In den letzten sechs Monaten habe ich viel Zeit damit verbracht, Facebook-Kommentare von Klimawandelleugnern zu lesen. Ich wollte wissen, wie sich Klimawandelleugner online verhalten. Und vor allem: Wie versuchen sie, andere von ihrer Meinung zu überzeugen, die für mich ganz offensichtlich weitab von der Realität ist? Deshalb habe ich in meiner Masterarbeit untersucht, wie Klimawandelleugner auf Facebook argumentieren.
Gerade mal zehn Prozent der Deutschen sind einer Studie aus dem Jahr 2017 zufolge Klimawandelleugner. Aber wenn man sich Facebook-Diskussionen anschaut, glaubt man das kaum. Dort sind die Leugner zahlreich, sie beleidigen die streikenden Schüler von Fridays for Future oder Greta Thunberg. Oder sie behaupten, dass der Klimawandel nicht existiere – und erklären, warum der Mensch gar keinen Einfluss darauf haben könne.
Das hier ist ein Ausschnitt aus einer Facebook-Diskussion unter einem Beitrag von Spiegel Online. Im Artikel geht es um Greta Thunbergs Auftritt in einer deutschen Talkshow.
Kommentare wie der von Alexander sind typisch für Klimawandelleugner, Hunderte davon habe ich in meiner Masterarbeit gesammelt und analysiert. Der Klimawandel wird von der Sonne angetrieben? Es gibt einen medialen Hype um eine Öko-Industrie, Klimapolitik ist Panikmache?
Für nichts davon gibt es belegbare Fakten, im Gegenteil. Die Wissenschaft ist sich sehr einig, dass der Mensch den aktuellen Klimawandel hauptsächlich antreibt. 2016 hat das eine Studie von renommierten Klimawandelleugner-Forschern wieder einmal bestätigt. Sie untersuchten fast 12.000 klimawissenschaftliche Papers. Das Ergebnis: 90 bis 100 Prozent der Autoren dieser Papers gehen von einem anthropogenen Klimawandel aus. Ja, die Sonne ist ein Klimafaktor – hat aktuell aber deutlich weniger Einfluss als der Mensch.
Auf Alexanders Facebook-Kommentar haben mehrere Nutzer reagiert, sie sind seinen Behauptungen mit Fakten entgegengetreten. Falsche Behauptungen sollten online entkräftet werden, empfiehlt Mike S. Schäfer, der in der Wissenschafts- und Risikokommunikation forscht. Auch wenn der Erfolg einer Diskussion mit Klimawandelleugnern immer davon abhängt, wo und wie sie stattfindet. „Nicht jeder Skeptiker, dem man online begegnet, ist tief davon überzeugt, was er behauptet“, sagt Schäfer. „Mit manchen kann man reden und sie vielleicht sogar umstimmen.“
Andere seien dagegen festgefahren in ihren Überzeugungen und haben sich Gedankengebilde und Argumentationen zurechtgelegt. Mit ihnen könne man lang diskutieren, ohne etwas zu erreichen. Im richtigen Rahmen kann sich diese Auseinandersetzung trotzdem lohnen – für das stille, mitlesende Publikum. „Wenn später jemand auf die Seite kommt und die Kommentare liest, sieht er, es gibt auch noch andere Positionen, die sachlich, vernünftig und sympathisch vertreten werden“, sagt Schäfer.
Das gelte für soziale Medien und andere Seiten, auf denen Nutzer diskutieren können. Nur sehr homogene Blogs und Gruppen könnten eine Zeitverschwendung sein – wenn sich alle einig sind, dass etwa der Klimawandel nicht menschengemacht ist, dann wird ein einzelner gegenläufiger Kommentar an der Auffassung nichts ändern, vermutet Schäfer.
Wenn man sich nun online für eine faktenbasierte Diskussion einsetzen will, wie kann man das angehen? In meiner Masterarbeit habe ich einige Behauptungen gefunden, die immer wieder auftauchen. Die wichtigsten habe ich zusammengefasst und echte Argumente gesammelt, um sie zu entkräften.
Behauptung: Der aktuelle Klimawandel wird nicht vom Menschen verursacht (sondern von der Sonne, dem Wind, …)
Was richtig ist: Es gibt weitere Klimafaktoren als den Menschen, und in der Vergangenheit hat sich das Klima verändert, ohne dass Menschen darauf Einfluss genommen haben (zum Beispiel, weil es sie damals noch gar nicht gab). Heute ist der Mensch aber der entscheidende Einfluss auf das Klima. Das haben unzählige Studien erforscht und bestätigt, ein Beispiel ist eine Untersuchung von zwei Wissenschaftlern der ETH Zürich, die im Fachblatt Nature veröffentlicht wurde. Sie haben herausgefunden: Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich die Erde nur durch menschliche Treibhausgase um 0,56 Grad Celsius erwärmt. Der Mensch ist also durch Treibhausgase für den Klimawandel verantwortlich. Das schreibt auch der Weltklimarat IPCC in seinem neuesten Bericht von 2013.
Behauptung: Der Mensch kann nicht schuld am Klimawandel sein, weil er nur für sehr wenig CO2 in der Atmosphäre verantwortlich ist
Verglichen mit der vorindustriellen Zeit (seit 1750) ist der Mensch dafür verantwortlich, dass sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bereits um 40 Prozent erhöht hat, schreibt der IPCC im letzten Sachstandsbericht von 2013. Das liegt daran, dass die menschlichen Treibhausgasemissionen den Kohlenstoffkreislauf durcheinander bringen. Die Natur gibt über Ozeane und Land eigentlich große Mengen CO2 ab, nimmt aber genauso viel wieder auf. So wird CO2 zum Beispiel abgegeben, wenn Holz verrottet. Aufgenommen wird es etwa von Pflanzen, durch Fotosynthese. Durch die menschlichen Emissionen und die Abholzung von Wäldern wird nun aber weniger CO2 aufgenommen, als abgegeben wird. Die Folge: Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt, was den Klimawandel antreibt. Auch dieser Kohlenstoffkreislauf ist ausführlich im IPCC-Bericht von 2013 erklärt.
Behauptung: Die Modelle der Klimawissenschaft sind unwissenschaftlich
Klimawissenschaftler arbeiten mit Modellen, die mögliche Varianten der Zukunft beschreiben. Sie beruhen auf Wahrscheinlichkeiten und Annahmen, was immer eine gewisse Unsicherheit mit sich bringt. Diese Unsicherheit wird vom Weltklimarat IPCC aber auch kommuniziert: Bei jeder Prognose wird erwähnt, wie wahrscheinlich das Eintreten ist.
Global funktionieren Klimamodelle besser als regional. Es ist also einfacher zu berechnen, wie sich das Klima der Erde insgesamt verändern könnte als das Klima in Deutschland. Zudem sind Klimamodelle exakter, wenn sie lange Zeiträume beschreiben (etwa sechzig Jahre) und nicht kurze Zeiträume von 10 oder 15 Jahren. So schreibt das IPCC im letzten Bericht von 2013 (in Kapitel D.1), dass Langzeitklimasimulationen die Entwicklung der globalen Oberflächentemperatur von 1951 bis 2012 korrekt beschrieben haben.
Behauptung: Der Weltklimarat IPCC verbreitet Falschaussagen, wird von der Politik gelenkt – er ist Teil einer Verschwörung
Der Weltklimarat IPCC wurde 1988 gegründet, nachdem in der Wissenschaft immer klarer wurde, dass sich die Atmosphäre erwärmt und der Mensch dafür verantwortlich ist. Er gehört zu den Vereinten Nationen und dient als Gremium, um Staatschefs weltweit aufzuklären und zu beraten.
Forschung betreibt der IPCC nicht, sondern erstellt nur Gutachten. Darin wird der Forschungsstand zum Klimawandel zusammengetragen. Klimaforscher aus der ganzen Welt sind daran beteiligt. Jedes Gutachten wird mehrmals in sogenannten Review-Prozessen von Fachleuten geprüft, und jede Änderung wird von IPCC-Editoren überwacht. Das erklärt der IPCC auf seiner Website selbst.
Dass der Klimawandel Produkt einer Verschwörung ist, ist beinahe unmöglich. Das argumentieren Stephen Lewandowsky und andere Kommunikationswissenschaftler in ihrem Übersichtswerk Climate Change Conspiracy Theories. Klimaforschung wird seit vielen Jahrzehnten betrieben, es gibt unzählige Klimawissenschaftler, Institute und andere Einrichtungen auf der Welt. Sollte der anthropogene Klimawandel eine Lüge sein, wäre das längst aufgedeckt worden. Die beteiligten Forscher sind zu zahlreich, um so eine Verschwörung so lange geheimzuhalten.
Behauptung: Der Klimawandel dient dazu, neue Steuern wie die CO2-Steuer durchzusetzen
Wäre der Klimawandel eine Erfindung von Politik und Wissenschaft, wäre das wohl – siehe oben – schon herausgekommen. Eine CO2-Steuer ist nur ein mögliches Instrument, um Klimaschutz in das aktuelle wirtschaftliche System zu integrieren.
Behauptung: Deutschland hat nur einen kleinen Anteil am Klimawandel, deshalb sollte hier kein Klimaschutz betrieben werden – andere Länder schädigen das Klima mehr als Deutschland
Es stimmt, dass Deutschland am weltweiten CO2-Ausstoß einen Anteil von circa zwei Prozent hat. In Deutschland leben aber auch nur etwas mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung. Es stimmt aber auch, dass andere Länder einen höheren CO2-Ausstoß haben als Deutschland – dem Global Carbon Atlas zufolge genau fünf andere Länder: China, die USA, Indien, Russland und Japan. Schon deshalb hat Deutschland eine Verantwortung, den eigenen CO2-Ausstoß zu reduzieren. Darüber hinaus können neue Wege, die CO2-Emission hierzulande zu vermindern, auch andere Länder motivieren, dasselbe zu tun. Katharina mau erklärt das in diesem Text im Detail.
Behauptung: Klimaschutz schadet der deutschen Wirtschaft, es gehen Arbeitsplätze verloren
Klimaschutz wird die Arbeitswelt überall verändern, nicht nur in Deutschland. Dabei ist es möglich, dass in einigen Branchen Arbeitsplätze verloren gehen. Gerade in ländlichen Gebieten und an der Küste hat der Klimawandel Einfluss auf das tägliche Leben. Die Landwirtschaft wird so beeinflusst, genauso die Fischerei oder die Tourismusbranche, prognostiziert der IPCC im Bericht von 2013 unter Kapitel B-1.
Verändern heißt aber nicht verschlechtern, durch mehr Klimaschutz entstehen in diesen und anderen Branchen auch neue Arbeitsplätze. Zum Beispiel bei erneuerbaren Energien oder in der Forschung. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass die deutschen Exporte im Bereich von Klimaschutztechnologien steigen werden.
Der Arbeitsmarkt wird sich verändern – wie genau, kann momentan aber niemand vorhersagen. Zu viele Aspekte haben einen Einfluss, denn der Klimawandel ist ja nicht der einzige Faktor, der den Arbeitsmarkt verändert.
Behauptung: Der Klimawandel lässt sich nicht mehr aufhalten
Die nötigen Technologien gibt es längst, die entscheidenden Fakten sind bekannt. Auch in der Bevölkerung ist das Klimabewusstsein hoch, laut einer Umfrage des Bundesumweltamts zählen 64 Prozent der Deutschen den Klimawandel sogar zu den aktuell wichtigsten Problemen. Die Treibhausgasemissionen könnten schnell sehr stark gesenkt werden, etwa durch die Abkehr von Kohleenergie, durch energieeffizientes Bauen und eine Veränderung der Landwirtschaft.
Aufhalten lässt sich der Klimawandel tatsächlich nicht mehr, durch die Treibhausgasemissionen wird sich die Atmosphäre noch weiter erwärmen. Aber die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels können noch gestoppt werden – schreibt zum Beispiel die NASA auf ihrer Website, die auch viel Klimaforschung betreibt. Vor allem, wenn das 1,5-Grad-Ziel noch eingehalten wird, reduzieren sich laut *New York Times* Gefahren wie eine schmelzende Arktis und tödliche Hitzewellen. Schon zwei Grad Erwärmung bedeuten schwerwiegende Folgen für die Menschheit, etwa mehr Hitzewellen, mehr Starkniederschläge und eine höhere Wahrscheinlichkeit für Dürre. Davor warnt der IPCC im Bericht von 2013.
Redaktion: Philipp Daum; Schlussredaktion: Vera Fröhlich; Bildredaktion: Verena Meyer.