Ich liebe Bücher aus vielen Gründen, aber auch, weil sie still sind, also nicht mit mir chatten wollen. Sie versuchen nicht, mich dazu zu bringen, diesem, diesem und dann diesem Link zu folgen. Sie erwarten keine Antwort von mir. Außerdem haben die Leute, die sie geschrieben haben, hoffentlich mehr Zeit gehabt über ihr Thema nachzudenken, als die meisten Internet-Autoren. Das heißt Bücher sind für mich (noch, denn wahrscheinlich ist die Frage des Mediums irgendwann egal, oder wenigstens egaler, ich meine: irgendwann ist das Internet eben auch ein Buch und fertig) – Bücher sind für mich also noch das Gegenteil von Internet. Ich mag Romane (zuletzt: „Die Wohlgesinnten“ von Jonathan Littell), weil ich Romane mag, jedoch auch aus Berufsinteresse, das heißt, ich will wissen, wie andere ihre Geschichten bauen. Sachbücher mag ich auch, sehr (zuletzt: „Das Lachen der Täter“ von Klaus Theweleit).
https://www.youtube.com/watch?v=Pgq53R5YR8M
Wenn ich einen Roman schreibe, kann ich keine anderen Romane lesen. Zum einen, weil mich ein fremder Stil wahnsinnig macht und ich befürchte, dass er sich in mich reinsneakt. Zum anderen, weil ich die Romane anderer Autoren beim Lesen oft so genial finde, dass ich keinen Satz mehr schaffe. Dann lese ich Sachbücher (obwohl die Bezeichnung „Sachbuch“ völlig unmöglich ist, Essays von Montaigne sind doch kein Sachbuch beziehungsweise funktionierendes Möbel).
Grundsätzlich habe ich von klugem Mediennutzungsverhalten nicht besonders viel Ahnung. Ich versuche nur, das Internet manchmal auszuschalten. Und bin auf Facebook mit Leuten befreundet, die gute Texte empfehlen, oder like Seiten, die sich darauf spezialisiert haben gute Texte zu empfehlen. Wenn ich schnelle Nachrichten haben will, gucke ich auf Spiegel Online, auch wenn ich die Seite fürchterlich finde. Aber ich höre immer wieder, dass die die schnellsten sind und dann vermittelt mir dieses Spiegel-Online-Rot eben ein Gefühl von Heimat, wenn auch kein angenehmes.
Außerdem natürlich: morgens beim Zähneputzen Deutschlandfunk, eigentlich immer, wenn ich im Bad bin, wo das Radio steht. Beim Zuhören denke ich gelegentlich, ich sei ein echter Bürger und muss lachen, und genau dieses sorgfaltspflichtige, leicht betuliche nervt dann auch so sehr, dass ich KISS FM höre, was aber nicht lange geht. Deutschlandfunk bietet auch viele Sachen als Podcast an (Essays, Hintergrund, Kommentare), die ich gerne abends zum einschlafen auf meinem Telefon höre.
Es hat nichts damit zu tun, dass ich bei einer Wochenzeitung arbeite, aber ich schätze Wochenzeitungen sehr, wenn es darum geht sich einigermaßen informiert zu fühlen. Weil zwischen Text und Ereignis meistens etwas Zeit vergehen konnte und diese Zeit es den Journalisten erlaubt, zu sortieren, ein bisschen wenigstens. Tageszeitungen lese ich nicht so oft. Als das noch üblicher war, hatte ich kein Geld dafür und jetzt bin ich morgens unter der Woche zu nervös.
Im Grunde fühle ich mich konstant schlecht informiert, weil die Vielzahl an Texten mir immer wieder zeigt, dass ich besser informiert sein könnte. Man sollte wohl irgendwelche Medienkompetenz-Teams in die Schulen schicken, die den Kindern beibringen, dass man sich für immer überfordert fühlen wird, dass es aber ihr eigentlicher Job ist, mit diesem Gefühl umzugehen und trotzdem weiter zu lesen.
Antonia Baum ist Schriftstellerin und Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. 2015 erschien ihr zweiter Roman „Ich wuchs auf einem Schrottplatz auf, wo ich lernte mich von Radkappen und Stoßstangen zu ernähren“. Für Februar 2016 ist „Tony Soprano stirbt nicht“ angekündigt.
Illustration: Veronika Neubauer, Foto: Mathias Bothor/photoselection
In der von Christoph Koch betreuten Rubrik „__Medienmenü“ _stellen alle zwei Wochen interessante Persönlichkeiten die Medien vor, die ihr Leben prägen. Ihr könnt per Mail an christoph@krautreporter.de vorschlagen, wen er porträtieren soll.