Klimaschutz heißt mehr, als auf eine Demo zu gehen!

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Klimakrise und Lösungen

Klimaschutz heißt mehr, als auf eine Demo zu gehen!

Ich bin 15 Jahre alt und gehe auf eine Berliner „Klimaschule“. Jede Woche wird unser Engagement auf die Frage reduziert: „Warst du bei Fridays for Future?“ Ich finde, damit machen es sich viele zu einfach.

Profilbild von Leonore Kogler

Es war ein Freitag im Frühjahr, und wir waren zu zehnt. Zehn von 21 Schüler:innen, wir hatten Musikunterricht. Als wir endlich alle auf unseren Plätzen saßen (das kann dauern), erwartete ich, dass unser Lehrer so etwas fragen würde wie: „Wo ist denn der Rest?“

Tat er aber nicht. Er fragte: „Warum seid ihr nicht auf der Demo?“ – und das mit einem ziemlich vorwurfsvollen Unterton.

Gerade hatte die Fridays-for-Future-Bewegung ziemlich Fahrt aufgenommen. In Berlin, wo ich zur Schule gehe, waren an diesem Tag hunderte Schüler:innen auf der Straße.

Die Frage unseres Musiklehrers klang wie eine Anschuldigung. Aber wir haben doch nichts verbrochen! Unter uns zehn waren einige, die sich sehr wohl für das Klima engagieren. Wir waren bloß nicht auf der Demo. Aus verschiedenen Gründen: L. kann nichts mit den Antikapitalisten anfangen, die auf den Demos mitlaufen. M. wollte die Französischstunde nicht verpassen. Und ich? Das ist ein bisschen kompliziert …

Unsere Klimaretter-AG hat einen Preis gewonnen

Neben der Eingangstür unserer Schule hängt eine Plakette. Darauf steht: „Berliner Klimaschule.“ Vor einem halben Jahr haben wir mit unserer Klimaretter-AG einen Projekttag organisiert mit Workshops, veganem Essen und Smoothies aus altem Obst. Und dafür einen Preis gewonnen. Viele an unserer Schule sind politisch aktiv. Und viele gehen zu den Freitagsdemos, manchmal die Hälfte meines Jahrgangs. Montage beginnen oft mit der Frage: „Warst du bei Fridays for Future?“

Ich sitze da ein bisschen zwischen den Stühlen. Es ist gut, dass die Bewegung die Regierung und großen Unternehmen unter Druck setzt macht und dass immer mehr Menschen anfangen, sich über die Klimakrise Sorgen zu machen. Aber zu oft läuft das so: Wie es um den Klimaschutz steht, messen doch viele nur daran, wie oft Fridays for Future in den Medien ist (gefühlt jeden Tag) und wie oft Karl-Heinz aus Hinterposemuckel bei der Demo ist (jeden Freitag seit sechs Monaten – herzlichen Glückwunsch, Karl-Heinz).

Dadurch wird Klimaschutz, die wichtigste Aufgabe der Menschheit, runtergebrochen auf die Frage: „Warst du bei Fridays for Future?“ Mir ist das zu einfach.

Fürs Klima streiken und dabei Burger essen

Zwei Mal war ich auf den Fridays-for-Future-Demos, zuletzt im September, als globaler Klimastreik war. Sehr viele aus unserer Schule fuhren hin. Ich ging mit, bei uns an der Schule wäre sowieso nichts los gewesen. Und ja, die Demo war überwältigend: So unglaublich viele Leute auf der Straße. Ich fühlte mich wirklich gut. Bis ich mitbekam, wie viele Leute nach zehn Minuten an der Spitze der Demo zu McDonalds gingen, Burger essen.

Ich bin an meiner Schule mittlerweile ein bisschen ein Sonderfall: Eine Klimamahnerin, die nicht zu den Demos geht. Mir ist Klimaschutz wichtig, ich bin in der Klimaretter-AG, seit einem halben Jahr esse ich vegan. Aber ich gehe nicht zu Fridays for Future. Viele in meiner Schule kriegen das nicht zusammen.

Und deswegen führe ich fast wöchentlich die Diskussion, ob ich jetzt endlich mitkomme oder nicht. Meistens argumentieren die Leute in meiner Klasse so: Durch die Demos wird Klimaschutz ein großes politisches Thema. Gerade weil es Schulstreiks sind, kommen sie in die Tagesschau. Und dann denken auch diejenigen Menschen vor dem Fernseher nach, die sich bisher nicht so viel für das Klima interessiert haben.

Aber ich finde, das stimmt so nicht. Ich halte viele inhaltlichen Forderungen der Bewegung für richtig: Zum Beispiel eine CO2-Steuer und den Kohleausstieg bis 2030. Und ich finde es wichtig, dass sich alle Bürger:innen bewusst werden, wie dringend die Politik handeln muss. Aber was läuft denn in der Tagesschau? „Heute haben in X Städten soundso viele Leute für das Klima gestreikt.“ Die inhaltliche Ebene der Klimakrise geht dabei meistens verloren.

Viel Unterstützung von Lehrer:innen und Eltern

Die meisten unserer Lehrer:innen unterstützen die Bewegung. Indirekt, denn sie dürfen als Angestellte des Staates nicht streiken und uns auch nicht dazu aufrufen. Einige fangen an Freitagen keine neuen Unterrichtseinheiten an oder behandeln keine klausurrelevanten Themen. Manche entwerfen im Kunstunterricht Plakate mit Demo-Sprüchen.

Aber auch bei uns gibt es Lehrkräfte, die sehr konservativ argumentieren, wie ich finde: Dass mit den Demonstrationen die Schulpflicht verletzt werde. Sie quittieren die Demonstrationen dann als einfaches Schwänzen. Eine Lehrerin ließ sich jedes Mal einen Zettel geben, auf dem die Eltern vermerken mussten, dass das Kind demonstrieren ist. Bei einer bestimmten Anzahl solcher Zettel will besagte Lehrerin einen Tadel vergeben. Solches Verhalten kommt nicht gut an; selbst bei denen nicht, die Fridays for Future nicht unterstützen.

Auch die meisten Eltern unterstützen die Demos. Zumindest tolerieren sie das Engagement ihrer Kinder. Manchmal sieht man Eltern auf den Demos. Aber natürlich gibt es Eltern, die das Demonstrieren wegen der unentschuldigten Fehltage nicht erlauben. (Dass sich manche Kinder widersetzen, brauchen sie ja nicht zu wissen.)

Einmal in der Woche führen wir die immer gleiche Diskussion. Aber die Woche hat noch sechs andere Tage, an denen man etwas für das Klima tun kann! Man kann sein eigenes Konsumverhalten hinterfragen, man kann weniger kaufen, auf die Herkunft seiner Lebensmittel achten, weniger fliegen. Man kann Klimaschutz im Privaten leben, und dann ist es auch verständlich, auf eine Fridays for Future Demo zu gehen.

Nicht allen ist Klimaschutz auch im Privaten wichtig

Ich esse vegan. Ich fahre Fahrrad und nehme die Bahn und lasse mich selten von meinen Eltern im Auto fahren (nur, wenn es wirklich nicht anders geht). Im Unterricht versuche ich, so wenige Papier wie möglich zu benutzen (versuch das mal mit Lehrern, die keine Ahnung haben, wie man doppelseitig druckt!). Urlaub … okay, Urlaub ist schwierig. Jede:r hat seine Schwachstelle. Aber ich versuche es.

Vielen an meiner Schule ist Klimaschutz wirklich wichtig, auch im Privaten. Aber leider gibt es auch Menschen, die glauben, der Klimaschutz wäre mit einer Demo auf der To-do-Liste abgehakt. Ich möchte das an zwei Beispielen demonstrieren: Nennen wir die beiden mal Annegret und Liselotte.

Annegret geht am Freitag zu Fridays for Future; hat sich dabei einen Big Mac gegönnt und fliegt am Sonntag mit ihrer Tante nach Mallorca. Im Flugzeug kann Annegret stolz von der Demo erzählen. Ihre Tante freut sich, dass ihre Nichte nun endlich begriffen hat, wie wichtig der Klimaschutz ist.

Liselotte ist seit Jahren bei Greenpeace aktiv und hat an der Schule eine Klimaschutz-AG gegründet. Sie geht am Freitag nicht zur Demo, um die Mathestunde nicht zu verpassen. Am Montag stellt ihre Freundin die ewig gleiche Frage: „Warst du bei Fridays for Future?“ Liselotte kann nur mit Nein antworten, und ihre Freundin fragt sich, ob Liselotte ihre Begeisterung für den Klimaschutz irgendwo auf dem Weg zum Bioladen vergessen hat.

Das Engagement im Privatbereich rückt in den Hintergrund

Vielleicht wird mit diesen Beispielen deutlich, was mich anregt, über Fridays for Future nachzudenken:

Viele Menschen bemessen das Engagement im Bereich Klimaschutz nur noch daran, wie oft jemand bei Fridays for Future war, und das ist ein Problem. Vor lauter Demonstrationen rückt das Engagement im privaten Bereich völlig in den Hintergrund. Ich kann mir auch vorstellen, warum: Die Teilnahme an einer Demonstration ist messbar. Man kann einmal teilnehmen, zehn Mal oder auch gar nicht. Es wäre schön praktisch, den Klimaschutz einfach nur daran bemessen zu können.

Aber so einfach ist es eben nicht! Das Engagement für das Klima sollte weiter gefasst werden. Es gibt so viele Möglichkeiten, die von echtem Interesse zeugen. Für echten Klimaschutz reicht eine Demonstration nicht aus.


Leonore Kogler war eine Woche lang Schülerpraktikantin in unserer Berliner Redaktion. Wenn du selbst auch Schüler:in bist (oder dein Kind) und ein Praktikum bei uns machen möchtest, schreib uns eine Mail an philipp.daum@krautreporter.de

Redaktion: Philipp Daum; Schlussredaktion: Vera Fröhlich; Bildredaktion: Martin Gommel.