Wenn ich mich in meinen Facebook-Kreisen so umsehe, sind 500 und mehr Freunde keine Seltenheit. Ich selbst fühle mich gelegentlich schlecht, weil ich nur 100 Facebook-Kontakte habe. Aber immerhin weiß ich von allen, wer sie sind – und ich habe sie auch irgendwann in meinem Leben schon einmal getroffen.
L. ist 23 Jahre alt und hat viel Zeit darauf verwendet, Facebook-Freunde „zu sammeln“, wie er selbstironisch feststellt: „Ich habe mich von dem Gefühl treiben lassen, von ganz vielen Menschen so sehr gemocht zu werden, dass sie mich als Freund ansehen. Wie toll ist das denn auch? 400 Freunde! Was für eine idyllische Welt, in der man auf 400 Menschen in allen Situationen zählen kann.“ Jetzt, vier Jahre später, hat L. die meisten seiner vermeintlichen Freunde bei Facebook entfernt. Eine Handvoll Bekannte sind übriggeblieben. Und lediglich fünf Menschen würde er wirklich Freunde nennen, mit denen er mehr oder weniger wöchentlichen Kontakt hat.
In seiner Wohngemeinschaft in Bielefeld hat er Menschen kennengelernt, die „nur“ drei Freunde haben. “Wenn ich gesagt habe: ‚Ladet bei der nächsten Party mal alle ein, die ihr kennt’, dann war die Wohnung einfach voll mit meinen Bekannten und den zwei oder drei Freunden von meinen MitbewohnerInnen. Zu Anfang dachte ich, diese Menschen müssen doch todunglücklich sein. Aber ich lernte, wie wichtig diese drei Menschen für sie sind. Und dass sie sogar zufriedener sind als ich. Mir ist mit der Zeit bewusst geworden, dass es schwierig ist, mit Menschen, die wie ich gerne ‚Freunde sammelten’, eine engere Freundschaft aufzubauen. In letzter Zeit merke ich auch, dass es durchaus guttut, sich mit einigen Menschen wirklich gut zu verstehen, anstatt mit allen Menschen einfach nur ein paar Gemeinsamkeiten zu haben und sie dann als Freunde zu bezeichnen.“
Das Institut für Demoskopie Allensbach befragt im Auftrag von „Jacobs Kaffee“ einmal im Jahr die Bundesbürger zu ihren Freundschaften. Die repräsentative Umfrage zeigt, dass den Deutschen Freunde sehr wichtig sind, sogar wichtiger als die Familie und Liebesbeziehungen. Dabei vermessen sie die Deutschen in ihren Beziehungen ziemlich genau. Durchschnittlich 24 Jahre lang dauert demnach eine Freundschaft in Deutschland, mehr als zwei Drittel haben eine Freundschaft fürs Leben.
Den meisten ist wichtig, dass Freunde immer verlässlich da sind und Hilfe leisten, dass man mit ihnen lachen und den Humor teilen kann (82 Prozent). Auch das Klischee scheint zu stimmen, dass Frauen eher miteinander reden (80 Prozent, Männer: 65 Prozent), Männer etwas gemeinsam machen wollen (47 Prozent, Frauen: 26 Prozent).
Die Mehrzahl der Deutschen hat einen oder mehrere beste Freunde. Immerhin jeder Siebente aber behauptet von sich, eigentlich keinen guten Freund zu haben.
Im Durchschnitt hat jeder 3,3 Freunde.
Das hat das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung ermittelt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Umfrage im Auftrag der Universität Chemnitz. Die meisten Freundschaften entstehen unter Vertretern des gleichen Geschlechts. Bei Facebook hat demnach übrigens jeder Nutzer durchschnittlich 372 Freunde. Spitzenreiter in einem weltweiten Vergleich sind Island, Brasilien und die Philippinen, Schlusslichter Russland und China. Untersucht wurde eine Million User. Erwartungsgemäß haben etwa Zwanzigjährige die meisten Freunde, rund viermal so viele wie die Fünfzigjährigen.
Interessant ist, dass die Zahl der Freunde im Erwachsenenalter relativ konstant bleibt und neue Freunde alte eher verdrängen. Das hat eine Studie von Robin Dunbar und Kollegen an der University of Oxford über soziale Netzwerke gezeigt. Dunbar schreibt, dass ein Mensch nur wenige enge Freunde haben könne, nämlich fünf. Womit er gleichzeitig eine weitere Frage von KR-Leser L. beantwortet: „Sind 200+ Freunde etwas, für das das menschliche Gehirn ausgelegt ist?“ Die Antwort gibt Dunbar in einer früheren Studie: „Das menschliche Gehirn ist für eine Gruppe von etwa 150 Individuen ausgelegt, was in etwa einer Dorfgemeinschaft entspricht.“ Auch bekannt als Dunbar-Zahl.
Lieber L., du bist also ziemlich normal, und ziehst, wie ich finde, selbst das beste Fazit über Freunde: „Diese Menschen haben durch ihre Art und ihre Beziehung zu mir einen besonderen Wert. Früher hatte ich von solchen Freundschaften weniger. Dass ich viele Menschen kenne ist schön, aber meistens dann doch egal.“
Aufmacherbild: Matthias Schweighöfer als Tom und Friedrich Mücke als Veith im Kinofilm „Friendship!“ (© Sony Pictures)