Ich beginne den Tag mit der praktischsten App, die ich kenne: dem ORF-Teletext. Ein Blick aufs Handy reicht und ich weiß, ob die Welt noch steht und ob über Nacht etwas passiert ist, das ich gleich wissen muss. Dann überfliege ich meinen Mail-Account und drei Newsletter: den der SZ, turi2 und den ergiebigsten – Quartz mit seinen wunderbar abseitigen Links.
Mein wirklicher Medienkonsum beginnt dann auf Twitter. Ich folge 593 sehr sorgsam ausgewählten Accounts, von denen ich jeden Tweet lese. Das ist ungewöhnlich, soweit ich weiß, die meisten Twitter-Nutzer schauen gelegentlich in ihre Timeline und scrollen ein bisschen zurück. Ich gehe immer bis zum letzten Tweet zurück, den ich kenne, und das sicher 20, 30, 40 Mal täglich. Das ist einigermaßen zeitintensiv, aber Twitter ist in den letzten Jahren meine mit Abstand wichtigste Nachrichtenquelle geworden.
Praktisch alles erfahre ich dort früher als über Agenturen oder Eilmeldungen. Und ich erfahre sehr viel mehr - Geschichten, zu denen ich früher nie gekommen wäre. Weil die Wissenschaftler, Experten oder Journalisten, denen ich folge, immer wieder Medien und Fachliteratur empfehlen, die ich nicht mal kenne. Auch Blogs klicke ich praktisch nie direkt an – aber massenhaft via Twitter. Dafür lese ich gar nichts auf Facebook, außer den Kommentaren auf meiner Fanpage. Die haben ca. 270.000 Menschen abonniert, aber ich nütze FB ausschließlich als eine Art Blog. Privat habe ich nicht mal einen Account. Für Instagram fehlt mir die Zeit und für Snapchat die Geduld. Dafür bin ich auf Twitter umso aktiver.
https://www.youtube.com/watch?v=3SLqwz1pFdw
Twitter hat auch meinen Zeitungskonsum massiv verändert. Die Nachrichtensendung, die ich moderiere, läuft um 22 Uhr. Das heißt, ich habe vormittags frei und verbringe zwei bis drei Stunden im Kaffeehaus (ich lebe in Wien!). Dort habe ich früher stundenlang gedruckte Zeitungen und Magazine gelesen. Mittlerweile habe ich die Hälfte der Abos abbestellt und den Rest ziemlich flott durch, weil ich die meisten Geschichten schon am Vorabend auf Twitter gesehen habe.
Dass ich überhaupt noch gedruckte Zeitungen lese, ist mehr ein sentimentales Ding. Ich mag Papier, ich mag Zeitungen, in mag das Abgeschlossene. Andererseits: die gedruckte SZ, die ich in Wien abonnieren kann, hat bereits am Vortag um 16 Uhr Redaktionsschluss. Im Digitalabo bekomme ich die aktuellste Version. (Die anderen deutschen Tageszeitungen checke ich via Blendle.) Auch den SPIEGEL, vom dem ich keine Ausgabe versäumt habe seit ich 15 war, bekomme ich nur mehr am iPad, seit er samstags erscheint. In Wien kriegen ihn die Abonnenten nämlich weiterhin am Montag (kein Wunder, dass die Kollegen über Innovationen nachdenken). Ich habe übrigens bemerkt, dass ich am iPad maximal halb so viele Geschichten lese wie im Printmagazin – und nur selten eine Titelstory, keine Ahnung, ob es anderen auch so geht. Die ZEIT kommt nach wie vor gedruckt und pünktlich ins Haus, muss aber bis Sonntagabend warten. Dann studiere ich sie von vorn bis hinten, während meine Frau „Tatort“ schaut.
Ich bin ein Bücher-Freak, aber seit einer Antarktis-Kreuzfahrt vor ein paar Jahren besitze ich doch einen Kindle (die Bücher für drei Wochen am Schiff hätten das zulässige Gepäckslimit überschritten) - und bin ein Fan geworden. Romane lese ich seither nur noch am Kindle, nur wenn mich einer nachhaltig beeindruckt, kaufe ich die Druckausgabe auch noch. Von Sachbüchern am Kindle bin ich allerdings wieder abgekommen – die will ich querlesen und mit Leuchtstift markieren. Allerdings habe ich seit einigen Jahren eine Sachbuch-Krise. Es gibt (außer guten Biografien) praktisch keines, das man nicht problemlos und ohne wesentlichen Informationsverlust auf 30 Seiten kürzen könnte. Redundanz galore.
Armin Wolf ist stellvertretender Chefredakteur im ORF-Fernsehen und moderiert dort das Nachrichtenmagazin „ZiB2“. Auf Twitter findet man ihn hier.
In der von Christoph Koch betreuten Rubrik „Medienmenü“ stellen alle zwei Wochen interessante Persönlichkeiten die Medien vor, die ihr Leben prägen. Ihr könnt per Mail an christoph@krautreporter.de vorschlagen, wen er porträtieren soll.
Aufmacherillustration: Veronika Neubauer für Krautreporter.