Wenn Severin Rasts Auto zum Reifenwechsel oder zur Inspektion muss, braucht er sich um nichts zu kümmern. Severin, der KR-Mitglied ist, fährt morgens zur Arbeit, jemand holt sein Auto dort ab – und abends ist es wieder da. Die Reparatur zahlt das IT-Unternehmen, bei dem er arbeitet, genauso wie die Versicherung und den Großteil des Sprits – egal, wie viel er fährt.
Severin zahlt eine monatliche Steuerpauschale dafür, dass er auch privat mit dem Auto fahren darf. Er sagt: „Im Vergleich zu meinem letzten privaten Auto spare ich mit dem Firmenwagen etwa 200 Euro im Monat.“
Wer in Deutschland einen Dienstwagen fährt, darf den oft auch privat nutzen. Weil man sich dadurch das Geld für ein privates Auto spart, muss man Steuern zahlen. Die Dienstwagensteuer ist also erst einmal ein Ausgleich für den sogenannten „geldwerten Vorteil“, den der Dienstwagen bringt.
Aber ist es nur ein Ausgleich? Umweltverbände und Think Tanks kritisieren, dass die Steuer falsche Anreize setzt. Es ist wie beim Sushi-All-you-can-eat: Wenn ich schon jeden Monat Geld dafür zahle, dass ich mit dem Auto fahren darf, dann will ich das auch nutzen. Und das Umweltbundesamt sieht die Dienstwagensteuer als umweltschädliche Subvention: Sie sei zu niedrig, als dass sie den Vorteil eines Dienstwagens ausgleichen würde.
Nach den aktuellsten Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes gibt es 47 Millionen Autos in Deutschland. Zehn Prozent davon sind Dienstwagen. Die Dienstwagenbesteuerung trägt dazu bei, dass Autohersteller immer mehr große Autos verkaufen und Arbeitnehmer:innen mehr Auto fahren. Der Verkehr ist der einzige Sektor, in dem der Ausstoß von Treibhausgasen seit 1990 kaum gesunken ist.
Wie genau funktioniert die Subvention, die diejenigen ohne Dienstwagen eifersüchtig machen könnte? Und wieso ist es so schwer, daran zu rütteln?
Aus Sicht der Arbeitgeber:innen kann ein Dienstwagen ziemlich sinnvoll sein. Denn es ist üblich, dass der Dienstwagen, den man auch privat fahren darf, einen Teil des Lohns ersetzt. Dadurch zahlen Arbeitgeber:innen weniger Gehalt, weniger Steuern und weniger Lohnnebenkosten (also Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung). Bei der nächsten Gehaltsverhandlung kann man das ruhig im Kopf behalten: Der Dienstwagen-Deal lohnt sich für Unternehmen.
Die Arbeitnehmer:innen sparen in den meisten Fällen ebenfalls Geld. Wer einen Dienstwagen privat fährt, muss für diesen „geldwerten Vorteil“ Steuern zahlen. Eine Möglichkeit, den geldwerten Vorteil zu berechnen, ist die Pauschale – das ist pro Monat ein Prozent des Listenpreises, also der Preisempfehlung des Herstellers für das Auto. Dazu kommen 0,03 Prozent für jeden Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsstelle.
Die andere Möglichkeit ist, in einem Fahrtenbuch alle privaten Fahrten aufzuschreiben – und dafür Steuern zu zahlen. In das Fahrtenbuch muss man jede einzelne Fahrt eintragen. Wer schon mal versucht hat, ein Haushaltsbuch zu führen oder auch nur ein regelmäßiges Dankbarkeitstagebuch, kann sich denken, wieso die pauschale Methode deutlich häufiger zum Einsatz kommt.
Aber wie viel Geld spart man mit einem Dienstwagen? KR-Mitglied Bernd Vogel ist Steuerberater und hat für uns eine Beispielrechnung „Dienstwagen vs. privates Auto“ gemacht. Wir sind davon ausgegangen, dass eine Arbeitnehmerin, nennen wir sie Sina, (Steuerklasse I, ledig, keine Kinder, evangelisch) 4.000 Euro brutto im Monat verdient. Sina ist eine Top-Verhandlerin und kann sich entscheiden, ob sie als Dienstwagen einen Audi A4 Avant 35 TFSI fahren möchte oder lieber eine Gehaltserhöhung bekommt, und zwar in der Höhe der Kosten, die das Auto verursacht, und sich davon das gleiche Auto kauft.
Der Audi kostet laut Hersteller 35.250 Euro. Wenn Sina es fünf Jahre lang nutzt und pro Jahr 15.000 Kilometer fährt, würde sie das laut ADAC-Autokostenrechner 776 Euro pro Monat kosten. Bernd hat ihr Brutto-Gehalt (das dann um 776 Euro höher wäre) als Ausgangspunkt genommen und das Netto-Gehalt berechnet. Davon hat er die Kosten für das Auto abgezogen. Das, was übrig bleibt, hat er mit dem Nettogehalt verglichen, das sie bekommen würde, wenn sie das Auto als Dienstwagen bekommt und auch privat nutzen darf. Das Ergebnis: Mit dem Dienstwagen würde sie monatlich 227,25 Euro sparen.
Dieses Rechenbeispiel lässt sich nur mit einigen Einschränkungen auf die Realität übertragen. In der Praxis würden die Arbeitgeber:innen nicht die Kosten des Autos eins zu eins als Gehaltserhöhungen auszahlen – denn durch Steuern und Lohnnebenkosten wird diese Summe brutto höher. Auf der anderen Seite würden Arbeitnehmer:innen privat nicht unbedingt solch ein teures, neues Auto kaufen und es nur fünf Jahre fahren.
Dazu kommt, dass diejenigen, die ein privates Auto haben, Dienstfahrten von ihrer Firma erstattet bekommen. Dadurch kann sich je nach Fall die Summe, die man sparen würde, stark verringern. Die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstelle ist in dieser Rechnung nicht berücksichtigt. Auch hier: Je weiter man von der Arbeitsstelle entfernt wohnt, desto höher sind die Steuern für den Dienstwagen.
Es kommt also ganz auf den Fall an. Durchschnittswerte liefert zum Beispiel eine Studie zur Dienstwagenbesteuerung in OECD-Ländern. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Steuer in Deutschland weniger als 40 Prozent dessen abdeckt, was Arbeitnehmer:innen sparen. Im Schnitt zahlen die Regierungen der OECD-Länder jedes Jahr 1.600 Euro pro Dienstwagen drauf. Das heißt, dass Dienstwagenfahrer:innen im Schnitt 1.600 Euro im Jahr sparen. Die Autor:innen schätzen, dass die deutsche Regierung 5,2 Milliarden Euro pro Jahr für die Subvention zahlt. Das ist halb so viel wie der Etat des Familienministeriums 2018.
Dienstwagenprivileg heißt: Flatrate fürs Autofahren
Carl-Friedrich Elmer arbeitet beim Think Tank Agora Verkehrswende. Er kritisiert die pauschale Besteuerung: „Der Arbeitnehmer hat häufig eine Flatrate. Er zahlt eine Pauschale, er kriegt von seinem Arbeitgeber eine Tankkarte, mit der er sämtliche Kosten abrechnen kann. Also fährt er eher mit dem Auto statt mit dem Zug, auch lange Strecken wie Berlin-München.“
Diese Erfahrung hat auch KR-Mitglied Peter Tillert gemacht. Er hatte einen VW-Bus als Dienstwagen und hat seinen Sprit nicht selbst bezahlt, doch das fand er gar nicht so gut. „Wenn man eine kostenlose Tankkarte hat, denkt man über eine Benutzung der Öffis nicht mehr nach, das hat mich eher genervt. Ich fahre sehr gerne Bahn, aber ein Besuch bei der Oma mit der kompletten Familie hätte uns ungefähr einen Tausender gekostet – mit dem Auto war’s umsonst.“
Elmer sagt: „Es wäre gut, wenn der Arbeitnehmer mehr Steuern zahlt, je mehr er privat mit dem Auto fährt.“ Das Ziel: Es sollte für den Arbeitnehmer finanziell keinen Unterschied machen, ob er einen Dienstwagen privat nutzt oder selbst für sein Auto und den Sprit zahlt.
In einer schwedischen Studie zur Dienstwagenbesteuerung in Deutschland haben die Autor:innen herausgefunden, dass Dienstwagen im Schnitt etwa doppelt so viele Kilometer zurücklegen wie private Autos. Ein Teil davon lässt sich sicher dadurch erklären, dass man in manchen Berufen viel herumfahren muss. Handwerker:innen, Vertriebler:innen im Außendienst, Personaler:innen, die verschiedene Standorte betreuen. All diese Menschen fahren für die Arbeit weite Strecken.
Die Studie zeigt aber auch: Firmeninhaber:innen, denen die Kosten für den Sprit nicht egal sind, weil ja ihre eigene Firma sie zahlt, fahren deutlich weniger (etwa 19.000 Kilometer pro Jahr) mit ihrem Dienstauto als Angestellte (etwa 30.000 Kilometer pro Jahr).
Dienstwagen sind meist große Autos
Wäre KR-Mitglied Peter nicht jahrelang Dienstwagen gefahren, hätte er heute wohl keinen VW-Bus, sondern ein kleineres Auto. „So ein Multivan kostet neu leicht mal über 50.000 Euro“, sagt er. „Privat hätte ich mir höchstens einen gebrauchten geleistet, aber wahrscheinlich doch eher einen Caddy oder so.“ Als er in Rente ging, übernahm er den VW-Bus, den er davor als Dienstauto gefahren hatte.
Dienstwagen führen dazu, dass die Menschen teurere, größere Autos fahren. Die schwedische Studie zur Dienstwagenbesteuerung zeigt, dass große, hochmotorisierte Autos oft Dienstwagen sind – sie sind oft auch stark mit Prestige verbunden. Die Deutsche Umwelthilfe macht jedes Jahr einen Dienstwagen-Check unter Regierungspolitikern im Bund und in den Ländern. 2019 hielt dabei kein einziger Dienstwagen den EU-Flottengrenzwert für CO2 unter realen Bedingungen ein. Den höchsten CO2-Ausstoß unter den Bundesminister:innen hatte ausgerechnet das Auto von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Carl-Friedrich Elmer von Agora Verkehrswende fordert: Dienstwagenfahrer:innen sollten umso mehr Steuern zahlen, je mehr CO2 ihr Auto verursacht.
Eine Reform der Dienstwagensteuer ist schonmal gescheitert
Doch es ist nicht so einfach, die Dienstwagensteuer zu verändern. 2002 versuchte die damalige rot-grüne Regierung, die Steuer zu erhöhen. Im Koalitionsvertrag stand: „Die Pauschale für die private Nutzung von Dienstwagen werden wir von bisher 1 Prozent auf 1,5 Prozent monatlich anheben.“ Der damalige Finanzminister Hans Eichel bezeichnete die Steuer übrigens ebenfalls als Subvention von Dienstwagennutzer:innen. Die Regierung brauchte damals mehr Steuereinnahmen und wollte die unter anderem über die höhere Dienstwagensteuer bekommen. Doch das klappte nicht.
Die Autoindustrie und die Bundesländer, in denen die Autoindustrie stark ist, wehrten sich. Bayerns damaliger Ministerpräsident Edmund Stoiber schrieb einen Brief an die Kolleg:innen in anderen Bundesländern und forderte sie auf, im Bundesrat gegen die höhere Steuer zu stimmen. Auch Sigmar Gabriel, damals Ministerpräsident in Niedersachsen, leistete Widerstand. Die Autoindustrie freute sich über die Unterstützung aus den Bundesländern.
Dabei könnte man viel CO2 einsparen, wenn man die Dienstwagensteuer erhöhen würde. Laut der oben genannten Studie würden sich die Emissionen von Autos um 7,5 Prozent reduzieren.
KR-Mitglied Severin muss sich bald für einen neuen Dienstwagen entscheiden, weil dann der Leasing-Vertrag ausläuft, obwohl er sein Auto nur drei Jahre gefahren hat. „Das ärgert mich“, sagt er. „Es gibt überhaupt keinen sinnvollen Grund zu sagen: Nach drei Jahren muss ein neues Auto her.“ Um immerhin ein bisschen Pionierarbeit in seiner Firma zu leisten, will er als erster Mitarbeiter ein Elektroauto als Dienstwagen fahren.
Vielen Dank an Severin, Peter, Bernd, Hajo, Magnus, Christian, Marcel, Juliane, Pierre, Harald, Holger, Daniel, Hans-J., Christoph, Daniel, Verena, Walburga, Frank, André, Carsten, Reinhard, Yannic und schumi568 für eure E-Mails, Kommentare und eure Zeit.
Redaktion: Philipp Daum; Schlussredaktion: Vera Fröhlich; Bildredaktion: Martin Gommel.