Ein Mann steht in einem Moor.

© Guillaume Amouret

Klimakrise und Lösungen

So können Moore gegen die Klimakrise helfen

Die meisten Moore in Deutschland sind nicht mehr in natürlichem Zustand. Dabei können sie zu wichtigen CO₂-Speichern werden – wenn die politischen Bedingungen stimmen.

Profilbild von Swantje Furtak und Guillaume Amouret

Bei jedem Schritt schmatzen die Füße in dem dunkelbraunen Boden. „Vorsicht vor den Wasserlöchern“, warnt Jürgen Röper. An diesen Stellen könne der weiche Torf einen Fuß leicht schlucken. Wir befinden uns im Heilsmoor, etwa 40 Kilometer nördlich von Bremen. Das Moor ist Teil der größeren Kulturlandschaft Teufelsmoor.

Der 71-jährige ehemalige Bundesbahn-Mitarbeiter ist Mitglied des lokalen Naturschutzbundes (NABU), der vor 30 Jahren die Renaturierung der Fläche in Angriff genommen hat. Auch zwei weitere Moore hat der NABU Hambergen bereits renaturiert und pflegt sie nun ehrenamtlich.

Nasse Moore sind Kohlenstoffsenken, sie speichern in ihren Torfschichten etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder weltweit. Doch in Deutschland sind nur ein Prozent der rund 1,3 Millionen Hektar potenzieller Moorflächen in einem naturnahen Zustand. Die Mehrheit der Flächen wird zur menschlichen Nutzung stark entwässert, vor allem für die Landwirtschaft, und emittiert so Unmengen an Treibhausgasen. 37 Prozent der CO₂-Emissionen aus der Landwirtschaft stammen aus entwässerten Mooren. Moore zu schützen und wieder zu renaturieren, wäre also ein essenzieller Teil natürlichen Klimaschutzes.

Ein Moor. Im Vordergrund ist Wasser, im Hintergrund sieht man eine Waldgrenze.

Das Heilsmoor in Hambergen © Guillaume Amouret

Aber Moorflächen liegen selten ungenutzt herum. Sie müssen erst der traditionellen Landwirtschaft entzogen werden. Entweder, indem sie direkt unter Naturschutz gestellt werden, so wie es der NABU tut.

Oder indem sie Teil einer neuen Art von Landwirtschaft werden, der sogenannten Paludikultur, die seit dem Jahr 2021 auch von der EU unterstützt wird.

Im Teufelsmoor versucht sich Landwirt Hans Lütjen-Wellner daran. Der Fall des Landwirts zeigt, dass es grundsätzlich möglich ist, Moore als Moore landwirtschaftlich zu nutzen, aber nur, wenn die politischen Bedingungen stimmen.

Nach Inkrafttreten einer entsprechenden Schutzverordnung im Jahr 2019 standen plötzlich drei Viertel des 500 Hektar großen Betriebs von Lütjen-Wellner unter Naturschutz. Was nun?

Keine Milchproduktion mehr

„Da haben wir gedacht, dass wir nicht nein dazu sagen, sondern wir uns selbst darum kümmern, unsere Betriebe am Laufen zu erhalten und zu retten“, sagt Lütjen-Wellner. Er entschied, den Wasserspiegel auf manchen Flächen anzuheben, das Moor wieder zu vernässen. Die Milchproduktion musste er daraufhin einstellen. Denn das Süßgras, das er früher seinen Kühen fütterte, mäht er heute nur noch ab. Eine moortypische Vegetation wächst nach und die wollen die Kühe nicht fressen – zu holzig, zu sauer und zu wenig Nährstoffe.

Lütjen-Wellner sieht sich selbst als Moorwirt, seine Aktivität wird als Paludikultur anerkannt. Diese neue Art von Landwirtschaft beschreibt die produktive Nutzung von nassen Moorböden. Die EU fördert diese Art von Landwirtschaft inzwischen auch im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP); das folgte einem langen politischen Kampf, der im Sommer 2021 schließlich erfolgreich war.

Die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl hatte sich damals für diese Einstufung eingesetzt. „Wir müssen alles dafür tun, dass der Bauer am Stammtisch richtig beklatscht wird, weil er viel Moor hat.“ Es müsse Geld an die Bauern und Bäuerinnen fließen, weil die Fläche eine Leistung für die ganze Gesellschaft bringt. Der in nassen Mooren gespeicherte Kohlenstoff habe einen unschätzbar hohen Wert. So sei der Moorklimawirt nicht nur Produzent, sondern auch „Bewahrer, Gestalter und Hüter einer Landschaft, die uns allen zum Nutzen steht.“

Eine Karte, die die Moornutzung im Landkreis Osterholz beschreibt

Swantje Furtak/Guillaume Amouret

Für die Bauern bedeutet Moorwirtschaft noch Verlust

Das hört sich gut an, in der Praxis funktioniert es aber bisher nicht. Landwirt Hans Lütjen-Wellner rechnet mit finanziellen Nachteilen. „Wo ich früher 5.000 Euro pro Hektar mit der Milchproduktion verdienen konnte, bekomme ich heute nur noch 200 Euro pro Hektar in Form von Förderung.“

Eine Situation, die Landschaftsökonomin Sabine Wichmann der Universität Greifswald bedauert: „Landwirte brauchen Planungssicherheit und das leistet die EU-Landwirtschaftspolitik GAP noch gar nicht.“ Wichmann sieht die GAP als das „zentrale Steuerelement für Landwirtschaft in der EU“. Die Forscherin fuhr in der Verhandlungsphase nach Brüssel und versuchte, die EU von einer anderen Art der Förderung zu überzeugen.

Zwar gibt es inzwischen bereits erste Anreize für Paludikultur, das große Problem: „So lange es weiterhin die gleichen und vor allem höheren Förderungen für entwässerungsbasierte Moornutzung gibt, bleibt eine Umstellung auf Paludikultur unattraktiv.“ Denn die wichtigste landwirtschaftliche Förderung, die Direktzahlungen, machen keinen Unterschied zwischen entwässert oder nass – obwohl entwässerte Flächen massiv Treibhausgase ausstoßen. Aber die Wissenschaftler:innen schafften es bei ihrem Besuch in Brüssel nicht, die klimaschädliche Subventionierung von trockenen Mooren abzuschaffen. Ihnen gelang es lediglich, nasse Moore auch förderfähig zu machen.

Davon war Wichmann zunächst enttäuscht. Heute hat sie mehr Verständnis. Es brauche Zeit für die Umstellung. Schnelle Änderungen der Förderungen könnten die landwirtschaftlichen Betriebe in Schwierigkeiten bringen. Da habe die EU auch eine soziale Verantwortung. Es brauche eine langfristige Aussicht.

Nicht von Förderung leben, sondern vom Verkauf der Produktion

Diese fehlt Hans Lütjen-Wellner. Die Förderung bietet ihm keine langfristige Perspektive und keinen Verlass. Um seinen Betrieb zu halten, versucht er auf den Flächen weiterhin Mutterkühe zu halten. Aber das gelingt kaum noch. Die Moorvegetation schmeckt den Tieren einfach nicht.

Die Ernte aus dem Moor bleibt deswegen im Lager und gärt dort vor sich hin. Lütjen-Wellner sagt aber: „Ich will keine Förderung empfangen, sondern meine Produktion verkaufen.“

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Zwar gibt es in der Theorie Möglichkeiten, die Moorvegetation zu verwerten, als Bau- oder Dämmmaterial oder zur Energieerzeugung, doch sind die industriellen Verwertungsketten erst im Aufbau. So lange möchte und kann Lütjen-Wellner nicht warten. Zusammen mit Frank Havemeyer hat er im Februar 2024 ein Start-up gegründet, die „Aufwuchsverwertung Teufelsmoor-Osterholz“. Ihr Ziel: Abnehmer für ihr Moorheu zu finden.

Moore zu renaturieren, ist zu viel Arbeit für die Freiwilligen vom NABU

Die zweite Option, Moore als Kohlenstoffspeicher zu bewahren, ist purer Naturschutz, ohne Landwirtschaft. Aber „ein Moor zu renaturieren, ist keine einfache Aufgabe“, sagt Jürgen Röper vom NABU. Hier im Heilsmoor haben sie in den Neunzigerjahren schon die Erfahrung gemacht, dass ein renaturiertes Moor eine aufwendige Pflege benötigt. „Regelmäßig müssen wir die jungen Bäume aus dem Moor entfernen“, sonst würden sie der typischen Moorvegetation das Wasser wegnehmen. „Eine aufgewachsene Birke braucht am Tag etwa 300 Liter Wasser“, erklärt Röper.

Doch das 158 Hektar große Moor kann der lokale NABU-Verein nicht allein pflegen. Dafür fehlen die Leute. „2004 haben wir deswegen eine Kooperation mit einer Schule aufgenommen“, so Jürgen Röper. Jedes Jahr schneiden die Siebtklässler:innen aus Hambergen im Heilsmoor die Bäume ab. Dabei lernen sie die Fauna und die Flora dieser spezifischen Landschaft kennen. Die Einführung in die Moorkunde organisieren die Mitglieder des Naturschutzvereins über mehrere Termine hinweg. Röper hofft, dass sich die Kinder später in ihrem Leben daran erinnern und für den Schutz der Moore einsetzen werden.

Eine Karte, die Moore unter Naturschutz im Landkreis Osterholz zeigt

Swantje Furtak/Guillaume Amouret

Eine Herausforderung bleibt allerdings der Wassermangel. „Um das Moor zu erhalten, müssen wir vernässen“, erläutert der 70-jährige Naturschützer. Birken und Kiefern wachsen immer wieder nach, da nicht genug Wasser im Grund liegt. Die Niederschläge reichen zur natürlichen Stabilität des Moors nicht aus. Um das Wasser im Moor zu halten, sollten die Naturschützer:innen den Wasserabfluss zum Bach an der westlichen Seite des Moors hindern. Ihnen fehlen aber die Maschinen und die Finanzen, um Staumaßnahmen umzusetzen und damit das Moor vollständig zu vernässen.

Keine Milchproduktion mehr

Zudem ist die Existenz des Naturschutzgebiets abhängig von der umliegenden Landschaft. Wie das benachbarte Grünland verarbeitet wird, welche Holzsorte im am Heilsmoor grenzenden Forstgebiet gepflanzt wird, all das beeinflusst das torfhaltige Ökosystem. Um es wirklich zu erhalten, braucht man Kooperation, meint Röper. „Wir sind ständig mit Jägern, Landwirten, Forsteigentümern, mit den Behörden im Kontakt.“

Dialog und Austausch wünscht sich auch Landwirt Hans Lütjen-Wellner. Seit Anfang dieses Jahres ist er Teil des Forschungsprojektes „Living Lab Teufelsmoor“. In dem Projekt werden Bauernverband, wissenschaftliche Institute, lokale Behörden und Landwirtschaftskammer über acht Jahre hinweg zusammenarbeiten. Sie versuchen, Wirtschaftlichkeit und Moorklimaschutz unter einen Hut zu bringen. Denn das Beispiel von Landwirt Lütjen-Wellner zeigt, dass das noch nicht immer gelingt.

Auch SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl setzt sich dafür ein, „Moorgemeinschaften“ zu gründen. Wenn Landwirt:innen wiedervernässten, würden auch die angrenzenden Grundstücke nasser. Nur gemeinsam vor Ort sei es möglich, das Wasser in den Moorböden zu halten.

Denn über eines sind Akteure einig: Landschaftsschutz ist eine kollektive Aufgabe, da gibt es keinen Platz für Einzelkämpfer.


Die Recherche zu diesem Artikel wurde von Journalismfund Europe unterstützt.

Redaktion: Rico Grimm, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger

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