Was Deutschland von Österreich im Umgang mit Rechtspopulisten lernen kann
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Was Deutschland von Österreich im Umgang mit Rechtspopulisten lernen kann

Die Österreicher kennen Rechtspopulismus seit 30 Jahren. Wie die Gesellschaft damit umgehen sollte, erklärt der Kabarettist Florian Scheuba. Sein Tipp: Zeigt, von wem diese Leute gesteuert sind.

Profilbild von Dominik Ritter-Wurnig

Wie unterscheiden sich die rechten Populisten in Deutschland und in Österreich?

Rund um die Jahrtausendwende wurde der österreichische Rechtspopulist Jörg Haider als Verführer wahrgenommen, der aufgrund seiner Ausstrahlung seine Erfolge feiert. Bei den Rechtspopulisten, die derzeit erfolgreich sind, fehlt das völlig. Das sind ja allesamt Figuren, wo man sich fragt, wie das geht. Es hat eine gewisse Transformation stattgefunden, so dass heute ein Rechtspopulist nicht mehr irgendwelche speziellen intellektuellen Begabungen mitbringen muss. Es reicht „a bisserl Ausländerfeindlichkeit“ und ein paar Sprüche.

Haben sich die Zeiten geändert oder war Haider doch kein raffinierter Verführungskünstler?

Heute geht der Trend mehr in Richtung Hassprediger als Populismus. Es genügt, niedrige Gefühle anzusprechen und dumpfe Frustrationen bei Menschen zu legitimieren. Die Hassprediger geben ihnen ungeniert das Gefühl, dass sie damit nicht alleine sind und dass sie das ruhig ausleben dürfen. Die Diskussionen, die wir in der Haider-Ära über seine Wortwahl und die seiner Anhänger hatten, wirken heute fast herzig. Das ist Mainstream geworden. Wenn man sich ansieht, was heute in den sozialen Medien abgeht, da ist wirklich der Zug der Zeit drübergefahren.

Ist die heutige FPÖ mit Heinz-Christian Strache an der Spitze mit der AfD vergleichbar?

Ja, weil, wenn ich mir Frau Frauke Petry anschaue, kann mir niemand erklären, dass sie eine charismatische Person sein soll. Sie wirkt auf mich wie ein Testimonial einer Gesundheitskampagne zum Thema „Verstopfung als Chance“. Der Strache hat schöne blaue Augen, ansonsten ist da eine große Leere. Es braucht aber offensichtlich nicht mehr. Für die Leute, die von ihm überzeugt sind, ist das schon genug. Es hat noch eine Verschiebung gegenüber früher stattgefunden: die Immunisierung der Anhänger gegenüber Kritik. Du kannst mittlerweile in den sozialen Medien in einer Meinungsblase leben, die dir deine eigenen Ansichten immer nur bestätigt. Mit dem Aufkommen des Totschlagarguments „Lügenpresse“ ist auch die Auseinandersetzung bis zu einem gewissen Grad flöten gegangen.

Was bewirkt das?

Du erreichst Menschen nicht mehr, wenn du mit irgendeiner Form von Kritik kommst. Deshalb ist es auch möglich, dass der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump sagt: „Ich könnte auf der 5th Avenue irgendjemand erschießen, ich würde keinen Wähler verlieren.“ Trump hat das Gefühl, nicht einmal das könnte ihm schaden. Eigentlich beleidigt er seine Wähler, indem er ihnen unterstellt, dass sie so moralisch verkommen oder dumm sind, dass sie auch ein Mord nicht stören würden.

Sind denn Donald Trump, Strache, FPÖ oder AfD rechtspopulistisch, rechtsextrem oder überhaupt etwas anderes?

Ich finde den Ausdruck Hassprediger zutreffend; zumindest bei Trump. Das Wesen des Populismus ist, Versprechen zu machen, die nicht wirklich realistisch sind, aber von denen man sich den maximalen Zuspruch erhofft. Das ist ja bei Trump nur bedingt gegeben, bei ihm geht es nur um das Ausleben von Hassgefühlen. Und darum, dass man sich quasi wieder traut, seinen niedrigsten Erregungen freie Bahn zu geben. Zum anderen hat der klassische Populismus längst den politischen Mainstream erreicht. Forderungen wie „Finger weg von den Pensionen“ oder „Leistung muss sich wieder lohnen“ sind ja mittlerweile nicht nur auf populistische Parteien beschränkt, sondern da machen mittlerweile alle mit.

Wieso ist der Hass so attraktiv?

Weil er auch auf ein Gefühl der Wehrlosigkeit trifft. Wichtig wird sein, ob die EU jetzt in der Lage ist, beim Thema Steuerflucht der großen Konzerne etwas zu tun. Da geht’s auch ganz wesentlich um die Gefühlsebene. Wenn Bürger in der EU das Gefühl bekommen, es ist völlig sinnlos und die EU ist machtlos gegenüber der Macht der Konzerne und wir müssen uns eben damit abfinden, dann entsteht ein Gefühl der Ohnmacht, das ganz nah an der Wut gebaut ist.

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Zu AfD und Pegida konkret: Was kann man als Zivilgesellschaft oder als einzelner dagegen überhaupt machen?

Ich finde es zum Beispiel wichtig aufzuzeigen, inwieweit diese Leute wiederum gesteuert sind. Sie verkaufen sich ja als unabhängig, abseits des Mainstreams. Die Beziehungen dieser Bewegung nach Russland sind ein wesentliches Thema, das man aufzeigen sollte. Ich finde es eine der originellsten Pointen der Geschichte, dass der Spruch „Moskaus nützliche Idioten“ heute eine ganz andere Bedeutung hat als in den 1980ern. Damals wurde er als Kampfbegriff der Rechten gegen Linke verwendet.

Mir als Österreicher fällt auf: Nach jedem Wahlerfolg der FPÖ und jedem braunen Sager gibt es in Österreich eine Empörungswelle. Bringt es etwas, die FPÖ immer wieder dafür zu verurteilen?

Ich glaube nicht, dass es dafür ein Patentrezept gibt. In der Haider-Zeit früher gab es auch oft die Diskussion: Soll man ihn ignorieren, soll man sich mehr empören? Da wird natürlich auch viel geheuchelt, weil es als Aufregungsthema für die Medien auch interessant ist, das aufzubauschen und zu emotionalisieren.

In Österreich gibt es ja auch die Theorie, dass die Koalition der konservativen Volkspartei ÖVP mit der FPÖ diese entzaubert hätte. Sollte die CDU auch mit der AfD koalieren, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen?

Die Entzauberung ist ein Mythos, denn die in der Regierung befindlichen FPÖ-Politiker haben eine enorme kriminelle Energie entwickelt. Die FPÖ ist immer noch die Partei mit der höchsten Korruptionskompetenz. Ihre völlige Inkompetenz wurde damals von der ÖVP ausgenutzt, um mehr oder weniger eine Alleinregierung zu machen. Dass die FPÖ bei der nächsten Wahl abgestürzt ist, hat weniger mit Entzauberung, sondern mehr mit den juristischen Konsequenzen ihrer Regierungstätigkeit zu tun. Ob das das Rezept ist, da wäre ich vorsichtig, wenn man sich zum Beispiel das Worst-Case-Szenario Ungarn ansieht. Durch die große Mehrheit konnte Viktor Orbán die Verfassung so ändern, dass seine Bande fast nicht mehr von den Futtertrögen wegzubekommen ist.

Wer für Petry, Trump oder Strache ist glaubt auch an den neuen Helden, den Underdog, der es denen da oben jetzt mal zeigt. Egal, ob es wahr ist oder nicht, aber man kann es dem Establishment heimzahlen?

Bei Trump spielt das sicher eine wesentliche Rolle. Trump ist eine Wutwahl, eine Hasswahl. Ich will es denen da oben zeigen. In Österreich haben wir den Baumeister Lugner, der von sich selbst sagt, ich bin der Kasperl. Da funktioniert es auf einer eher harmlosen Ebene. Alle anderen Kandidaten stehen für das System, das ich ablehne. Jetzt wähle ich einfach den Lugner, weil damit zeige ich: Leckts mich am Arsch. Ich finde den Kasperl noch besser als alle, die das System vertreten.

https://twitter.com/florianscheuba1/status/629253592055156737

Das Magazin Spiegel hatte kürzlich die AfD-Chefin Frauke Petry auf dem Cover. Die österreichische linke Wochenzeitschrift Falter hatte in den 1990ern mal ein internes Haider-Bilderverbot ausgerufen, um die Haider-Inszenierung nicht zu unterstützen. Wäre es wichtig, dass Medien sensibler sind bei der Bildsprache?

Haider war ein Coverboy und die Hefte haben sich gut verkauft. Ich kann mir aber nicht wirklich vorstellen, dass die Abbildung von Frauke Petry der Frau Frauke Petry nützt. Haider konnte man medial als diabolisch, geheimnisvoll oder als Rattenfänger inszenieren bei Petry wäre das wohl eher unfreiwillig komisch.

Wir als Krautreporter merken auch, dass Artikel über die AfD oder die Flüchtlingssituation ziehen. Kontroverse Themen führen zu mehr Klicks und Kommentaren.

Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen Menschen, die sehr viel posten, und Menschen, die gar keine Kommentare posten. Das sind aber nicht deshalb weniger. Denen ist es teilweise einfach nur zu deppert. Die Foren sind mittlerweile ja zu 80 Prozent manipuliert. Trollfabriken in Russland tun nichts anderes, als den ganzen Tag Putin-Postings in der Welt zu verbreiten. Ein Fall aus Österreich: Eine Agentur hat über 20 Mitarbeiter eingestellt, um für politische Parteien und andere Auftragskunden in diversen Foren gefälschte Postings zu verbreiten. Diese Reaktionen sind keine echte Maßeinheit, und als Währung des Journalismus finde ich sie ganz furchtbar.

In Deutschland brennen regelmäßig Flüchtlingsunterkünfte – in Österreich nicht. Wieso ist das so?

Als Wutventil haben die heimischen Boulevardmedien vielleicht einen Zweck. Auf der extrem manipulierten Leserbriefseite der Kronen-Zeitung haben viele dann das Gefühl: Die sind eh alle meiner Meinung. Vielleicht bremst das irgendwo den Willen, aktionistisch zu werden und zur Gewalt zu schreiten.

Sie machen seit 35 Jahren Kabarett und politische Satire: Was hat sich seit dem Beginn im Hinblick auf rechte Politik verändert?

Mit Haider haben wir uns damals beschäftigt, weil er auch interessant war als Figur der Showbranche und als Kommunikationsphänomen. Das hat ja damals auch nach Deutschland gestrahlt, wo es den Versuch gab, Haider zu entzaubern. Da saß er dann bei Talk im Turm und der Moderator ist gescheitert, weil er sich dachte, man muss eine Seife nur festgenug angreifen, dann flutscht sie einem nicht mehr durch die Hand. Ich würde nie ein ganzes Programm über Strache machen, weil er viel zu uninteressant und eindimensional dafür ist. Es gibt ja auch die These in Österreich: In Wahrheit könnte man ein rostiges Postkastel aufstellen und solange es sagt, es ist gegen Ausländer, kriegt es auch 25 Prozent der Stimmen.

https://twitter.com/florianscheuba1/status/688490147344715777

In ihren Programmen – gerade auch bei „Wir Staatskünstler“ – geht es oft um Politik. Ist da einfach die Devise „Humor ist, wenn man trotzdem drüber lacht“?

Mittlerweile haben Infotainment-Formate an Wichtigkeit gewonnen, weil sie junge Leute erreichen und ihnen auch etwas erklären können durch den Humor. In Amerika gibt es das Phänomen, dass sich viele Leute hauptsächlich über die Satire-Shows informieren. Aber auch bei uns gibt es Vergleichbares: Beispielsweise haben wir damals Lesungen der Abhörprotokolle von Politikern gemacht, denen Korruption vorgeworfen wird. Das hatte einen durchaus positiven Effekt, weil viele waren vorher der Meinung, das wäre alles zu kompliziert, was die Partie um den Grasser (Anm. der Red.: der ehemalige österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser) da gemacht hat. Dieses Hinunterbrechen auf die Frage „Wo war meine Leistung?“ hat schon Sinn gehabt, weil es auf einmal nachvollziehbar war, wie das gelaufen ist. Das sehe ich auch als Aufgabe von solchen Formaten, dass man nicht kapituliert vor der Wirklichkeit und sagt, „es ist eh alles sinnlos und es ist eh alles furchtbar“. Sondern, dass man sich die Mühe macht, gewisse Dinge auszuarbeiten, rauszugreifen und so zumindest an der öffentlichen Debatte teilnehmen kann.


Der Wiener Florian Scheuba tritt seit 35 Jahren als Kabarettist auf Bühnen und im Fernsehen auf. Für das preisgekrönte Programm „Zwei echte Österreicher“ hat er den mittlerweile verstorbenen Jörg Haider studiert, um ihn imitieren zu können. Für das deutsche Publikum ist Scheuba ab 7.Juni in der ORF Satireshow „Wir Staatskünstler“ zu sehen - online abrufbar unter tvthek.orf.at. Vorab ein Ausschnitt mit Florian Scheuba als österreichische Innenministerin:

Ausschnitt aus Wir Staatskünstler

Posted by Robert Palfrader on Wednesday, March 2, 2016

Illustration: Sibylle Jazra für Krautreporter.