Kommentar:
Eine der besten Klimaschutz-Ideen kommt schon wieder nicht
Klimageld sollten Bürger:innen im Ausgleich für die CO2-Steuer bekommen. Jetzt kommt es nicht. Dabei hätte es ein grundlegendes Problem der Klimapolitik lösen können.
„Mensch“, dachte ich damals, „hab doch Vertrauen in die Regierung!“
Es war das Jahr 2019 – der Höhepunkt der Klimaproteste von Fridays for Future. Auf Facebook gründete sich in Reaktion auf die Klimabewegung eine Gruppe mit dem frechen Namen „Fridays for Hubraum“. Dieser Gruppe traten innerhalb weniger Tage 400.000 Menschen bei – sechsmal so viele wie damals in der Fridays-for-Future-Gruppe auf Facebook waren.
Viele Medien interviewten den Gründer der Hubraum-Gruppe, Chris Grau. Vor allem die CO₂-Steuer lehnte er ab, also die gezielte Besteuerung von fossilen Brennstoffen, die auch das Tanken verteuert. „Das Problem daran ist, dass die Kosten letzten Endes dem Bürger aufgebrummt werden“, sagte er etwa gegenüber der Augsburger Allgemeinen. Alles werde einfach teurer.
Schon damals wiesen Experten immer wieder darauf hin, dass das nicht stimmen muss. Denn die Einnahmen könnten an die Bürger in Form eines sogenannten Klimagelds ausgezahlt werden, auch Klimadividende genannt. Aber dieses Argument verfing bei den Hubraum-Aktivisten nicht. Für sie blieb die CO₂-Steuer einfach eine weitere Steuererhöhung auf Kosten der kleinen Leute.
Denke ich daran zurück, finde ich mich heute in einer ungewohnten Position wieder.
Das Klimageld ist eine Idee mit einem Clou
Denn mit dem Zynismus des Fridays-For-Hubraum-Gründer konnte ich damals nicht viel anfangen. Nun aber, kurz vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD, sehe ich das anders. Ich bin für mehr Klimaschutz, aber muss mich den Verbrenneraktivisten anschließen. Denn die nächste Regierung wird kein Klimageld an die Bevölkerung auszahlen. Das untergräbt den Kampf gegen die Erderwärmung
Dabei ist das seit mehr als einem Jahrzehnt diskutierte Klimageld eine einleuchtende Idee: Der Staat verteuert fossile Brennstoffe gezielt mit einer Steuer. So werden Unternehmen und Bürger dazu gebracht, sich nach klimaneutralen Alternativen umzuschauen.
Die Einnahmen aus dieser Steuer teilt der Staat durch die Zahl der Menschen in Deutschland und überweist jedem eine Kopf-Prämie. Das Umweltinstitut München e.V. rechnet damit, dass aktuell jeder Bürger 300 Euro pro Jahr erhalten würde.
Der Clou daran ist: Wer reich ist, zahlt unter dem Strich drauf. Denn Reiche und Vermögende haben einen CO₂-intensiven Lebensstil: Erstauto, Zweitauto, Auto für die Tochter zum 18. Geburtstag, großes Haus, Flugreisen, Ferienhaus, abends dann Wagyu-Rinderfilet auf dem Grill, das Übliche. Für all das werden CO₂-Steuern anteilig fällig. Steuern, die ein armer Mensch nicht zahlt. Er erledigt seinen Einkauf zu Fuß, im Warenkorb liegen Käse und Brot, die letzte Flugreise ist schon 20 Jahre her und den klapprigen Dacia hat er verkauft, als die fällige Reparatur mehr gekostet hätte, als das Auto überhaupt wert war.
CO₂-Steuern ohne Klimageld treffen die Armen härter als die Reichen
Da aber beide Menschen den exakt gleichen Klimabonus bekommen, läuft es darauf hinaus, dass der Reiche mit seinen Autos und dem Wagyu-Filet den armen Menschen belohnt. Wer die Atmosphäre stark verschmutzt, bezahlt denjenigen, der sie eher schont. Brillante und vor allem gerechte Idee, nicht?
Das finden auch Experten. Seit mehr als zehn Jahren beschäftigen sie sich mit der Einführung eines Klimageldes, gerade weil sie fürchten, dass die Erhöhung von CO₂-Steuern im Zweifel ärmere Menschen härter trifft, die einen größeren Anteil ihres Einkommens zum Beispiel für Strom ausgeben müssen. Beispielhaft dafür ist hier eine Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Im Dezember hatte ein breites Bündnis aus Umwelt- und Sozialverbänden die Einführung des Klimageldes gefordert.
Es gibt aber auch Gegenstimmen. Clemens Fuest etwa, Chef des Ifo-Instituts, legt hier einen anderen Vorschlag vor, das Geld zurückzuerstatten: „Eine konkrete Möglichkeit der Umsetzung wäre eine Kombination aus leichter Erhöhung des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer, Senkung der Grenzsteuersätze sowie einer Erhöhung des Bürgergeldes. Eine andere Option wäre eine Umsatzsteuersenkung.“ Fuest findet also Steuererleichterungen sinnvoller als die Auszahlung eines Klimageldes.
Klimageld versprochen? Gebrochen!
Die Ampelregierung hatte versprochen, ein Klimageld auszuzahlen. Sie brach das Versprechen. Der Staat ist schlicht nicht in der Lage, jedem Bürger direkt Geld zu überweisen. Das sei erst ab dem Jahr 2027 möglich, hieß es dann von der Ampelregierung
Bald-Kanzler Friedrich Merz sagte noch im Februar im TV-Duell mit bald Alt-Kanzler Olaf Scholz: „Es wird eine entsprechende Kompensation für alle Haushalte geben mit dem sogenannten Klimageld. […] Das muss gemacht werden.“
Aber in den aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU taucht diese Idee nicht mehr auf. Lieber wolle die Regierung laut des aktuellen Verhandlungsstandes die Einnahmen verwenden, um „unbürokratische und sozial gestaffelte Entlastungen und Förderungen beim Wohnen und bei der Mobilität auf den Weg bringen.“ Das ist etwas kryptisch, lässt sich aber leicht entschlüsseln, schließlich haben SPD-Politiker schon gefordert, dass es eine neue E-Auto-Prämie geben soll und Unionspolitiker haben klargemacht, dass sie den Strompreis für Industrie und Bürger senken wollen.
Beide Ideen haben gemeinsam, dass sie genau das Gegenteil des Klimageldes erreichen: Sie verteilen von unten nach oben um. Sie sind ungerecht. Denn wer gewinnt mit einer E-Auto-Prämie und wer verbraucht viel Strom? Wer das Geld für ein Auto und für große Wohnungen und Häuser hat.
Laut einer von Greenpeace beauftragten Kurzstudie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) würden einkommensstarke Haushalte von einer Senkung der Stromsteuer zweieinhalbmal stärker profitieren als einkommensschwache Haushalte
Der Staat erfüllt hier die Klischees
Die nächste Regierung wird gemäß des Verhandlungsstandes darauf verweisen, dass ihr Klimaentlastungsprogramm „sozial gestaffelt“ sei, also vermögende Menschen weniger bekommen als arme. Das ist lobenswert, nützt aber nicht viel.
Wer sich kein Auto leisten kann, kann sich auch kein Auto mit einer sozial gestaffelten Prämie leisten, die noch dazu hohen bürokratischen Aufwand bedeutet. Eltern, die mit zwei Kindern in einer 65-Quadratmeter-Wohnung gefangen sind, freuen sich sicher darüber, dass die Stromrechnung etwas sinkt, wenn sie es überhaupt mitbekommen. Diese Familie könnte aber mit einer jährlichen direkten Überweisung von bis zu 300 Euro viel mehr anfangen, etwa energieeffizientere Haushaltsgeräte kaufen.
Immerhin, so viel sei der Ampel und der kommenden Regierung zugestanden, verwenden sie die CO₂-Einnahmen für etwas, das mit der Klima-Transformation zu tun hat. Sie lassen das Geld nicht im allgemeinen Haushalt versanden, wo dann fossile Subventionen wie der Agrardieselrabatt oder die steuerliche Begünstigung großer Dienstwagen querfinanziert werden.
Aber mit der eigentlichen Idee hinter dem Klimageld hat das Ganze nichts mehr zu tun.
Es ist bürokratisch. Der Effekt ist für die breite Masse kaum spürbar. Niemand weiß, dass die E-Auto-Prämie aus CO₂-Steuern finanziert wird. Es ist sozial ungerecht. Und das Schlimmste: Wieder einmal präsentiert sich der Staat als das, was ihm von den politischen Rändern stets vorgehalten wird. Er zeigt sich als Vehikel, um die Reichen zu schützen (Kritik von links) und als übergriffig (Kritik von rechts).
Kein Klimageld zu zahlen sendet eine klare Botschaft: Der Staat vertraut den Bürgern nicht
Auf mich wirkt es so, als ob Regierungen alles tun wollen, nur nicht den Menschen direkt und ohne Bedingungen Geld zu überweisen. Geld, das ihnen zusteht, weil die CO₂-Steuer immer als Lenkungsinstrument gedacht war, niemals als Einnahmequelle. Sie sollte die Klimatransformation beschleunigen, aber nicht Politikern mehr Mittel für ihre jeweiligen Lieblingsprojekte in die Hand geben. Der Staat sollte hier nur koordinieren und helfen.
Hinter all dem steckt die Botschaft: „Wir wissen schon, was gut für euch ist. Lasst uns das Geld mal!“ Wer arm ist, muss das schlucken, zahlt die CO₂-Steuer und kann dann die geförderten E-Autos vor der Haustür anderer bewundern. Das ist wie eine Beleidigung, der flugs noch eine Ohrfeige folgt.
Das Vertrauen in politische Parteien ist am Boden. Dem Staat traut in Deutschland aktuell kaum noch jemand etwas zu. Mit dem Klimageld hätten Parteien und Staat beweisen können, dass sie anders denken und handeln können, als sie das 100 Jahre lang getan haben. Eine einfache Idee einfach mal umsetzen! Keine Ausreden und Ja-Aber suchen. Einfach machen!
Dass sie das nicht können und, schlimmer noch, den Eindruck erwecken, dass sie das auch nicht wollen, wird weiteres Vertrauen kosten.
Denn selbst wem Klimapolitik ein bisschen egal ist und wer sich auch keine Sorgen über Vertrauen in die staatliche Fähigkeit macht, muss doch den symbolischen Wert einer Überweisung sehen, die Dutzende Millionen Deutsche auf ihrem Konto erhalten und die von den Worten begleitet wird: „Hier ist Ihr Klimabonus. Mit freundlichen Grüßen, Ihre Regierung.“
Was da zwischen den Zeilen steht, ist doch völlig klar: Wir denken an dich.
Redaktion: Isolde Ruhdorfer, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert
Eine der besten Klimaschutz-Ideen kommt schon wieder nicht