Zwar wohne ich seit 16. August in der Hauptstadt, doch es fühlt sich nicht so an, als ob ich auch nur den Hauch einer Ahnung davon hätte, wo zum Teufel ich denn lebe. Berlin ist so unfassbar groß, laut und komplex. Jeder Kiez ist anders und ein Universum für sich. Meine Güte!
Tagsüber in der Krautreporter-Redaktion, zog ich also nach Feierabend los, um die Weltstadt kennenzulernen. Wie einen kreativen Befreiungsschlag empfand ich es, mich mit frischem (Entschuldigung!) Death-Metal auf den Ohren und dem Kamera-Sucher vor Augen treiben zu lassen.
Dass ich dabei nicht die touristischen Sehenswürdigkeiten wie den Reichstag oder das Brandenburger Tor aufsuchte, ist allein der Tatsache geschuldet, dass ich mich schon immer dem Diktat von langweiligen Reiseführern widersetzt habe. Punk ’s not dead – und erst recht nicht in der Fotografie. So zog ich es auch vor, nicht die „typischen Berliner und Berlinerinnen“ zu porträtieren (ein Unterfangen, an dem ich kläglich gescheitert wäre). Ich hatte keine Lust auf eine schlechte „Humans Of New York“-Kopie und genoss das frei-assoziative Fotografieren.
Dabei hatte ich nicht selten ob der pulsierenden Musik auf den Ohren am ganzen Körper Gänsehaut und empfand meine kleine Odyssee im urbanen Dickicht zwischen bunt beleuchteten Kreuzungen, abgelegenen Vierteln und der allumschließender Dunkelheit als totales Glück. Welch’ ein Privileg, trällernd umherzuschlendern und das Leben zu zelebrieren!
Wie immer verstand ich erst nach der dritten Fototour, dass sich da etwas anbahnte, was sich unter dem Titel „Schattenberlin“ als Projekt abbinden ließ. Mittlerweile habe ich hunderte Fotos bewertet, aussortiert und das eng geflochtene Sieb der (rein subjektiven) Qualität darunter gehalten. Hängengeblieben ist eine Reihe fotografischer Einzel- und Unfälle, die in ihrer Gesamtheit Einblick erlauben in das Wie, Was und Wo eines zugezogenen Fotojournalisten, der etwas ahnungslos versucht, eine Großstadt zu erkunden: Schattenberlin.
.
Fotoauswahl: Rico Grimm; Produktion: Vera Fröhlich.