt. Popkulturellere Autoren wie Nagel mag ich auch, der hat zwei gute Bücher geschrieben finde ich. Und Klassiker wie Hermann Hesse, da komme ich auch immer wieder drauf zurück. Aber dafür muss man auch in der Stimmung sein.
Apps sind für mich vor allem wichtig zum Musikmachen. Ich habe inzwischen ein ganzes Studio in meinem iPhone. So ein 4-Track-Aufnahmegerät mit Click, da kann ich über einen Adapter meine Gitarre anschließen und dann kann ich einen ganzen Song aufnehmen. „Amplitube“ ist eine App, mit der ich aufnehmen kann, aber auch verschiedene Verstärker und Einstellungen simulieren kann. Grobe Ideen nehme ich damit auf, im Studio werden die dann ausgearbeitet.
Twitter nutze ich kaum, das ist irgendwie nichts für mich. Bei Instagram habe ich einen Account, aber unter einem Pseudonym. Dort führe ich so eine Art Fototagebuch und mache Fotos aus dem Hotelzimmerfenster. Das machen ja viele, #hotelroomview ist der Hashtag. Für mich ist das ein Weg, meine Erinnerungen zu speichern. Ich kann dann im Nachhinein runterscrollen und mich erinnern, wie trist es war – an Orten, die von denen andere Menschen denken, sie seien total spannend.
https://www.youtube.com/watch?v=mUv8GxrqXPk
Mit der Band haben wir natürlich auch offizielle Accounts, aber persönlich bin ich im Netz immer unter Pseudonym unterwegs. Wobei bei vielen Accounts schon einige Leute wissen, dass ich dahinterstecke. Aber ich will ja auch noch ein Privatleben haben, meine Postings sind also eher für meinen Freundeskreis gedacht. Ich will mit Social Media aber insgesamt auch nicht zu viel Zeit verschwenden.
Seit acht Jahren habe ich keinen Fernseher mehr, konventionelles Fernsehen schaue ich also gar nicht mehr. Ich streame Serien bei Netflix und habe mir eine Zeit lang Böhmermann im Netz angeschaut. „Bojack Horseman“ ist eine Serie, die ich sehr empfehlen kann. „American Horror Story“ ist auch toll, da hat jede Staffel ihr eigenes Setting. „House of Cards“, klar, sehr zu empfehlen ist auch „Narcos“. „Lilyhammer“ fand ich auch gut, wurde ja leider irgendwann wieder abgesetzt. Aber an guten Serien gibt es ja so viel, man kommt gar nicht hinterher.
Podcasts finde ich auch gut. Den von „Spreeblick“ mag ich gerne, und WDR5 macht auch viele gute Podcasts. Ein Freund empfiehlt mir schon seit einer Weile „Fest und flauschig“, den Podcast von Olli Schulz und Jan Böhmermann bei Spotify, aber bisher bin ich noch nicht dazu gekommen, da öfter reinzuhören. Ich habe aber gar nichts gegen Spotify an sich, wie so manch anderer Musiker. Ich war mal in deren Hauptquartier in Stockholm und da ist mir aufgefallen: So wie früher die Bürogebäude von Plattenlabels aussahen, so sieht es heute im Büro von Spotify aus. Und gerade in Sachen Metal sind die sehr kooperativ und unterstützen und promoten Metal sehr, das finde ich natürlich gut. Insgesamt glaube ich, dass wir das sowieso nicht aufhalten können – also kann man sich auch damit arrangieren.
Insgesamt bin ich relativ aufgeschlossen, was neue technische Entwicklungen betrifft, glaube ich. Neulich habe ich zum Beispiel einen Freund getroffen, den ich jahrelang nicht gesehen hatte und der mich daran erinnerte, dass ich früher einer der ersten war, die einen DVD-Player hatten. Es geht mir dabei gar nicht darum, dass ich immer der Erste sein muss, aber ich mag es, Zugriff auf Informationen zu haben. Ich mag es, wenn etwas praktisch ist. Dann nutze ich das gerne.
Deshalb finde ich es auch positiv, dass ich heute mehr verschiedene Sachen lesen kann als vor, sagen wir, zehn Jahren. Ich habe mehr unterschiedliche Sachen abonniert als früher, dadurch muss ich aber auch selektiver sein. Es entsteht ein Filter, der früher so nicht da war. Früher musste man sich den Spiegel kaufen und dann hat man ihn durchgelesen. Heute habe ich Zugriff auf alle Arten von Medien aus aller Welt und muss eher permanent Sachen aussortieren. Früher habe ich mich für etwas entschieden – heute entscheide ich mich gegen hundert andere Sachen.
Miland „Mille“ Petrozza ist Gitarrist und Sänger von Kreator, einer der ältesten und einflussreichsten Metalbands. Petrozza ist unter anderem dafür bekannt, dass er nicht nur über die klassischen Themen des Genres („reitende Leichen und so“), sondern auch über politische und gesellschaftliche Themen singt. Am 27. Januar erscheint das 14. Album der Band: „Gods of Violence“.
In der von Christoph Koch betreuten Rubrik Medienmenü stellen regelmäßig interessante Persönlichkeiten die Medien vor, die ihr Leben prägen. Ihr könnt per Mail an christoph@krautreporter.de vorschlagen, wen er porträtieren soll.
Illustration: Veronika Neubauer, Foto: Roger Eickelpoth.