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Das Küchengespräch endet in der Bundespressekonferenz.
Robert Habeck hat angekündigt, dass er bei den kommenden Personalentscheidungen der Grünen keine Rolle mehr spielen wolle. Der Wahlkampf sei ganz auf ihn zugeschnitten gewesen, sagte er vor der Bundespressekonferenz am Montag nach der Wahl. „Das war der Wahlkampf, den ich führen wollte. Das war das politische Angebot, das ich unterbreiten wollte.“
Habeck ist mit diesem politischen Angebot gescheitert. Im Wahlkampf gelang es den Grünen nicht, Themen zu setzen. Sie haben 3,1 Prozent ihrer Stimmen verloren. Bei der künftigen Regierungsbildung werden sie wahrscheinlich keine Rolle spielen.
Robert Habeck ist klar gescheitert, oder?
Ganz so einfach ist es nicht. Wie bereits nach der Bundestagswahl 2021 fühlt sich das Ergebnis dieser Wahl für viele in der Partei wieder wie eine Niederlage an, und es wird auch von außen so gewertet. Nun: 2021 erzielten die Grünen das beste Ergebnis ihrer Geschichte. 2025 das zweitbeste.
Wie lässt sich diese seltsame Unstimmigkeit erklären?
Strategisch gescheitert – und trotzdem Fortschritte gemacht
Die letzten beiden Grünen-Ergebnisse sind, gemessen an der eigenen Geschichte, fantastisch – aber nicht gemessen an den eigenen Ansprüchen.
Annalena Baerbock und Robert Habeck übernahmen im Jahr 2018 die Parteispitze mit einem klaren Ziel: die führende Kraft im progressiven Lager werden und so das Kanzleramt erobern. Sie wollten die Grünen breiter in der Gesellschaft verankern. Weniger Milieu-, mehr Bürgerpartei.
In den vergangenen sieben Jahren haben die Grünen keines dieser Ziele erreicht. Sie können erstmal nicht mehr, vielleicht sogar nie, Volkspartei werden. In dieser Hinsicht sind sie strategisch gescheitert.
Und doch zeigen die historisch guten Wahlergebnisse der Grünen, dass sie Fortschritte gemacht haben. Die Grünen sind nach oben gescheitert.
Sie konnten ihre Stammwählerschaft (genauso wie die AfD) nachhaltig vergrößern und waren unter den Ampel-Parteien jene Partei mit den wenigsten Verlusten. Mehr als 42.000 Menschen traten seit dem Ampel-Aus der Partei bei. Auf dem Karriere-Netzwerk LinkedIn haben vor der Wahl Wirtschaftsfachleute für die Grünen geworben und als mir mehr als 3.500 Grünen-Wähler und -Wählerinnen vor ein paar Wochen erzählten, welche Bilanz sie nach drei Jahren Ampel ziehen würden, waren die wenigsten abgrundtief enttäuscht. Sie sahen viel mehr die realpolitischen Zwänge, denen ihre Partei in der Ampel-Koalition ausgesetzt war. Das steht im Gegensatz zur SPD und der Union, die seit zwanzig Jahren immer weniger alte Stammwähler erreichen.
Die Wahlergebnisse fühlen sich aber auch aus einem weiteren Grund wie eine Niederlage an. Die Grünen haben sich verleugnet, um erfolgreich zu sein. Geht solch ein Kalkül nicht auf, ist es doppelt schmerzhaft: das Wahlziel verfehlt und das auch noch mit Selbstaufgabe bezahlt.
Jetzt braucht es eine Grüne Mauer
Die Grünen haben ihre beiden Kernthemen, Umwelt- und Klimaschutz, hinten angestellt. Die Überlegung war, dass sich so ehemalige Wähler und Wählerinnen von Angela Merkel eher erreichen ließen. In der Partei war die Rede von einer sogenannten Merkel-Lücke. Tatsächlich holte die Union das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte, auch weil es ihr nicht gelang, Frauen für sich zu gewinnen. Das war die Merkel-Lücke, aber sie war für die Grünen nicht wahlentscheidend.
Nun werden wohl wieder CDU und SPD gemeinsam regieren, allerdings nicht mehr unter der flexiblen Physikerin Angela Merkel, sondern unter Führung des wirtschaftsnahen Rechtsanwalts Friedrich Merz. Es ist zu früh, um sagen zu können, was das für die Klimapolitik und die Energiewende bedeutet. Nur so viel: Die höchste Priorität wird das Thema nicht im Kanzleramt haben. Es droht sogar eine Rückabwicklung, wie ich hier beschrieben habe.
Aber die größten Klimademonstrationen der Geschichte erlebte die Bundesrepublik unter Schwarz-Rot im Jahr 2018.
Die Bewegung zwang die Regierung zu besserem Klimaschutz. Sie zog rote Linien in den politischen Diskurs ein und wirkte so wie eine Mauer, keine Brandmauer, sondern eine Grüne Mauer.
„Grüne Mauer“, so nennt China sein gigantisches Aufforstungsprojekt, mit dem es die zunehmende Verwüstung des Landes aufhalten will. Es ist die perfekte Metapher für das, was Klima- und Umweltschutz in den nächsten Jahren im politischen Deutschland brauchen könnten.
Redaktion: Bent Freiwald