Meine Freundin Sylvia verliebte sich während ihrer Ausbildung in einen jungen Mann, mit dem sie dann einige Jahre zusammen war. Die beiden trennten sich letztlich wegen unlösbarer Probleme. Beide gingen neue Beziehungen ein. Nach zehn Jahren, in denen sie keinen Kontakt hatten, trafen sie sich wieder. Sie fanden sich über das Internet. Heute sind sie verheiratet und haben gemeinsam einen mittlerweile sieben Jahre alten Sohn.
Warum sind mir sofort die beiden eingefallen, als ich deine Frage gelesen habe, liebe A.? Ich vermute, es sind solche Geschichten, die Ängste nähren, den Partner eines Tages an den oder die Ex wieder zu verlieren. (Und wahrscheinlich auch bei einigen Ex-Partnern die Hoffnung schüren, den Verflossenen doch nochmal zurückzugewinnen). Dabei waren Sylvia und ihr Mann in der Zwischenzeit gar nicht befreundet. Womöglich wären sie auch nicht wieder zusammengekommen, wenn sie Freunde geblieben oder geworden wären.
Liebe A., du bist 30 Jahre alt, wohnst im Saarland und lebst seit etwa zwei Jahren in einer Fernbeziehung. Dein Partner hat teilweise sehr intensiven Kontakt zu seinen Ex-Freundinnen und zu Frauen, mit denen er mal angebändelt hat. Du schreibst: „Der Kontakt findet überwiegend online statt, ab und zu gibt es ein Treffen. Gewöhnlich trifft er die jeweilige Freundin dann alleine und unternimmt etwas mit ihr, Kaffee trinken, quatschen, Kino.“ Soweit so gut: „Es sind gute, recht normale Freundschaften“, wie du findest. Aber: „Der Kontakt zu seiner letzten Ex war im ersten Jahr unserer Beziehung sehr intensiv, womit ich arge Probleme hatte. Zwischen ihnen lief definitiv nichts mehr, sie waren bereits vier Jahre getrennt. Aber die beiden führten eine Art platonische Beziehung und waren sehr liebevoll zueinander. Er stand ihr näher als mir und ich fühlte mich ihr untergeordnet, als sei sie ihm immer noch wichtiger als ich. Das verunsicherte mich immens und ich war oft eifersüchtig.“
Angst vor der Verflossenen
Zunächst die beruhigende Nachricht: Mit deiner Eifersucht gegenüber der Ex bist du nicht allein. Die Mehrheit der Frauen in Deutschland hat Angst vor der Verflossenen. Das hat eine Forsa-Umfrage unter 1.011 Frauen zwischen 20 und 50 Jahren ergeben. Nicht ganz zu unrecht. Womöglich gehört dein Freund zu jenen 94 Prozent der Männer, die es völlig in Ordnung finden, mit ihrer Ex-Freundin zu flirten, wie eine GEWIS-Umfrage unter 1.143 Männern und Frauen im Alter zwischen 25 und 39 Jahren ergeben hat.
67 Prozent der Frauen verlangen laut Forsa von ihrem Partner, dass er sich nicht allein mit der Ex trifft. Die Eifersucht und die Angst, der Partner würde mit der Ex fremdgehen, begleitet also viele Menschen, auch wenn es dazu keine wirklich konsistenten statistischen Erhebungen gibt und man nur Schlaglichter auf die Thematik werfen kann. Doch wo beginnt das Fremdgehen – beim Kuss, beim Sex oder einfach bei einer sehr vertrauten Beziehung, wie du sie beschreibst, liebe A.?
Die bislang größte Studie über Untreue und Eifersucht stammt von einem Forscherteam um den Psychologie-Professor David Frederick von der kalifornischen Chapman Universität. Er wollte genau das von den knapp 64.000 befragten US-Amerikanern im Alter zwischen 18 und 65 Jahren wissen. Und kam zu folgendem Ergebnis: Mehr als die Hälfte der befragten heterosexuellen Männer macht es rasend eifersüchtig, wenn ihre Partnerin mit jemand anderem Sex hat, ohne sich zu verlieben. Bei den Frauen hingegen stört das etwa jede dritte. Wenn der Partner sich aber in jemand anderen verliebt, ohne Sex mit ihm zu haben, quält das nur 46 Prozent der Männer, aber zwei Drittel der Frauen. Mit anderen Worten: Die Mehrheit der Frauen ist sehr eifersüchtig über eine enge emotionale Verbindung, wohingegen für Männer eher entscheidend ist, ob man gemeinsam im Bett landet.
Freundschaft mit der Ex
Laut einer Studie des Partnerschaftportals Elitepartner unter 25.000 erwachsenen Internetnutzern sind immerhin etwa ein Drittel mit ihren Ex-Partnern befreundet. Singles pflegen dabei häufiger einen intensiven Kontakt als bereits wieder Liierte. Von den Befragten in neuer Partnerschaft sagt nur jeder Fünfte, dass er die Freundschaft mit dem Ex pflegt.
Natürlich, auch du liebe A., würdest dem zustimmen, was Krautreporter-Leser Mort schreibt: „Ich empfinde es bei Personen als positive Eigenschaft, wenn sie in der Lage sind, freundschaftliche Beziehungen zu ihren Ex-Partnern zu pflegen. Zum einen zeigt es meiner Meinung nach wertvolle menschliche Fähigkeiten wie Vergebung, Wachstum oder Wertschätzung. Und zum anderen ist das irgendwie auch beruhigend, wenn man davon ausgehen kann, dass der eigene Partner im hypothetischen Fall einer Trennung nicht alles vernichtet, was an positiven Erinnerungen und Gemeinsamkeiten vorhanden war.“
Auch Krautreporter-Mitglied Corinna schreibt: „Ich habe noch eine Zeit lang Kontakt zu jedem Partner gehabt, bis es sich dann auch da verlaufen hat. Aber wenn mich einer derjenigen heute anrufen und um Hilfe bitten würde, ich würde es nicht ablehnen.“
Doch unter den von dir beschriebenen Bedingungen, liebe A., kann eine Freundschaft sicher nur schwer gelingen: „Ich fühlte mich von der Ex angegriffen, spätestens als sie mir vorwarf, ich hätte ihr den besten Freund weggenommen. Er erwartete indes von mir Verständnis für sie, welches ihm gleichzeitig für meine Gefühle fehlte. Zumindest fühlte ich mich von ihm nicht verstanden und mit meinen Ängsten alleine gelassen. Letztlich artete dieser Dreieckskonflikt aus, bis er vor ein paar Monaten den Kontakt zu ihr einstellte, nachdem sie mich heftig beschimpft hatte.“
Die Sehnsucht nach dem alten Partner kann extreme, krankhafte Ausmaße annehmen. Die Amerikaner haben dafür ein eigenes Wort erfunden: Exaholic (in Anlehnung an den Alcoholic, den Alkoholabhängigen). Letztlich kann eine Freundschaft nach Ansicht von Psychologen nur dann gelingen, wenn nicht einer von beiden insgeheim den Plan verfolgt, den anderen zurückzuerobern.
Sex mit der Ex beliebt
Interessant finde ich die Erfahrung, die du selbst mit deinen ehemaligen Freunden gemacht hast, denn sie scheint das, was ich zum Thema Freundschaft mit Männern, Sex mit dem Ex, gelesen habe, zu bestätigen: „Ich selbst habe zwei Ex-Partner, aber keinen Kontakt zu beiden Männern. Einer davon hatte mich schlecht behandelt und mit dem anderen hatte es einfach nicht gepasst, leider nicht einmal freundschaftlich. Es gibt noch ein bis zwei Männer, mit denen ich vor einigen Jahren angebändelt hatte, an denen ich heute freundschaftliches Interesse habe. Allerdings wird dieses Interesse nur in sexueller Hinsicht erwidert. Seit ich vergeben bin, existiere ich für diese Männer nicht mehr.“
Auch damit bist du nicht allein. 34 Prozent der Frauen glauben laut GEWIS-Umfrage nicht daran, dass eine Freundschaft mit dem Ex-Freund überhaupt möglich ist. Womöglich haben sie ähnliche Erfahrungen gemacht wie du.
Dazu würde ich gerne noch eine weitere Studie des Kommunikationswissenschaftlers Jeffrey A. Hall von der University of Kansas, USA, ins Feld führen, die der Frage nachgeht, welche Ansprüche Männer und Frauen an die Freundschaft haben. Die Untersuchung zeigt, dass die sich ziemlich unterscheiden: Frauen legen mehr Wert auf Vertrauen, Loyalität, Selbstöffnung und Zusammengehörigkeit, während Männern wichtiger ist, was der andere zu bieten hat, etwa Fitness oder der Status. Selten, so ein anderes Forscherteam um den Psychologen Jesse Owen, ist die Freundschaft zwischen Mann und Frau losgelöst von gegenseitiger Anziehung und Sexualität und endet häufig im Bett. Männern ist dabei der Sex wichtig, während Frauen eher auf die wahre Liebe hoffen. Mit dem Ende von sexueller Nähe bricht auch jede fünfte Freundschaft auseinander. Skepsis gegenüber einer gemischt-geschlechtlichen Freundschaft ist also nicht ganz unberechtigt.
Zuletzt noch Folgendes: Das Internet-Portal WomensHealth.de hat insgesamt 5.000 Teilnehmer beiderlei Geschlechts gefragt, wie sie es beim Thema „Sex mit dem Ex“ halten. Demnach sind 44 Prozent der Frauen und 39 Prozent der Männer schon einmal mit dem oder der Verflossenen im Bett gelandet. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, aber auch andere Befragungen zeigen, dass es nicht ungewöhnlich ist, Sex mit dem Ex-Partner zu haben. Laut GEWIS waren 22 Prozent der Frauen trotz einer neuen Beziehung schon mit dem Ex im Bett. Statistisch gesehen, ist die Befürchtung, der Freund könnte mit der Ex fremdgehen, nicht unbegründet.
Dennoch, ein Gutes scheint der Ärger mit der Ex für euch zu haben, denn er hat euch die Augen über eure eigene Beziehung geöffnet: „Wir haben begonnen, offener miteinander zu reden. Scheinbar fühlt er sich oft von mir angegriffen, bevormundet und eingeschränkt. Und ich habe große Verlustängste und fühle mich nicht immer geliebt. Das Meiste an meiner Eifersucht ist womöglich mangelndes Selbstwertgefühl. Wir haben vereinbart, dass ich daran arbeite und dass er es mir leichter macht. Er möchte weiterhin Kontakt zu seinen Freundinnen haben und ich finde, dass dies sein gutes Recht ist und es mir nicht zusteht, ihm etwas zu verbieten. Umgekehrt würde ich dasselbe von ihm erwarten.“ Ich finde, das ist ein sehr guter Schlusspunkt.
Aufmacherbild: Uma Thurman als Jenny und Luke Wilson als Matt in „Die Super-Ex“ (© Kinowelt); Produktion und Redaktion: Vera Fröhlich.