In der achten Klasse war ich für eine Stunde lang ein gefeierter Blues-Pianist. Gemeinsam mit unserem Musiklehrer schauten wir damals den Film „Blues Brothers“, eine US-amerikanische Musical-Filmkomödie, bei der die Brüder Jake und Elwood Blues ihre alte Band vereinen, um Geld für das Waisenhaus zu sammeln, in dem sie aufgewachsen sind. Stars wie Aretha Franklin und Ray Charles hatten Gastauftritte und weil wir schließlich immer noch in der Schule waren, schauten wir nicht nur den Film, sondern analysierten auch die Blues-Nummern, die gespielt wurden.
Wir erkannten Muster, Tonfolgen, die als Bass eine ganze Reihe berühmter Blues-Songs ummanteln: A – C# – E – F# – G – F# – E – C#. Dann gab uns unser Lehrer eine Aufgabe. Wir sollten diese Boogie-Woogie-Tonfolge nehmen, sie einüben und in Dauerschleife mit der linken Hand auf dem Klavier spielen. Mit der rechten Hand sollten wir uns einen kurzen Blues-Song dazu ausdenken.
Ich setzte mich nach der Schule zuhause direkt ans Klavier und begann zu jammen. Ich spielte einfach drauf los, die feste Tonfolge der linken Hand gab mir die Sicherheit, die meine rechte Hand brauchte, um frei zu komponieren. Stunden vergingen und schließlich war ich zufrieden. In der nächsten Stunde spielte ich mein Stück vor, die Klasse applaudierte, mein Musiklehrer gab mir ein High Five.
Gestatten, Bent Charles.
Ich habe diese Aufgabe geliebt. Das einzige Problem: Sie wurde uns nie wieder gestellt. In den anderen Musikstunden ging es vor allem darum, Noten zu lesen, Klatschrhythmen nachzuklatschen und Musikepochen zu beschreiben. Ab und zu holten wir die großen Xylophone aus dem Lagerraum und spielten gemeinsam langweilige Melodien. Es klang schrecklich. Meine rechte Hand wurde nie wieder freigelassen. Der Musikunterricht wollte mich nicht in kreativ.
Es gibt diesen sehr berühmten Ted-Talk aus dem Jahr 2006. Allein auf der Webseite ted.com wurde er mehr als 77 Millionen Mal angeschaut. Dort erklärt der Bildungswissenschaftler Sir Ken Robinson, warum er denkt, dass Schule Kreativität nicht fördert. Oder wie er sagt: killt.
Schulen, sagt Robinson, seien wie Fabriken, in denen es darum gehe, Kinder für Berufe auszubilden, die möglicherweise in der Zukunft gar nicht mehr existierten. Er kritisiert das Schulsystem dafür, dass es Kinder darauf trimmt, „richtig“ zu denken, was oft dazu führt, dass sie Angst vor Fehlern entwickeln.
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Diesen Artikel gibt es, weil unsere Leser:innen es so wollten. Online konnten sie über sieben Recherche-Ideen zum Thema Kinder und Bildung abstimmen. Die Artikel-Idee zur Kreativität in der Schule gewann mit 5,6 von 7 möglichen Punkten. Wenn du die anderen Artikel nicht verpassen willst, abonnieren meinen Newsletter „The Kids Are Alright“.
Sein Ted-Talk ist fast 20 Jahre alt. Ich wollte wissen: Wie sieht es heute aus? Was heißt das eigentlich: kreativ sein? Unter welchen Umständen werden Schüler:innen kreativ? Und wie können Lehrer:innen kreativ unterrichten?
Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gehört Kreativität zu den vier zentralen Kompetenzen für den Erfolg im 21. Jahrhundert. Neue Daten der PISA-Studie haben erstmals gezeigt, wo Deutschland im internationalen Vergleich steht, was die Kreativität seiner Schüler:innen angeht. Die Ergebnisse zeigen auch, wie es besser geht. Denn in jeder Schule gibt es eine Person, die dafür sorgen kann, dass Schüler:innen und Lehrkräfte häufiger ins kreative Denken kommen.
Wir sind süchtig nach Neuem
Als ich angefangen habe, mich mit Kreativität zu beschäftigen, bin ich auf eine profane Wahrheit gestoßen: Alles, was wir Menschen erschaffen haben, hat sich irgendwer irgendwann mal ausgedacht. Mehr noch: Wir Menschen sind darauf gepolt, uns nie mit dem zufrieden zu geben, was wir haben, was es schon gibt. Wir wollen nicht nur immer mehr, wir wollen Neues.
Das kann man sogar messen. Das menschliche Gehirn unterdrückt alles, was es schon kennt.
Wenn du einem neuen Objekt begegnest, sagen wir, einem selbstfahrenden Auto, zeigt dein Gehirn eine starke Reaktion. Es nimmt etwas Neues auf und registriert es. Beim zweiten Mal, wenn du es siehst, reagiert dein Gehirn schon etwas weniger. Es interessiert sich nicht mehr ganz so sehr dafür, weil das Auto nicht mehr ganz so neu ist. Beim dritten Mal: wieder weniger Reaktion. Beim vierten Mal: … Du verstehst schon.
In dieser Studie wurden zum Beispiel Audiosignale vorgespielt, immer und immer wieder. Man sieht, wie die Aktivierung von Wiederholung zu Wiederholung abnimmt:
Die Scans zeigen, wie das Gehirn reagiert, wenn die gleichen Audiosignale wiederholt vorgespielt wurden.
In ihrem Buch „Kreativität“ schreiben der Neurowissenschaftler David Eagleman und der Musiker Anthony Brandt: „Wie wertvolle Diamanten erst geschliffen werden müssen, entsteht Kreativität, indem wir Geschichte in neue Form pressen.“ Kreative Ideen entstehen nie aus dem Nichts. Sie basieren immer auf bereits Erlebtem.
Das Zusammenspiel ist deshalb so wichtig, weil es bei Kreativität darum geht, das bereits Erlebte in Erinnerung zu rufen, aber nicht dabei zu verharren. Es geht darum, die Klebrigkeit des Vorwissens zu überwinden, um es neu zu formen. Es ist ein Blick in die Zukunft. Ein „Was wäre, wenn …?“
In meinem Beispiel aus dem Musikunterricht ist die Bass-Tonfolge der linken Hand das bereits Erlebte. Meine rechte, freie Hand wiederum musste die Melodie der bereits gehörten Blues-Songs überwinden, entkleben, um Neues zu erschaffen.
Wie wichtig dieses Zusammenspiel und dieses Nichtklebenbleiben ist, sieht man, wenn man versucht, kreatives Denken zu messen. Das machen Psycholog:innen häufig, indem sie Menschen bitten, sich ungewöhnliche Verwendungsmöglichkeiten für gewöhnliche Gegenstände auszudenken. Sie fragen dann zum Beispiel:
Wofür könnte man diese Tasse oder diesen Pappkarton noch verwenden?
Die Antworten können in verschiedenen Dimensionen analysiert werden, wie zum Beispiel die Anzahl der Ideen, aber auch deren Originalität, also wie selten eine Idee vorkam. Erstaunlicherweise tun sich viele mit dieser scheinbar einfachen Aufgabe schwer und schlagen nur Verwendungszwecke vor, die den typischen Verwendungszwecken für den Gegenstand sehr ähnlich sind.
Wer intuitiv denkt, denkt kreativer
Kreativitätsforscher:innen weisen immer wieder darauf hin, dass es beim kreativen Denken darum geht, divergent zu denken. Was heißt das? Konvergent ist das Gegenteil: Beim konvergenten Denken geht es darum, eine einzige, klar definierte Lösung für ein Problem zu finden. Divergentes Denken hingegen bedeutet, offen, unsystematisch und spielerisch an Probleme heranzugehen und dabei Denkblockaden und kritische Einwände auszuschalten. Es geht darum, Alternativen zu finden – und nicht die korrekte Lösung.
Für eine Studie wurde im Jahr 2008 die Gehirnaktivität von 26 Teilnehmer:innen mithilfe von Elektroenzephalografie (EEG) überwacht, während sie ruhig in einem Raum saßen. Nach der Aufzeichnung dieser elektrischen Signale baten die Forscher:innen die Teilnehmer:innen, 180 Anagramm-Probleme zu lösen, bei denen es darum ging, ein Wort (wie zum Beispiel „Mehl“) zu einem anderen Wort (wie zum Beispiel „Helm“) umzugestalten. Die Proband:innen gaben auch an, ob sie bei der Lösung der einzelnen Aufgaben einen intuitiven oder analytischen Ansatz gewählt hatten.
Die Forscher:innen fanden heraus, dass diejenigen, die intuitiv vorgingen, besser abschnitten. Und dass sich deren Gehirnaktivität deutlich von denjenigen Personen unterschied, die den analytischen Ansatz bevorzugten.
Das Problem ist: Um divergent zu denken, braucht man Zeit. Und wenn etwas in deutschen Schulen fehlt, dann ist es das.
Deutsche Jugendliche denken durchschnittlich kreativ
Dass die Zeit für kreatives Denken knapp ist, zeigt auch die letzte PISA-Studie. Zum ersten Mal wurde auch untersucht, wie kreativ die Schüler:innen sind. Dafür mussten Schüler:innen Dialoge für einen Comic schreiben, Ideen für eine Filmgeschichte entwickeln oder ein Poster für eine Schulausstellung entwerfen. Ihnen wurden auch Probleme gegeben, die sie kreativ lösen sollten. Zum Beispiel sollten die Jugendlichen neue Ideen entwickeln, um eine Bibliothek rollstuhlgerechter zu gestalten, oder eine Kampagne über die Bedeutung von Bienen für die Natur entwerfen.
Insgesamt haben 64 Länder an der Erhebung zum kreativen Denken teilgenommen. Laut der Studie liegen die Schüler:innen in Deutschland beim kreativen Denken international im Mittelfeld, nahe am Durchschnitt der wirtschaftlich entwickelten Länder in der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).
52 Prozent der Schüler:innen glauben, dass Kreativität etwas ist, das sie lernen können (OECD: 46 Prozent). 78 Prozent geben an, gerne neue Dinge zu lernen (OECD: 83 Prozent). Ein größerer Unterschied zeigt sich bei der Frage, ob es für Jugendliche befriedigend ist, neue Ideen zu entwickeln: Während dies weltweit 74 Prozent bejahen, sind es in Deutschland nur 56 Prozent.
Der überhaupt nicht überraschende Teil der Analyse ist der, in dem es um die Länder geht, in denen Jugendliche besonders kreativ sind. Ganz vorne dabei: Singapur, Südkorea, Kanada, Australien, Neuseeland, Estland und Finnland. Also die Länder, die bei PISA-Untersuchungen immer gut abschneiden.
Während in Deutschland nur 53 Prozent der 15-Jährigen in einfachen Vorstellungsaufgaben oder alltäglichen Problemlösesituationen originelle und vielfältige Ideen einbringen, sind es in Singapur, Südkorea und Kanada über 70 Prozent. Wichtig: Die meisten Länder, die in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften überdurchschnittliche Leistungen erzielen, liegen auch beim kreativen Denken über dem OECD-Durchschnitt.
Man kann nicht nur im Kunstunterricht kreativ sein
Kreativität, so scheint es, wird in Deutschland fast ausschließlich den musischen Fächern zugeschrieben: Kunst, Musik, Theater. Vielleicht, weil kreative Aufgaben dort so einfach zu stellen sind.
Im Buch „Kreativität“ beschreibt der Neurowissenschaftler David Eagleman die Methode einer Kunstlehrerin. Zu Beginn des Schuljahres malt sie einen Apfel an die Tafel und fordert ihre Viertklässler:innen auf, einen eigenen Apfel zu malen. Die meisten Kinder malen den Apfel einfach ab. In den kommenden Monaten zeigt die Lehrerin ihren Schüler:innen zahlreiche Arten, wie man einen Apfel malen kann. Sie imitieren Stile wie Impressionismus, Pop-Art, malen mit Wasserfarben, Klebern, Glitzer und Wolle. Würde es dabei bleiben, wäre das nur eine (eventuell spaßige) Einführung in die Kunstgeschichte. Stattdessen sollen die Kinder zum Ende der Unterrichtseinheit die verschiedenen Stile miteinander kombinieren und so einen ganz neuen Apfel malen.
Schön, aber auch kreativ? Die gesamte Künstliche Intelligenz Midjourney basiert darauf, bereits Bekanntes zu etwas Neuem zusammenzuwürfeln. Midjourney
Zum Abschluss des Halbjahres malt die Lehrerin wieder einen Apfel an die Tafel und fordert die Kinder auf, einen eigenen zu malen. Diesmal kopiert niemand. Sie lösen sich von der Klebrigkeit des bereits Bekannten und erschaffen etwas Neues. „Ein Unterricht, der auf diese Weise Kreativität vermittelt“, schreibt Eagleman, „liegt in der goldenen Mitte zwischen freiem Spiel und der Nachahmung von Vorbildern. Kinder lernen das Beste aus der Vergangenheit mit dem Ziel, es umzugestalten.“
In einer im Auftrag der Telekom-Stiftung erstellten Studie kommt Klaus Klemm am Beispiel von Nordrhein-Westfalen auf alarmierende Zahlen: Bis zum Jahr 2035/36 wird es nur noch halb so viele Musiklehrer:innen geben wie heute. Weil es dann aber mehr Schüler:innen geben wird, wird der Bedarf künftig sogar noch größer sein.
Nach Bremen, Bayern und Thüringen überlegt deshalb auch Mecklenburg-Vorpommern, die Fächer Musik, Theater und Kunst ab dem Schuljahr 2025/26 in einem Verbund zusammenzufassen. Lehrerverbände befürchten, dass diese Fächer dadurch noch seltener unterrichtet werden.
Killt Schule damit endgültig die Kreativität? Nein. Denn natürlich kann man nicht nur im Kunstunterricht kreativ denken und unterrichten. Das wissen auch die deutschen Jugendlichen: 87 Prozent von ihnen sagen, dass man in jedem Fach kreativ sein kann. Damit liegen sie leicht über dem Durchschnitt und vor allem völlig richtig.
Auf welchen Planeten würdest du die Menschheit umsiedeln?
Wie das in anderen Fächern aussehen kann? KR-Mitglied Heinrich sagt: „Gerade Mathematik braucht Kreativität. Alle ‚großen‘ Beweise erforderten kein algorithmisches Abhaken von Rechenrezepten, sondern eine große Beweglichkeit im Denken.“
Im Unterricht geht er das auf zwei Weisen an. Erstens wiederholt er gebetsmühlenartig, dass es bei ihm keine vorgegebenen Rechenwege gibt. Und zweitens sieht er Fehler im Unterricht als etwas Wertvolles an, das ihm den oft kreativen Denkprozess seiner Schüler:innen zeigt. „Und genauso behandle ich diese Fehler, als wertvollen Input im Unterricht, aus dem alle etwas lernen können. So ermuntere ich meine Schüler:innen, ihre eigenen kreativen Gedanken nicht für sich zu behalten, sondern mit allen zu teilen.“
Kreativität im Matheunterricht: Check!
Auch KR-Leserin Elena baut kreative Aufgaben in ihre Biologieklassenarbeiten ein, indem sie bei jeder Arbeit eine Zusatzaufgabe anhängt. Das hat sie sich von ihrem Physiklehrer abgeschaut. Der hatte damals die Aufgabe gestellt: „Wenn du die Menschheit auf einen anderen Planeten umsiedeln müsstest, welchen würdest du wählen? Begründe deine Entscheidung.“ Hinzugefügt wurde eine Tabelle mit Planeten und etlichen Daten zu Größe und Tagesdauer. Sie schrieb damals drei Seiten zu dieser Frage.
Kreativität im Biologieunterricht: Check!
Was würde Lord Voldemort zu alldem sagen?
Die Beispiele lassen sich auf so ziemlich alle Fächer übertragen. Eine klassische Methode dafür ist der Perspektivwechsel. Bekannte Geschichten werden aus einer bis dahin unbekannten Perspektive erzählt. Das Märchen „Hänsel und Gretel“ aus der Perspektive der Hexe. „Harry Potter“ aus der Perspektive von Lord Voldemort. Oder aus der von Draco Malfoy.
Kreativer Deutschunterricht: Check!
Eine weitere Idee ist die alternative Geschichte, bei der sich Kinder vorstellen, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn eine bestimmte Sache nicht eingetreten wäre. Was wäre passiert, wenn Hitler Polen nicht angegriffen hätte? Was, wenn Angela Merkel niemals Bundeskanzlerin geworden wäre? Was, wenn das Bildungssystem niemals zur Aufgabe der Bundesländer geworden wäre?
Kreativer Geschichts- und Politikunterricht: Check!
Nichts fördert die Kreativität mehr, als von den Schüler:innen nicht nur eine (korrekte) Antwort zu erwarten, sondern viele. Egal, in welchem Fach.
Interessant ist, was die Schüler:innen selbst dazu sagen: Nur 50 Prozent der Jugendlichen geben an, dass ihre Lehrer:innen sie ermutigen, originelle Ideen zu entwickeln (OECD-Durchschnitt: 64 Prozent). Nur 53 Prozent geben an, dass sie im Unterricht genügend Zeit haben, um kreative Lösungen für eine Aufgabe zu finden (OECD: 63 Prozent).
Es gibt Zusammenhänge, die man nicht wegdiskutieren kann. Zum Beispiel dieser: Wer kreativ denken möchte, braucht Freiraum. Das sagt auch KR-Leserin Luise, selbst Mutter und Lehrerin. Sie nennt das „begleitetes Sichselbstüberlassen“. Auch die PISA-Studie weist darauf hin, dass die besonders kreativen Länder in den Lehrplänen Zeit einräumen, damit Schüler:innen erfahrungsorientiert, interdisziplinär und damit auch kreativ arbeiten können.
„Das Problem unserer Schulen ist nach wie vor, dass die Lehrpläne und die Vorgaben zur Umsetzung zu stark vorstrukturiert sind. Als Lehrkraft kann man da kaum auswählen“, sagt Luise.
Wie sollen Schüler:innen mehr Freiräume bekommen in einem Schulsystem, in dem Lehrer:innen fehlen und die Kernkompetenzen wie Lesen und Rechnen sowieso schon auf der Strecke bleiben?
Die Schulleiter:innen sind entscheidend
„Es gibt noch eine Chance, die naheliegender ist, als das Bildungssystem zu verändern. Denn das werden wir nicht so schnell hinkriegen“, sagt Leonard Sommer im Podcast „Schulgelaber“. Sommer ist weder Bildungsforscher, noch Lehrer, er arbeitet in einem Unternehmen, das das Metaverse erkundet. Aber er beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, wie man Kreativität in Schulen fördern und was man von der Kreativindustrie lernen kann. Schon für seine Masterarbeit befragte er Schüler:innen, unter welchen Umständen sie kreativ sein können. Im vergangenen Jahr hat er dazu ein Buch veröffentlicht.
Er sagt: „Die Führungskraft ist entscheidend, also der Schulleiter, der hat am meisten Möglichkeiten. Wir brauchen Freiraum für den Schulleiter.“
Und tatsächlich. Egal, welche Schule als positives Beispiel von Medien porträtiert wird oder den deutschen Schulpreis gewinnt, am Ende heißt es stets, der Schulleiter oder die Schulleiterin habe die Schule umgekrempelt. Sommer hat deshalb eine radikale Idee: „Eigentlich müsste man für die Schulleiterposition nach kreativen Führungskräften suchen. Und es ist erstmal völlig egal, ob die vorher im Schulumfeld waren oder nicht. Setze jemanden rein, der Leute wachsen lässt. Der ist dort besser aufgehoben als jemand, der 20 Jahre Lehrer war.“
Du kannst es dir denken: Jemanden eine Schule leiten zu lassen, der keine Lehrkraft ist und nie eine war, ist in keinem der 16 Schulgesetze in Deutschland erlaubt. Aber eins haben wir aus diesem Text gelernt: Diese Idee ist zwar (noch) unmöglich, aber genau deshalb ist sie kreativ.
Kleiner Leserservice: Hier findest du den legendären Gastauftritt von Ray Charles im Film „Blues Brothers“. Und hier den von Aretha Franklin.
Redaktion: Brigitte Wenger, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert