Ich weiß schon, es wird schwer werden, dich zu überzeugen. Aber ich versuche es trotzdem einmal: Wenn du das nächste mal eine Spinne bei dir zu Hause entdeckst, bring sie nicht um.
Warum? Weil Spinnen ein wichtiger Teil der Natur sind und auch des Ökosystems in Innenräumen. Und natürlich sind sie auch Mitgeschöpfe mit eigenen Rechten.
Viele Menschen denken, ihre Wohnungen seien quasi von der Außenwelt isoliert. Doch wer danach sucht, wird viele Spinnen-Arten in seinen Räumen entdecken.
Einige finden nicht mehr den Weg nach draußen, andere statten uns einen kurzen Besuch ab. Es gibt auch Arten, die gerne im Haus leben und sich fortpflanzen. Diese Spinnen sind in der Regel unauffällig, und fast alle, die man trifft, sind weder aggressiv noch gefährlich.
Webspinnen sind regelrechte Dienstleister für den Menschen: Sie fangen Insekten und andere Schädlinge. Einige fressen sogar andere Spinnen.
Eine Webspinne untersucht ihre Beute, die sich in ihrem Netz verfangen hat. © Matt Bertone / CC BY-ND
Meine Kollegen und ich haben in den USA fünfzig Häuser in North Carolina untersucht. Wir wollten dokumentieren, welche Arthropoden – das sind Gliederfüßer wie zum Beispiel Insekten, Tausendfüßer, Krebstiere und Spinnentiere – unter unseren Dächern leben. Jedes Haus, das wir uns ansahen, war eine Spinnen-Heimat. Die häufigsten Arten, denen wir begegneten, waren Webspinnen und Kellerspinnen, die auch Winkelspinnen genannt werden.
Eine Zitterspinne, die auf Englisch treffend Daddy Longlegs (Papa Langbein) genannt wird. © Matt Bertone / CC BY-ND
Web- und Kellerspinnen bauen Netze, in denen sie auf Beute lauern. Kellerspinnen verlassen manchmal ihre Netze, um andere Spinnen in ihrem Gebiet zu jagen. Dabei ahmen sie deren Beute nach – um anschließend ihre Cousins zum Abendessen zu verspeisen.
Weil die kleinen Raubtiere alles fressen, was sie kriegen können, fangen Spinnen regelmäßig Schädlinge und sogar krankheitsübertragende Insekten – zum Beispiel Moskitos. In Ostafrika gibt es sogar eine Springspinne, die blutgefüllte Malariamücken in den Häusern jagt. Das Töten einer Spinne kostet also nicht nur das Leben des Tieres. Vielleicht tötest du dabei auch ein nützliches Raubtier im Haus.
Es ist ganz normal, sich vor Spinnen zu fürchten. Sie haben ziemlich viele Beine – acht, um genau zu sein, während Insekten nur sechs haben – und fast alle sind zumindest ein bisschen giftig. Aber bei den meisten Arten ist das Gift zu schwach, um Menschen Probleme zu verursachen. Auch ist fraglich, ob ihre Kieferklauen überhaupt unsere Haut durchdringen können.
Selbst Entomologen (Insektenforscher) können eine Spinnenphobie haben. Ich kenne ein paar Arachnologen (Spinnenforscher), die ihre Angst überwunden haben, indem sie diese faszinierenden Kreaturen beobachtet und mit ihnen gearbeitet haben. Wenn die das können, kannst du es auch!
https://www.youtube.com/watch?v=pnZUFXVG3IA&feature=youtu.be
Die Geschichte einer Spinnenkundlerin, die früher Angst vor Spinnen hatte.
Spinnen sind nicht hinter dir her und meiden eigentlich lieber die Menschen. Wir sind für sie viel gefährlicher als umgekehrt. Bisse von Spinnen sind extrem selten. Obwohl es einige medizinisch relevante Arten wie die Witwenspinnen (Schwarze Witwe) oder Einsiedlerspinnen gibt, sind selbst deren Bisse selten und verursachen nur in Ausnahmefällen ernste Probleme.
Wenn du eine Spinne in deinem Haus, deiner Wohnung, deiner Garage oder wo auch immer wirklich nicht ertragen kannst, dann erschlage sie nicht. Versuche stattdessen, sie einzufangen und nach draußen zu bringen. Sie wird einen anderen Ort finden, an dem sie leben kann – und ihr beide werdet mit dem Ergebnis zufrieden sein.
Aber wenn du es verkraften kannst, dann lasse die Spinnen in deinem Haus. Es ist ganz normal, dass sie dort wohnt. Offen gesagt: Selbst wenn man sie nicht sieht, sind sie trotzdem da. Wenn du also die nächsten Spinne triffst, rate ich dir zur Haltung: leben und leben lassen.
Matt Bertone ist Entomologe an der North Carolina State University im Bereich Pflanzenschutz und Insektenkunde. Sein Spezialgebiet ist das Bestimmen von Insekten und anderen Gliederfüßern.
Seinen Artikel veröffentlichte in Englisch The Conversation. Hier könnt ihr den Originalartikel lesen.
Übersetzung: Vera Fröhlich; Redaktion: Theresa Bäuerlein; Bildredaktion: Martin Gommel.
