Marty McFly!
Robert Noack.
Marty, wir wissen beide: Du hast nicht vor, dir nochmals so einen Fauxpas zu leisten wie bei deiner letzten Reise in die Vergangenheit, daher: Du kannst die Tarnung mit dem Deutschen und mit Dresden und der Autovermietung jetzt sein lassen. Du hast einen DeLorean dabei, der sogar den Aufbau und die Strahldüsen hat, da funkelt ein Fluxkompensator, auf dem Rücksitz liegen Hoverboard und Weste: Willkommen in der Zukunft!
Ich muss dich enttäuschen. Ich bin tatsächlich erst Baujahr 1982. Für Marty McFly bin ich etwas zu jung. Wobei: Müsste ich nicht dann heute – also jetzt – viel älter aussehen als Marty? Der ist doch gereist und junggeblieben, ich bin nicht gereist und im Gesicht gealtert. Mmh.
Mmh. Diese Zukunftsparadoxe machen mich immer ganz schwindelig. Wo kommt der DeLorean her – und warum hast du das Hoverboard dabei?
Ich bin auf dem Weg nach Berlin. Heute steigt eine große „Zurück in die Zukunft“-Party, und wir stellen die Requisiten für das Kino am Potsdamer Platz. Da muss schon alles echt sein, finde ich.
Ich hab mal gehört, die Karre ist eigentlich Schrott – sieht nur so verdammt gut aus.
Das stimmt sogar. John DeLorean ist mit der Firma, der DeLorean Motor Company, ziemlich in Schieflage geraten deswegen. Der Designer, Giorgetto Giugiaro, hatte dieses Auto für ihn entworfen, und es war so schick und seiner Zeit designtechnisch weit voraus. Aber es war auch sehr anfällig, und man merkt die nicht so überragende Qualität. Ich habe ein paar Jahre recherchiert, bevor ich es bei einem Importeur in den USA bestellt habe: Dem Autoscout, der sich auf die Suche nach einem geeigneten Wagen gemacht hat, habe ich gesagt: Pass auf, es muss ein Original DeLorean DMC-12 sein. Er muss aus den USA kommen, die waren nämlich weit günstiger als die paar, die es auf dem deutschen Markt damals gab, und dann fand er einen in Miami. Die 12 im Namen steht übrigens für den ursprünglichen Verkaufspreis: 12.000 Dollar. Kostete aber schon damals mehr als 25.000 und war der teuerste Sportwagen seiner Zeit. Bei Porsche und Corvette bekam deutlich mehr Leistung für das Geld!
Bist du direkt in Freudentaumel ausgebrochen, als du ihn gefunden hast, und bist direkt ins Internet, um schon mal ’n Fässchen Plutonium für den Kompensator zu bestellen?
Ich war erst skeptisch: Der Wagen gehörte einem Anwalt aus New York, 2014 war das. Und die Karre stand lange in der Sonne oder der Garage, weil er sie nur im Sommer gefahren ist. Sie hatte deshalb nur 19.000 Meilen auf dem Tacho – aber das Leder der Sitze reißt sehr leicht, wenn die Sonne draufknallt, die Armaturen im Cockpit sind empfindlich, und dann ist da noch die Sache mit den Flügeltüren, die den Wagen in den 80ern ja so zum Kassenschlager gemacht hatten. Die sind richtig auffällig, und der Hebemechanismus schnell kaputt. Übrigens wussten das die Macher aus „Zurück in die Zukunft“.
Ja, als Marty im ersten Teil zurückreisen will – du erinnerst dich ja bestimmt, Blitz, Leitung, Rathaus-Uhr – da würgt er doch den Wagen ab?
Yes, meine Lieblingsszene! Nein, er würgt ihn nicht ab. Der DeLorean hat ein so genanntes Warmstartproblem. Wenn er heiß ist oder ganz kalt, also noch aus, dann zündest du und er springt an. Aber Marty fährt doch die Straße runter und redet dann noch eine Weile mit sich selbst und stellt am Timer rum – naja, und wenn der Wagen warm ist und neugestartet wird, geht er einfach aus. Das ist wirklich so, das wussten die Filmemacher und haben es als Gag eingebaut.
Langsam denke ich, du willst mir einen Bären aufbinden. Wie viel Gigawatt braucht der Wagen zum Reisen?
1.2 Gigawatt. Genauer: Eigentlich 1.21 Gigawatt. Die doppelte Menge das Braunkohle-Kraftwerks Boxberg in der Lausitz, da wo ich herkommen.
Da, wo du angeblich herkommst, Marty! Du scheinst du dich schon gut mit der Energiebeschaffung beschäftigt zu haben. Hat der Professor dir das erzählt, für die Rückreise?
Erstmal muss ich ja nur bis Berlin. Aber vielleicht brauch ich mehr Energie: Wir sind rund um das Jubiläum mit unserem DeLorean und den Filmrequisiten unterwegs: Firmenfeiern und Events. Die ganze Woche, bis Montag. Wir haben alleine für heute 30 Anfragen bekommen. Da musste ich eine auswählen, die ist – natürlich – der Potsdamer Platz. Kindheitstraum. Nee. Besser. Eine Ehre, dort promoten zu dürfen. Und die Fans und Zuschauer, die rasten schon vor Freude aus – egal ob Asiaten oder Europäer – wenn ich vorfahre und die Flügeltüren aufgehen. Dann die Musik aus dem Film. Bah. Voll Gänsehaut.
Was bedeutet der Tag für dich persönlich?
Wir haben als Firma darauf hingearbeitet, aber auch für mich persönlich ist das ein Riesending: Ich kann jeden Film natürlich auswendig mitsprechen, ich bin auch so ein Kind der 80er Jahre: Kassetten mag ich, alte 80er-Jahre-Star-Wars-Filme, Ghostbusters, Ein Colt für alle Fälle und natürlich Knight Rider. Und der Film wird heute genau 30 Jahre alt. Plus: Ich sehe ihn in Berlin zum ersten Mal in meinem Leben im Kino!
https://www.youtube.com/watch?v=QIVk-z3_QXI
Gut, Marty. Äh. Robert. Dann wollen wir dich nicht aufhalten. Zum Schluss: Wenn der Timer in der Karre funktionieren würde: In welches Jahr würdest du gerne reisen?
Gibt es die Möglichkeit zurückzukommen? Also reicht die Energie? Hilft mir der Professor?
Ja. Ja. Und ja.
Oh Gott, mal überlegen. Darüber habe ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht. Oder vielleicht doch. Und ich weiß es nicht mehr. Mal sehen: In das Jahr, als meine Eltern jung waren…
Und weiter…
… ihre Träume von damals verstehen. Ihre Wünsche und Geschichten und wie sie gelebt haben. In den 70ern. Das wäre schon toll, ja.
Welche Vorkehrungen müsstest du treffen?
Wie?
Sagen wir mal: Dein Vater wird an der Schule verprügelt, niemand glaubt dir, dass du aus der Zukunft kommst, und dann verliebt sich deine Mutter in dich.
Das ist der Film! Das habe ich jetzt gar nicht gemerkt (lacht). Ich würde Englisch sprechen, damit wir gar nicht reden können. Oder andere Sprachen. Damit das nicht passieren kann.
Und dann würde sie dir plötzlich in die Augen sehen und, entschuldige bitte diese völlig entglittene Fragestellung, dich fragen, ob sie dich nicht von irgendwoher kennt. Ich möchte jetzt nicht sagen, sie küsst dich und sagt, dass sich das anfühlt, als würde sie ihren eigenen Bruder küssen. Was würdest du antworten?
Ich muss schnell mein iPhone laden. Oder besser: Ich muss jetzt aber wirklich los!
Danke für das Gespräch, Robert. Und viel Erfolg in Berlin!
(Flügeltür schließt, dröhnender Motor, Auto hebt sich langsam vom Asphalt. Blauer Blitz.)
Ich hab’s doch gewusst! Mach’s gut, Marty!
Aufmacherbild: DeLorean by night; Foto: Jörg Singer